Ein Schluck Plastik: Das Problem mit billigen Sporttrinkflaschen
Es gibt hochwertige Trinkflaschen wie Sand am Meer. Doch auf Sportplätzen und in Turnhallen dominieren unkaputtbare Plastikpullen. Die gibt es überall geschenkt – und jede Menge chemische Rückstände gleich mit.
Dieser Geruch. Wenn ich die Trinkflaschen meiner Kinder ausspüle, wird mir regelmässig übel. Es liegt nicht daran, dass die Plastikteile wochenlang in Sporttaschen vor sich hin schimmeln würden. Nein, ich sammle sie nach dem Training sofort wieder ein, nippe am Wasser, kippe es aus und könnte kotzen. Wie kann Wasser nach drei Stunden so sehr nach Kunststoff schmecken? Das kann doch nicht gesund sein. Natürlich: Die einfachste Lösung wäre es, auf hochwertige Trinkflaschen umzusteigen und die entsprechenden Reinigungstipps zu beherzigen.
Wir hätten auch eine ganze Menge Alternativen im Schrank. Doch nichts vermehrt sich so sehr wie der Plastikflaschenbestand. Bei jedem zweiten Turnier, in Feriencamps und an anderen Events gibt’s die Dinger als billiges Give-away mit Sponsoren-Logo.
Unkaputtbar, ungeniessbar?
Sie sind ja auch praktisch. So gut wie unkaputtbar. Und überall im Einsatz. Selbst bei den Profis. Ein Schluck, dann per beherztem Wurf weg damit. Kinder machen’s genauso, üben den Bottle Flip und vergessen ihre Flaschen in so schöner Regelmässigkeit, dass die Fundgruben überquellen. Sie liefern Argumente dafür, beim billigen Plastik zu bleiben und die schöne Aluminiumflasche im Schrank zu lassen. Die letzte, mit der wir es versucht haben, fiel einem sturzbedingten Gewindeschaden zum Opfer. Sie war anschliessend undicht.
Also schrubbe ich die Quetsch-Modelle so sauber ich kann und hoffe das Beste. Dass das Wasser nicht so verseucht ist, wie es riecht. Zumindest bei BPA ist die Gefahr ja erkannt und gebannt worden. Alles gut. Oder? Während ich nur hoffe, haben sich Forschende an der Universität Kopenhagen auf die Suche nach Antworten gemacht. Spoiler: Was sie gefunden haben, gefällt weder mir noch ihnen.
Für ihre Studie liessen sie Leitungswasser 24 Stunden lang bei Raumtemperatur stehen. In neuen Plastikflaschen, in monatelang gebrauchten Plastikflaschen und in Glasflaschen. Und dann das Ganze nochmal nach einer Reinigung in der Spülmaschine. Mit einem Massenspektrometer machten sie sich anschliessend jeweils auf die Suche nach chemischen Rückständen, die aus den Flaschen stammen und nicht ins Trinkwasser gehören. Das wurde so zuvor noch nie gemacht.
Nichts Genaues weiss man nicht
Ein Problem scheint bislang zu sein, dass die Suche nach potenziellen Schadstoffen der nach der Nadel im Heuhaufen gleicht. Wobei niemand weiss, wie genau die Nadel aussieht. Und wie viele Nadeln es gibt. Es werden bei der Herstellung so viele verschiedene chemische Substanzen gebraucht, dass der Nachweis schwierig ist.
Da scheint auch die EU-Regulation zu Plastik, das mit Lebensmitteln in Berührung kommt, ein Stück weit zu kapitulieren. Zumindest vor Verunreinigungen, die Folge der Herstellung sein können. Sie listet nur einige auf und konstatiert, dass es unmöglich sei, alle zu benennen («However it is not possible to list and consider all impurities in the authorisation»). Absichtlich dürfen nur bestimmte Stoffe verwendet werden. Was unbeabsichtigt hängen bleibt oder sich im Gebrauch aus dem Kunststoff löst, wird vermutlich oft nicht entdeckt. Hersteller sollten im Einklang mit international anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien zur Risikoabschätzung bitteschön dafür sorgen, dass kein Gesundheitsrisiko besteht, heisst es in der Regulation weiter. Danke.
Weichmacher und mehr im Wasser
Wenn ich mir meinen billig produzierten Plastikberg so anschaue, ist mein Vertrauen begrenzt. Und mein Interesse am praxisnahen Ansatz aus Dänemark gross: Leitungswasser – Plastikflaschen – nachgucken. Mit einem Non-Target-Screening. Also dem Ziel, möglichst alle Inhaltsstoffe einer Probe zu erfassen. Quasi alle Nadeln aus dem Heuhaufen schütteln. Und dann feststellen, was es für Nadeln sind. Und es sind einige. Insgesamt über 400 Verbindungen wanderten aus neuen Plastikflaschen ins Wasser.
Sie könnten von Weichmachern stammen, die den Kunststoff flexibel halten. Oder von Gleitmitteln, die bei der Produktion benötigt werden, um die Flaschen aus ihren Formen zu bekommen. Oder aus Farbstoffen, die das Plastik bunt machen. Bäh. In den Wasserproben aus den älteren Flaschen fanden sich vor allem Weichmacher, Antioxidantien, die den Alterungsprozess des Kunststoffs hemmen sollen, und Photoinitiatoren, die das Autorenteam als speziell kritisch erachtet, da sie das Hormonsystem verändern könnten. Immerhin: Spuren von BPA wurden nicht mehr gefunden.
Bloss nicht in die Spülmaschine
Kamen die Trinkflaschen bei 65 Grad in die Spülmaschine, verschärfte der gut gemeinte Waschgang das Problem: Nun kamen auch noch Seifenrückstände dazu. Mehr als 3500 Verbindungen konnten nach der Runde im Geschirrspüler als Rückstände identifiziert werden. Selbst nachdem die Flaschen anschliessend mehrmals von Hand ausgespült wurden, wanderten 430 davon weiterhin ins «frische» Wasser. Zumindest bei den Plastikflaschen.
Während sich diese Rückstände bei ebenfalls getesteten Glasflaschen durch mehrfaches Ausspülen fast vollständig entfernen liessen, blieb in den Plastikpullen immer noch einiges hängen. Dazu beförderte die Hitze des Spülgangs wohl noch weitere Kunststoffverbindungen ins Wasser.
Das bedeutet nicht automatisch, dass die billigen Sportbegleiter Tod und Verderben bringen. Aber es zeigt deutlich, dass sie im Geschirrspüler nichts verloren haben. Und dass wir immer noch viel zu wenig über das Thema wissen und einige Lösungsansätze Augenwischerei sind. Auch Flaschen aus biologisch abbaubarem Kunststoff wurden getestet. Das klingt gut, grün und beruhigt das Gewissen. Aber es bleibt Kunststoff, der nach Ansicht der Forschenden möglicherweise sogar noch leichter ins Trinkwasser gelangt. Nicht nur deshalb sind andere Materialien glasklar die bessere Wahl.
Sportwissenschaftler, Hochleistungspapi und Homeofficer im Dienste Ihrer Majestät der Schildkröte.