Ratgeber

Einfache Tipps vom Profi: So schneidest du deinem Kind die Haare

Katja Fischer
7.10.2022

Mit dem Kleinkind zum Coiffeur? Viele Eltern sparen sich das Geld lieber und greifen selbst zur Schere. Mit oft haarsträubendem Ergebnis. Friseurmeister Roman Bartl sagt im Gespräch, wie’s richtig geht.

Irgendwann ist der Zeitpunkt da, an dem dein Kleinkind kaum mehr aus den Augen sieht und seine Haare nur noch wild vom Kopf stehen. Der Zeitpunkt, an dem du eine Entscheidung treffen musst: selbst Coiffeur spielen oder das Prozedere einem Profi überlassen. Vielleicht erinnerst du dich jetzt gerade an deine eigene Topffrisur zurück, die dir deine Eltern damals verpasst haben. Und entscheidest dich deshalb gegen Eigeninitiative und für den Kinderstuhl im Salon. Oder deine Kindheitstraumata wiegen weniger schwer und du setzt die Schere selbst an – allenfalls mit der Hilfe eines Profis. Roman Bartl zum Beispiel.

Er ist seit über 30 Jahren Friseurmeister mit eigenem Salon in Hamburg. Seit rund zwei Jahren zeigt er Eltern in Video-Tutorials, wie sie ihrem Nachwuchs die Haare richtig schneiden. Im Interview per Videocall spricht er mit mir über traumatische Haarschneide-Erfahrungen und seine Geschäftsidee. Er erklärt mir, wie ich eine Schere richtig halte und sagt: Viel wichtiger als der Haarschnitt ist die Vorbereitung.

Zu kurz, zu schief, zu gerade, zu gestuft – es gibt so viele misslungene Kinderfrisuren. Roman Bartl, ist es wirklich eine gute Idee, Eltern zum Haareschneiden zu animieren?
Roman Bartl: Ich kenne viele Geschichten über traumatische bis dramatische Haarschneide-Erfahrungen, die mir Kundinnen und Kunden aus ihrer Kindheit erzählen. Die meisten Eltern haben schlicht keine Ahnung vom Haareschneiden. Woher auch? Die Tutorials, die sie im Netz finden, sind mehrheitlich von Amateuren und schwierig zu verstehen. Das war der Grund, meine vor 20 Jahren entwickelte Idee mit «Kids-Haircuts» endlich umzusetzen. Ich möchte mit meiner langjährigen Friseurerfahrung Eltern auf einfache Weise zeigen, wie sie lernen können, ihren Kindern die Haare zu schneiden.

Eigentlich schneidest du dir ins eigene Fleisch: Du zeigst ihnen für knapp fünf Euro, warum sie nicht mehr zu dir als Profi kommen sollen.
Die Videos können keinen Profi ersetzen, sie unterstützen nur. Erstens greifen Eltern sowieso oft selbst zur Schere und zweitens ist es kein grosses Business, kleinen Kindern die Haare zu schneiden. Jeder im Friseurberuf hatte schon mal ein schreiendes Kleinkind auf seinem Stuhl und weiss, wie unangenehm das ist. Viele Kinder fühlen sich zum Haareschneiden viel wohler in gewohnter Umgebung zu Hause.

Roman Bartl (52) aus Hamburg macht Haarschneide-Tutorials für Eltern.
Roman Bartl (52) aus Hamburg macht Haarschneide-Tutorials für Eltern.
Quelle: Kids-Haircuts

Ich selbst gehöre zu jener Sorte Eltern, die sich niemals an die Haare ihrer Kinder wagen würde.
Ja, das gibt’s ebenfalls oft. Hattest du selbst mal ein schlimmes Haarschneide-Erlebnis?

Nicht mit meinen Eltern, eine Nachbarin hatte mir als Kind mal eine schreckliche Frisur verpasst. Das will ich meinen eigenen Kindern nicht antun.
Auch diese Hemmschwelle möchte ich mit den Tutorials abbauen. Denn eigentlich kann nicht viel schiefgehen, jeder und jede kann’s. Wenn du die wichtigsten Tipps befolgt.

Welche Tipps?
Meine Devise, die ich immer wiederhole: Lieber zweimal zu lange als einmal zu kurz schneiden. Je kürzer die Haare sind, desto schwieriger und anspruchsvoller ist das Haareschneiden. Aber eigentlich fällt das Wichtigste schon vor dem eigentlichen Haarschnitt an. Der richtige Umgang mit Kamm und Schere ist mindestens die halbe Miete.

Was heisst das konkret?
Es ist wahnsinnig wichtig, dass du weisst, wie du Kamm und Schere richtig in der Hand hältst. Und wie du dann schneidest, ohne den Kamm zwischendurch abzulegen. Ein Laie hält die Schere wie eine Papierschere, das funktioniert nicht. Eine Haarschere hältst du immer mit dem Ringfinger, das braucht etwas Übung.

Gibt’s weitere klassische Haarschneide-Fehler, die Eltern immer wieder begehen?
Viele arbeiten mit nassen Kinderhaaren und wundern sich dann, wenn der Pony am Ende plötzlich viel kürzer ausfällt. Nasse Haare ziehen sich nach dem Trocknen zusammen. Deshalb ist es immer besser, die Haare trocken zu schneiden. Ausserdem wird die Schere beim Ponyschneiden meistens horizontal gehalten und von links nach rechts oder umgekehrt gestutzt. Dann wirkt der Pony zu gerade, wie abgehackt. Viel besser schneidest du vertikal von unten nach oben rein. Pointen nennt man das, damit werden die Linien weicher.

Schere vertikal halten: Der Profi zeigt, wie Ponyschneiden funktioniert.
Schere vertikal halten: Der Profi zeigt, wie Ponyschneiden funktioniert.
Quelle: Kids-Haircuts.de

Was ist die grösste Herausforderung beim Haareschneiden bei Kindern?
Nur einen gewissen – meistens sehr kurzen – Zeitraum zur Verfügung zu haben, in dem das Kind still sitzt. Und in dieser Zeit auch noch entspannt zu bleiben. Bist du gestresst, fühlt es das Kind sofort. Am besten kreierst du vor dem Start eine Umgebung, in der es sich wohl fühlt. Haareschneiden hat viel mit Vertrauen zu tun. Macht ein positives Ritual daraus.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel einmal im Monat die Spitzen schneiden und davor gibt’s immer erst eine Kopfmassage. Oder setzt euch vor einen Spiegel, damit das Kind zuschauen kann. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Drittperson währenddessen eine Geschichte vorliest. Manchmal ist es auch hilfreich, schon vorher ein paar Mal eine kleine Kopfmassage zu machen und die Haare zu kämmen, ohne direkt mit der Schere ranzugehen. Einfach, um das Kind an das Prozedere zu gewöhnen. Am einfachsten ist es, wenn das Kind noch ganz klein ist, ungefähr ein Jahr, du führst es dann langsam heran. Nimm dir die nötige Zeit dafür und verbinde das Haareschneiden mit etwas Angenehmen und Positiven. Das erste Mal ist das wichtigste Mal.

Wann ist denn Zeit für den ersten Haarschnitt?
Das ist unterschiedlich. Es gibt Kinder, die mit zwei Jahren noch fast keine Haare auf dem Kopf haben, andere besitzen im selben Alter bereits eine üppige Haarpracht. Bei Kindern wachsen die einzelnen Haare ja auch nicht gleich schnell, deshalb sieht es bei einigen bald wild auf dem Kopf aus. Wenn die Haare in den Augen der Eltern zu wild aussehen, ist das wohl der richtige Moment für den ersten Haarschnitt.

Wie unterscheiden sich Kinder- von Erwachsenenhaaren?
Vor allem in den ersten Jahren, mit Ausnahmen, sind Kinderhaare viel feiner und die Kopfhaut ist sensibler. Eigentlich ist’s darum auch gar nicht notwendig, Kleinkindern mit Shampoo die Haare zu waschen. Vorausgesetzt, sie haben davor nicht in einer Matschpfütze gespielt. Ein bisschen in der Badewanne nass machen reicht. Die Haare haben dann noch einen Selbstreinigungseffekt.

Haare waschen ist tatsächlich oft ein leidiges Thema bei Kindern. Aber auch kämmen – hast du Tipps?
Halte die Bürste längs statt quer. Die Borsten entwirren so die Haare schneller und es ziept weniger.

Wer hat dir eigentlich als Kind die Haare geschnitten?
(lacht) Mein Vater nahm mich mit zu seinem Friseur. Das war ein älterer Herr im blauen Kittel, er trug mit Pomade zurückgekämmte Haare und hatte einen Stumpen im Mund. Ich wurde auf einen Stuhl gesetzt, den er hochdrehen konnte. Umhang rum und los ging’s mit dem Schneiden. Eine lustige Erinnerung.

Schritt für Schritt zum ersten Haarschnitt

  1. Geeignetes Equipment anschaffen: Du brauchst eine Haarschere, einen Kamm und allenfalls eine Sprühflasche. Wie du richtig damit umgehst, übst du am besten schon vorher ein paar Mal.
  2. Nie spontan schneiden: Bereite dich und dein Kind darauf vor und wähle einen entspannten Tag, an dem ihr genug Zeit habt.
  3. Den richtigen Tageszeitpunkt wählen: Nie schneiden, wenn das Kind schon müde oder hungrig ist. Schau, dass ihr ein Zeitfenster von mindestens einer Stunde habt.
  4. Platz vorgängig einrichten: Bequemen Ort mit genügend Licht wählen. Ein Laptop in der Nähe ist sinnvoll, damit du dir die einzelnen Abläufe direkt abschauen kannst. Vor allem beim ersten Mal.
  5. Schere ansetzen: In kleinen Schritten arbeiten. Lieber zweimal zu wenig als einmal zu viel.

Tipps rund ums Thema bekommst du auch in unserem Beauty Lab by Galaxus & En Vogue.

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.

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