Eingevloggt: Die Sony ZV-1
Produkttest

Eingevloggt: Die Sony ZV-1

David Lee
26.5.2020

Mit der ZV-1 hebt Sony eine neue Kompaktkamera aus der Taufe. Sie sieht ähnlich aus und bietet ähnliche Features wie die bekannten RX100-Modelle, ist aber stärker auf Vlogging ausgerichtet.

Moderne Digicams sind immer auch Videokameras. Doch bereits bei der Haptik eines Geräts sind die Bedürfnisse von Fotografen und Videoproducern grundsätzlich verschieden. Das gilt erst recht fürs Vlogging, wo du dich selbst aufnimmst. Sony bringt mit der ZV-1 eine Kamera auf den Markt, die Vlogger nicht nur ein bisschen berücksichtigt, sondern als Hauptzielgruppe hat. Verfügbar ist sie in der Schweiz voraussichtlich ab Anfang Juni 2020. In Deutschland kann es bei uns noch etwas länger dauern.

Sony ZV-1 (24 - 70 mm, 20.10 Mpx, 1")
EUR563,76

Sony ZV-1

24 - 70 mm, 20.10 Mpx, 1"

Sony ZV-1 (24 - 70 mm, 20.10 Mpx, 1")
Kamera
EUR563,76

Sony ZV-1

24 - 70 mm, 20.10 Mpx, 1"

Gegenüber den etwa gleich grossen Kompaktkameras der Serie RX100 äussert sich das in folgenden Unterschieden:

  • Der Videoaufnahmebutton ist genauso gross wie der Auslöser und ebenfalls auf der Oberseite.
  • Eine rote Kontrollleuchte auf der Frontseite zeigt auch aus einiger Entfernung gut sichtbar an, ob die Kamera aufnimmt.
  • Ein um 180 Grad seitlich ausklappbarer und drehbarer Bildschirm.
  • Ein Zubehörschuh für ein Mikrofon oder eine Videoleuchte.
  • Ein Mikrofonanschluss (3,5 mm) und ein genau einstellbarer Aufnahmepegel. Dies hat bei der RX100-Serie nur das neueste Modell.
  • Ein spezielles, integriertes Dreifach-Mikrofon, und ein mitgelieferter Windschutz.
  • Eine spezielle Taste für Hintergrund-Unschärfe.

Dafür hat die ZV-1 gegenüber der RX100-Serie auch ein paar Dinge nicht:

  • Kein Sucher (der Platz wird vom Zubehörschuh beansprucht)
  • Blitz (der Platz wird vom Mikrofon beansprucht)
  • Modus-Button statt Wählrad (kein Platz wegen Videoaufnahmetaste und Bokeh-Taste)
  • Kein Drehring am Objektiv. Der Drehring macht bei der RX100 vor allem in Kombination mit dem Sucher Sinn, um dem Fotografen ein gut erfühlbares Steuerelement zu geben. Ohne Sucher braucht’s den nicht.
Sony ZV-1 (unten) und RX100 III
Sony ZV-1 (unten) und RX100 III

Bildqualität: Im Rahmen der RX100-Serie

Ich mache zuerst ein paar Fotos – da fühle ich mich sattelfest. Mit der Bildqualität bin ich zufrieden, sie liegt im bekannten Rahmen der RX100-Serie. Kein Wunder: Der Sensor ist anscheinend der gleiche wie bei der RX100 V, der Prozessor der gleiche wie bei der RX100 VII und das Objektiv erinnert mich stark an meine RX100 III. Es bietet 24-70 Millimeter Brennweite bei einer Lichtstärke von f/1,8 bis f/2,8. Im Vergleich zu einer RX100 vermisse ich beim Fotografieren allerdings den Sucher. Und die Möglichkeit, den Bildschirm zu neigen, ohne ihn komplett ausklappen zu müssen.

Bislang kann Lightroom die Rohdaten der Kamera nicht bearbeiten. Hier also zwei JPEGs.

Der Windschutz

Der mitgelieferte Windschutz begeistert mich spontan. Denn fast immer bei Outdoor-Videos versaut mir das Windgeräusch die Aufnahme. Der Wuschel wird einfach auf den Zubehörschuh gesteckt und deckt so das integrierte Mikrofon ab. Wie geil ist das denn? Noch am gleichen Abend mache ich einen Vergleichstest: Einmal mit und einmal ohne Windschutz.

Tatsächlich, das funktioniert perfekt. Und es zeigt, dass man den Leuten auch ohne High-Tech-Rekorde einen Mehrwert bieten kann. Es braucht nur eine gute Idee.

Ohne Windschutz hat das eingebaute Mikrofon die Tendenz, hohe Frequenzen stark zu betonen, was beim Sprechen zu unangenehmen Zischlauten führen kann. Ausserdem ist mir mein eigenes Atemgeräusch unangenehm aufgefallen, was wohl mit der Position und Ausrichtung des Mikrofons zu tun hat. Bei allen Aufnahmen rauschte es ein wenig. Kurz gesagt: Die Qualität ist okay, kann aber mit einem externen Mikrofon noch gesteigert werden.

Die Bokeh-Taste

Auf der Oberseite der Kamera befindet sich die Taste für die sogenannte «Hintergrunddefokussierung». Der Effekt soll den Hintergrund unscharf stellen. Er sieht, verglichen mit der künstlichen Hintergrundunschärfe von Smartphones, verblüffend echt aus. Das liegt daran, dass er echt ist. Die Unschärfe wird nicht berechnet, sondern durch eine offene Blende erzeugt. Auch hier also wieder: Nix Hightech, sondern eine ganz simple Idee. Dieses Prinzip hat allerdings den Nachteil, dass der Hintergrund je nach Situation nicht besonders unscharf wird. Dafür ist der Sensor der Kamera zu klein.

Erneutes Drücken stellt auf eine mittlere Blende (bei dieser Kamera ist das f/5.6), auch wenn vorher Offenblende gewählt war. Wenn ISO und Belichtungszeit auf manuell gestellt sind (Modus S oder M), führt dies dazu, dass das Bild beim Betätigen der Taste massiv heller oder dunkler wird.

Der Präsentationsmodus

Augen- und Gesichtserkennung ist eine praktische Sache beim Vlogging. Ohne diese Funktionen wäre es sehr umständlich, ein scharfes Bild hinzukriegen. Allerdings gibt es dabei ein Problem: Hältst du ein Objekt vor die Kamera, um es gross zu zeigen, wird dieses nicht scharf dargestellt.

Im Präsentationsmodus stellt der Autofokus automatisch auf Objekte scharf, die du vor die Kamera hältst; unabhängig davon, ob die Gesichtserkennung aktiv ist oder nicht. Das funktioniert sehr gut. Der Autofokus der ZV-1 ist nämlich superschnell und präzise.

Der Soft-Skin-Effekt

Der Soft-Skin-Effekt rechnet dir die Falten aus dem Gesicht. Das kennst du wahrscheinlich von Smartphone-Kameras. Die Stärke ist dreistufig verstellbar und lässt sich auch ganz ausschalten. Was ich empfehlen würde. Für Fotos ist der Effekt vielleicht zu gebrauchen, sofern du dich tatsächlich von einer Software glatt streichen lassen willst. Aber bei Videos werden die Falten zwischendurch sichtbar und verschwinden wieder. So wirst du nicht schöner, sondern nur seltsamer.

Akkulaufzeit

Die ZV-1 braucht vermutlich nicht mehr Strom als eine RX100, aber weil Videos viel mehr Strom fressen als Fotos, ist der Akku ständig leer. Für jemanden wie mich, der normalerweise vor allem fotografiert, ist das gewöhnungsbedürftig. Sony gibt die Laufzeit mit 45 Minuten an, was in etwa hinkommen könnte. Ich empfehle dir, mindestens einen Reserveakku und ein externes Ladegerät dazuzukaufen. Ohne dieses Ladegerät kannst du die Kamera nicht gleichzeitig benutzen und den Akku laden, da Sony kein externes Ladegerät mitliefert.

Positiv in dem Zusammenhang: Die Kamera lässt sich (wie schon die verschiedenen RX100-Modelle) während einer Aufnahme per USB mit Strom versorgen. Das können längst nicht alle Kameras.

Kein Abschalten wegen Überhitzung

Neben dem Akku kann auch Überhitzung zu einem vorzeitigen Ende einer Aufnahme führen. Die RX100-Kameras sind dafür berüchtigt, dass sie zum Selbstschutz nach etwa einer halben Stunde den Dienst quittieren. Sony scheint das Problem mittlerweile im Griff zu haben. Bereits die Sony RX100 VII überhitzt kaum noch, und das gilt auch für die ZV-1.

In den Optionen kannst du die maximale Betriebstemperatur von «Standard» auf «Hoch» ändern. Bei Standard ist die 4K-Aufnahme fix auf 5 Minuten beschränkt. Bei Hoch habe ich 1 Stunde und 45 Minuten ununterbrochen aufnehmen können – dann war die Speicherkarte voll. In Full HD konnte ich schon bei der Standard-Maximaltemperatur über zwei Stunden filmen. Vielleicht geht es auch viel länger; ich habe die Aufnahme beendet, da ich die Kamera auch noch für anderes benötigte. Natürlich musste ich sie per USB an den Strom anschliessen, da der Akku nicht so lange hält.

Alles im Griff

Sobald du dich selbst in Bewegung filmst, brauchst du einen Handgriff. Als Zubehör ist der GP-VPT2BT für abwechslungsreiches Vloggen unerlässlich. Er dient gleichzeitig als Mini-Stativ und als kabellose Fernbedienung. Als Stativ ist er stabil, aber nicht höhenverstellbar.

Der Griff ist zwar kein Gimbal, aber der eingebaute Bildstabilisator der Kamera leistet ganze Arbeit und so bleiben die Aufnahmen trotzdem einigermassen ruhig.

Die Bluetooth-Kopplung funktionierte auf Anhieb und die Verbindung musste nie erneuert werden. Neben Recording-Button, Auslöser und Zoom-Wippe bietet der Griff auch eine C1-Taste. Das ist bei der ZV-1 die Hintergrund-Defokussierungstaste. Sie kann auch mit einer anderen Funktion belegt werden.

Das Fernbedienungskonzept liesse sich ausbauen. Hätte der Handgriff nämlich eine Fn-Taste und ein Steuerkreuz mit Rad, liessen sich alle wichtigen Kameraeinstellungen direkt an der Fernbedienung vornehmen. Dann wäre die Bedienung mindestens so praktisch wie bei einem Smartphone.

Von diesem Griff gibt es eine kabelgebundene simplere Variante, die auch mit älteren Kameras ohne Bluetooth funktioniert. Wer bereits einen solchen Griff hat, kann ihn weiterverwenden, denn Sony verbaut auch im Jahr 2020 immer noch Micro-USB-Anschlüsse an neuen Kameras.

Fazit: Zum Fotografieren gibt’s Besseres, fürs Vlogging nicht

Suchst du eine Kamera für Video und Vlogging, bei der Fotos zweitrangig sind, dann ist die ZV-1 eine echte Empfehlung. Der Autofokus stellt schnell und zuverlässig auf dein Gesicht oder auf Objekte vor der Kamera scharf, der Windschutz funktioniert super, und auch Kleinigkeiten wie die Aufnahmeleuchte erleichtern die Arbeit.

Betreibst du Vloggen eher als Nebensache und suchst du vor allem eine kompakte Fotokamera, bist du mit der RX100-Reihe von Sony besser dran als mit der ZV-1. Denn auch bei den RX100-Modellen hat Sony die Vlogger nicht komplett ausser Acht gelassen. Das gilt insbesondere für die RX100 VII, die ebenfalls einen Mikrofoneingang hat, mit dem Bluetooth-Handgriff kompatibel ist und nicht so schnell überhitzt.

Sony hat mir die ZV-1 als bessere Alternative zum Vloggen mit dem Smartphone vorgestellt. Ich sehe die Kamera aber als bessere Alternative für eine grosse Kamera. Die ZV-1 bringt fürs Vlogging alles mit, was die grossen Kameras auch können und ist mobiler. Das Smartphone hingegen hat als günstigere Lösung und als Immer-Dabei-Gerät für spontane Einsätze weiterhin seine Berechtigung. Überdies kann es uneingeschränkt bedient werden, während du dich selbst im Bild siehst, was bei der ZV-1 nicht der Fall ist.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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