Ersetzt eine Smartwatch dein Handy?
Mit einer Smartwatch jederzeit telefonisch erreichbar sein? Die eSIM macht's möglich. Ob ich in Zukunft mein iPhone zu Hause lasse? Ein Selbstversuch.
Wenn du während eines Anrufs von deinem Gegenüber belächelt wirst, telefonierst du wahrscheinlich mit einer Smartwatch mit Mobilfunk. So ist es mir ergangen, als ich vor Kurzem notgedrungen einen Anruf in der Garderobe meines Tanzstudios tätigen musste. Und dabei mit meiner Uhr gesprochen habe. Das muss ziemlich komisch ausgesehen haben, da mich alle belächelten.
Ohne eine physische SIM-Karte lief bisher nichts auf dem Handy, da der Chip den Zugang zum Netz überhaupt möglich macht. Dank der eSIM, einer fest verbauten Zusatzkarte, die deine Mobilfunknummer und das Datenvolumen deiner SIM-Karte nutzt, können Wearables wie beispielsweise die Apple Watch Series 4 mit diesem Netz betrieben werden. Sprich: Du bist auch mit einer Smartwatch jederzeit mobil erreichbar – selbst wenn du dein Handy nicht in Griffweite hast. Diese Funktion muss ich einfach testen. Weil ich eine iPhone-Nutzern bin, wage ich den eSIM-Selbstversuch mit einer Apple Watch (die Mindestanforderung ist ein iPhone 6 und mindestens iOS 12). Mal sehen, ob ich künftig auf mein Mobiltelefon verzichten kann und überhaupt will.
Telefonate
Der in der Apple Watch Series 4 integrierte Mobilfunk – dieser funktioniert nur mit einem zusätzlichen Abo –, ermöglicht dir das Tätigen von Anrufen auch wenn du dein iPhone (bewusst) zu Hause gelassen hast. Ja, es gibt tatsächlich Situationen, in denen ich mein Handy lieber daheim lasse oder schlichtweg nicht griffbereit habe:
- im Gym während eines Gruppen-Workouts
- beim Böötle auf der Limmat
- beim Schwimmen in der Badi
- beim Schleppen schwerer Einkaufstüten
- beim Skifahren
Während eines Telefonats mit digitec-Redaktionskollege Raphael Knecht, der die eSIM-Funktion ebenfalls mit einer Apple Watch testet, bin ich erstaunt, wie klar ich seine Stimme höre. Ein Echo ist kaum vorhanden. Dafür sorgt das Mikrofon, das bei der vierten Generation neu auf der gegenüberliegenden Seite angebracht ist.
Sollte dir das Telefonieren in der Öffentlichkeit via Lautsprecher peinlich sein, kannst du die smarte Uhr mit deinen Airpods koppeln. Auch hier machst du in Sachen Klang kaum Einbussen und du musst erst noch nicht direkt in die Uhr sprechen.
In der Testwoche frage ich mich vermehrt, ob ich überhaupt eine Uhr zum Telefonieren benötige. Klar, das Feature ist zwar kein Muss, dafür aber praktisch. Vor allem dann, wenn ich nicht alle Hände frei habe, wie es beispielsweise beim Schleppen schwerer Shopping-, äh Lebensmittel-Tüten oder beim Gassi gehen mit meinem Hund der Fall ist. Um zur vorherigen Garderoben-Story zurückzukommen: Vergangene Woche hatte ich in meiner Wohnung einen kleinen Zwischenfall. Darum erwartete ich einen dringenden Anruf von meinem Hauswart. Dieser meldete sich natürlich genau während meines Tanztrainings. Da mein Handy im Spind verstaut war, klingelte meine Uhr. Schnell schlich ich mich aus dem Tanzraum, um den Anruf entgegenzunehmen. Ohne die Apple Watch hätte ich den Anruf vor dem langen Wochenende verpasst. Die Blicke der anderen Gym-Gänger in der Garderobe waren unbezahlbar.
Messages
Was in der Theorie einfach klingt, erweist sich in der Praxis als eher mühsam. Das Schreiben von Kurznachrichten funktioniert einwandfrei. Dafür ist das Verfassen respektive Tippen ziemlich mühsam. Darum habe ich mich während der Testwoche hauptsächlich auf Emojis und auf die von Apple vorgefertigten Antworten beschränkt. Die Message-Funktion ist praktisch, wenn ich mich in einer eigentlich unabkömmlichen Situation befinde wie zum Beispiel einem Business-Meeting. Mit der Smartwatch bin ich flexibel genug, trotzdem kurz und einigermassen unauffällig auf eine wichtige Frage zu antworten.
Beim Verfassen von Messages hast du mehrere Möglichkeiten. Du kannst deine Kurznachricht kritzeln, indem du auf das Display deiner Uhr zeichnest. Sobald du einen oder mehrere Buchstaben ins Eingabefeld malst, wird die Eingabe in Text umgewandelt. Zusätzlich gibt es die Sprachnachricht-Funktion, bei der der Empfänger je nach Einstellung einen Text oder eine Sprachnachricht erhält. Wenn du faul bist, kannst du auch Siri darum bitten, XY eine Nachricht zu schicken, die du ihr diktierst. Dabei musst du aber darauf achten, dass du Hochdeutsch sprichst. Schweizerdeutsch gehört noch nicht zu Siris Stärken.
Da ich WhatsApp verwende, muss ich für die Uhr eine spezielle App runterladen. Watch Chat 2 ermöglicht mir, WhatsApp-Nachrichten zu versenden und zu verfassen. Ohne die App kannst du auf deine Apple Watch nur Nachrichten empfangen. Die Software ist nicht die schnellste, funktioniert aber eigentlich ganz gut. Besser als nichts. Die App funktioniert jedoch nur, wenn ich mein iPhone dabei habe. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob ich für «Watch Chat 2» überhaupt bezahlen soll. Ein guter Kompromiss ist sie aber allemal.
Shopping
Der Bezahlvorgang ging meiner Meinung nach noch nie so schnell. Mit Apple Pay musst du deine Smartwatch bloss an das Lesegerät an der Kasse halten, um mit deiner vorab gespeicherten Debit- oder Kreditkarte zu bezahlen. Hierfür ist kein PIN-Code notwendig. Mir persönlich geht der Vorgang fast schon etwas zu schnell, da ich prinzipiell kein Fan von kontaktloser Bezahlung bin. Dafür entfällt das mühsame In-Der-Tasche-Nach-Dem-Portemonnaie-Kramen. Ich muss aber zugeben, dass ich in gewissen Situationen froh um die schnelle Abwicklung bin. Einmal musste ich zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges noch ein Ticket lösen und das Gleis wechseln. Dank Apple Pay hat alles geklappt.
Mein Highlight
Beim Böötle im Sommer ist die Smartwatch mit Mobile-Funktion für mich besonders praktisch. So kann iPhone und Portemonnaie getrost zu Hause lassen und bin dennoch erreichbar. Da ich eine Teilstrecke mit dem Zug zurücklege, habe ich mein Zugticket und meinen Swisspass in der Wallet-App hinterlegt. So habe ich alles zumindest digital griffbereit. Dasselbe gilt für meine Kreditkarte.
Aber Achtung: Die Apple Watch eignet sich nur zum Schwimmen in flachen Gewässern. Fürs Sporttauchen benötigst du eine Taucheruhr. Gemäss Hersteller solltest du damit auch nicht Wasserskifahren oder andere Wasseraktivitäten mit hoher Geschwindigkeit ausüben.
Mein Abturner
Obwohl ich ein Fan von Apple-Produkten bin, werde ich mit Apple Music einfach nicht warm. Spotify ist für mich der Heilige (Musik-)Gral. Mit der App und meinen Airpods funktioniert der Musikstreamingdienst auf der Smartwatch einwandfrei, allerdings nur, solange ich mein iPhone griffbereit habe. Als Apple-Music-User bist du mit der Apple Watch also klar im Vorteil. Direkt von deinem Armgelenk aus kannst du Musik und Podcasts streamen. 50 Millionen Songs stehen dir zur Verfügung.
Fazit
Meiner Meinung nach klingt das Prinzip vielversprechend. Das Ganze steckt aber noch in den Kinderschuhen. Wenn ich unterwegs bin, bin ich auf Apps wie Spotify und WhatsApp angewiesen. Diese funktionieren leider nur, wenn ich mein iPhone dabei habe. Sobald dieses Manko aber behoben ist, gehöre ich zu den Ersten, die sich eine Apple Watch zulegen. Das Telefonieren mit der Uhr funktioniert tiptop. Auch das Schreiben von Kurznachrichten trotz des eher harzigen Schreibtempos. Ideal ist die Nachrichtenfunktion insbesondere dann, wenn du während eines Meetings unauffällig eine Kurznachricht verschicken willst. Einziger Wermutstropfen: Wenn du dabei zu oft auf deine Smartwatch schielst, könnte der Eindruck entstehen, dass du nicht bei der Sache respektive auf dem Sprung bist. Das ist vor allem dann unhöflich, wenn du dich mit jemandem unter vier Augen unterhältst.
Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.