Eternals: Der mit Abstand langweiligste Marvel-Film aller Zeiten
Es hätte Marvels Kino-Happening des Jahres werden können, inszeniert von der Oscarpreisträgerin Chloe Zhao. Ist es aber nicht. «Eternals» ist stattdessen ein misslungenes, ödes Experiment.
Eines vorweg: In dieser Filmkritik liest du keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.
Wäre «Eternals» nicht pandemiebedingt um ein Jahr verschoben worden, hätte Regisseurin Chloe Zhao «Nomadland» nicht beenden können. Das hätte auch bedeutet, dass ihr der Film Anfang Jahr nicht den Oscar für «Beste Regie» eingebracht hätte. Fügung des Schicksals, vielleicht. Bestimmt aber ein Traum für Marvels Marketing-Abteilung.
Denn Marvel-Chef und MCU-Mastermind Kevin Feige lässt sich die Gelegenheit nicht nehmen, die Werbetrommel für seine Neu-Oscarpreisträgerin-Regisseurin kräftig zu rühren. Worte wie «spektakulär» fallen. Scherzhaft kündigt er gar den Oscar für «Eternals» an.
Die Erwartungen: riesig. Die Enttäuschung danach: auch. Nicht, weil der Film kein oscarverdächtiges Meisterwerk geworden ist. Schlimmer:
«Eternals» ist einfach nur langweilig.
Darum geht’s
Vor den sechs Singularitäten – den Infinity Steinen – war das Universum dunkel und leer. Dann kamen die göttlichen Celestials, angeführt von Arishem. Aus dem Nichts erschufen sie Energie und Materie, Sterne und Planeten, Sonnensysteme und Galaxien – das Leben selbst.
Die Celestials waren stolz auf ihr Werk, aber dann tauchte eine ernste Bedrohung auf: die Deviants, die die Werke der Celestials zu vernichten drohten. Die Celestial erschufen darum neue Geschöpfe: Eternals. Ausgestattet mit unglaublicher Macht wurden sie in allen Ecken des Universums ausgesandt, um der Bedrohung Einhalt zu gebieten.
Auch auf der Erde liessen sich zehn Eternals nieder. Jahrtausende lang beschützten sie das Leben vor den Deviants – und nur vor den Deviants, so der göttliche Auftrag. Als die Bedrohung gebannt schien, löste sich die Gruppe auf. Hunderte Jahre überliessen sie die Menschheit sich selbst. Dann geschah der Blip, der die Hälfte des einst verloren geglaubten Lebens im Universum zurückbrachte. Die kosmischen Energien lockten die Deviants aber erneut zur Erde.
Zeit für die Eternals, aus ihrem Schattendasein zu treten.
Der Versuch, anders zu sein
Wenn ich Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Chloe Zhao was zugutehalten kann, dann dass sie sichtlich bemüht ist, dem Korsett der mittlerweile viel zu eng geschnürten Marvel-Formel zu entkommen: Man nehme die klassische Drei-Akt-Struktur, viel Humor, kaum Tiefe, und füge eine grosse CGI-Schlacht im dritten Akt hinzu. Abspann. Zum Abrunden ein, zwei Post-Credit-Szenen, die mehr zu reden geben als der ganze Film davor. So bleiben die Fans am Ball.
Kurz: Der perfekte Popcorn-Film.
Dass das seit über zehn Jahren so gut funktioniert, hat viele Gründe. Perfektes Casting, zum Beispiel. Aber auch, dass Kevin Feige stets Regisseure mit eigenem Stil und eigener Stimme an Bord holt. Meistens ohne Big-Budget-Erfahrung. Marvel-Filme wirken dadurch vertraut, aber doch irgendwie frisch. Ein erfolgreiches Rezept, über die Jahre perfektioniert und äusserst lukrativ.
Da ist etwa James Gunn, bekannt für seinen morbiden Humor, aber perfekt für einen Film wie «Guardians of the Galaxy», der mit vielen Charakteren jongliert. Oder Taika Waititi, der seine Schauspielerinnen und Schauspieler in «Thor: Ragnarok» lieber ganze Szenen hat improvisieren lassen statt sich strikt ans Drehbuch zu klammern. Und zuletzt durfte der japanisch-amerikanische Regisseur Destin Daniel Cretton ungewohnte Jackie-Chan-Vibes ins Marvel-Universum bringen.
Chloe Zhao passt perfekt in diese Reihe. Grosse Budgets sind ihr fremd. Auf Filmsets und vor Greenscreens befindet sie sich selten; sie arbeitet lieber vor Ort, an echten Locations, mit wenig Crew-Mitgliedern um sich herum. Das passt zu ihrem Stil. Zhaos Filme haben oft was Dokumentarisches. Reales. Manche reden ehrfurchtsvoll von poetischem Understatement.
Im oscarprämierten «Nomadland» etwa begleitet sie Schauspielerin Frances McDormand in ihrem semifiktionalen Roadmovie durch die Prärien Nevadas. Im Mittelpunkt steht das intime Porträt einer Frau, die das Leben als moderne Nomadin versucht, weit ausserhalb der konventionellen Gepflogenheiten und der westlichen Gesellschaft. Feige mag diesen intimen Blick Zhaos auf die Dinge, das sagt er immer wieder.
Tatsächlich findet sich Zhaos naturalistischer Stil, den sie mit «Nomadland» salonfähig gemacht hat, auch in «Eternals». Optisch entfernt sich der Film dadurch vom üblichen Bombast der ansonsten bildgewaltigen Marvel-Filme.
Nur... stellt sich Zhaos Naturalismus fürs Projekt «Eternals» als die komplett falsche Wahl heraus.
«Das kommt direkt aus der Kamera, da ist überhaupt keine VFX-Arbeit dabei», soll Kevin Feige den Disney-Bossen gesagt haben, als er erstes Demomaterial von Zhaos Kameraarbeit gezeigt hatte. Darauf sei ein Strand zu sehen gewesen, ein wunderschöner Sonnenuntergang, perfekte Wellen, Nebel und Gischt, die sich an den majestätischen Klippen hochschmiegten.
Sicher, da sind ein paar schöne Shots im Film. «Eternals» ist aber meist blass und karg. Das stört mich besonders, weil ich die Comic-Vorlage kenne. Die Eternals entspringen der oftmals herrlich überbordenden Fantasie der Marvel-Ikone Jack Kirby. Bei ihm stehen stets kosmische Bedrohungen im Zentrum. Götter gegen Weltenvernichter. Multiversen und Parallelwelten. Alles erzählt in Kakophonien aus knallig-farbigen Bildern, die genauso gut aus einem LSD-Trip stammen könnten.
Erinnerst du dich an Dr. Stranges «open your eyes»-Szene? Das ist Jack Kirby durch und durch – genau wie die Eternals in den Comics.
Der Film «Eternals» ist nichts davon. Das ist ein Problem. Denn Marvel will uns Zuschauern mit «Eternals» einen Film kosmischen Ausmasses verkaufen. Visuell aber stapelt er viel zu tief. Nicht, weil echte Locations nicht spektakulär genug sein können; Peter Jacksons «Lord of the Rings» lässt aus Neuseeland grüssen. Sondern, weil die gewählten echten Locations einfach nur lahm sind.
Meist bewegen sich die Eternals in grossen, felsigen Landschaften, trockenen Wüsten, an grauen Stränden, durch trostlose Prärien und inmitten erstaunlich farbloser Dschungeln. Das mag alles natürlich wirken. Eben: Nicht aus dem Computer. Zhaos Stil. Da fühlt sie sich wohl. Aber nichts daran ist episch. Kein bisschen davon getreu der Vorlage. Da mögen die Charaktere hin und wieder noch so bunte Kostüme tragen und noch so sehr von der grössten Bedrohung faseln, der sich die Menschheit je stellen musste. Spürbar ist sie nie, wenn die Story wirkt, als ob sie an den uninteressantesten Orten des Planeten stattfindet.
Aber das ist bei weitem nicht das einzige Problem.
Fade Geschichte, die partout nicht vorwärts machen will
Die Story. Wäre «Eternals» einfach nur optisch etwas farblos – das wäre verschmerzbar. Aber wenn die Story, die Chloe Zhao mitgeschrieben hat, genauso öde ist, steuert der Film auf ein Fiasko zu.
Zugegeben, zehn neue Charaktere einzufügen, ist kein Kinderspiel. Marvel-Konkurrenz DC hat mit Zack Snyders «Batman vs. Superman» und Joss Whedons «Justice League» weniger Charaktere in zwei Filmen eingeführt – und versagt. Zhao versucht das, indem sie ihre zwei Hauptfiguren, Sersi (Gemma Chan) und Ikaris (Richard Madden), fast den ganzen Film hindurch auf einen Roadtrip schickt. Kennt sie schon aus «Nomadland». Das läuft in etwa so ab:
«Hey, Herr oder Frau Eternal, da gibt’s eine neue Bedrohung. Wir müssen uns wieder zusammen tun. Komm mit!»
«Oh, sh*t. Okay.»
Szenenwechsel. Nächste trostlose Location. Nächster Eternal. Bah.
Sicher, jede und jeder Eternal reagiert anders auf die drohende Gefahr. Manche nehmen’s gelassen. Andere sind geschockt oder hegen noch einen uralten, nicht gelösten Groll. Uns Zuschauern soll dieser Roadtrip eine grobe Charakterisierung der Figuren geben. Aha, der ist der Lustige. Soso, die ist die ständig Besorgte. Oh, das ist das Quoten-Arschloch. Und wow, hier haben wir einen LGBTIQ+-Charakter, sehr fortschrittlich, Marvel.
Das ist etwa drei, vier Charaktere lang okay. Spätestens beim siebten, achten oder neunten Charakter schläft mir das Gesicht ein. Unweigerlich schaue ich auf die Uhr. Zwei Stunden durch. Der Plot hat sich seit dem Anfang kaum vorwärts bewegt. Das ist nicht ein atmosphärischer Spannungsaufbau à la Denis Villeneuves «Dune».
Das ist Müll.
Dann das Ende. Ohne zu spoilern: Nach zwei Stunden und 37 Minuten stelle ich fest, dass für einen so langen Film über kosmische, gottähnliche Wesen erstaunlich wenig passiert ist.
Es gibt noch ein wenig Licht im Dunkeln
Es gibt sie aber, die Lichtblicke, in denen «Eternals» funktioniert. Nämlich dann, wenn Zhaos Drehbuch eine Pause vom ewigen Roadtrip einlegt und in viel zu wenigen, viel zu kurzen Rückblenden erzählt, was die Eternals die vergangenen 7000 Jahre auf der Erde getrieben und erlebt haben.
Vielleicht wäre das der Film gewesen, den ich hätte sehen wollen.
In diesen Rückblenden sind die Eternals nämlich zusammen. Die Dynamiken spürbar. Die Motive auch. Konflikte kommen auf. Der göttliche Plan der Celestials wird in Frage gestellt. Ist es moralisch richtig, die Menschen ihren oftmals selbstzerstörerischen Konflikten zu überlassen, wenn die Eternals sie mit einer Handbewegung beenden und für Harmonie sorgen könnten?
Es bilden sich Lager zwischen denen, die den Celestial Gehorsam geschworen haben und jenen, die Gehorsam von den anderen Eternals fordern. Das ist super. Und dazu auch noch viel farbenfroher erzählt als der ganze Roadtrip zusammengenommen. Da spüre ich einen Film. Da deutet sich ein Plot an. Zwischendurch werde ich gar etwas emotional. Zhao, du könntest es ja…
Nichts da. Zurück zum Roadtrip. Zu den Spassbremsen, die sich zwar versammeln, aber irgendwie selbst noch nicht so recht wissen, ob sie denn wirklich eingreifen werden oder nicht. Die Eternals bremsen nicht nur sich selber aus, sondern auch den Plot. Immer und immer wieder.
Fazit: Eine riesengrosse Enttäuschung
«Eternals» hat mehrere Probleme. Zunächst ist da die fehlende Atmosphäre. Naturalisten werden sich an Zhaos Stil ergötzen. Wahrscheinlich zu Recht. Aber ich als Marvel-Fan erwarte bei einem Marvel-Film ein bisschen mehr Treue zur Vorlage. «Eternals» ist nun mal kein «Nomadland».
Zu den langweiligen Bildern kommt noch die langweilige, weil repetitive Geschichte, die einfach nicht an Fahrt aufnehmen will. Und als ob das nicht genug wäre, kommen zehn neue Hauptcharaktere plus Nebencharaktere dazu, die ich als Zuschauer bis zum Ende hin nie so richtig erfassen kann. Wer ist mir jetzt sympathisch? Wer nicht? Wer ist mir egal?
Übrig bleibt ein Film, der unglaublich flach fällt. Schade. Gerade jetzt, wo Marvel-Serien wie «WandaVision» und «Loki» die Türe für multiversale Mindfucks weit aufgeschlagen haben. «Eternals» geht auf diese offene Türe zu und tut genau das, was die Charaktere im Film die meiste Zeit tun – nichts.
«Eternals» läuft ab dem 4. November im Kino. Laufzeit: 157 Minuten.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»