Square Enix Final Fantasy VII Rebirth
PS5, DE
Nach vier Jahren Wartezeit ist der zweite Teil der «Final Fantasy VII»-Remake-Trilogie endlich da. Das Warten hat sich gelohnt. «Rebirth» ist schlicht grandios.
Ich bin sprachlos. Nach knapp 44 Stunden lege ich den Controller beiseite und geniesse den Abspann von «Final Fantasy VII Rebirth». Ich kann gar nicht fassen, was ich da mit Cloud, Aeris, Tifa und Co. alles erlebt habe. Dass mir die Worte fehlen, liegt nicht nur daran, dass der zweite Teil der Remake-Trilogie überwältigend ist und mehr Fragezeichen hinterlässt als der erste. Auch mein Kiefer ist total verkrampft. Den Grossteil meiner Spielzeit hatte ich nämlich ein breites Grinsen auf den Lippen – und während dem letzten Kapitel hing mir die Kinnlade die ganze Zeit runter. «Final Fantasy VII Rebirth» ist alles, was ich mir als Fan der ersten Stunde des Originals von einem Remake wünsche. Ein Traum, aber einer, der real ist. «Rebirth» übertrifft sogar das Original – und dabei habe ich bislang nur an der Oberfläche gekratzt.
Hier findest du alle Versionen des Spiels.«Rebirth» setzt dort an, wo der erste Teil der Remake-Trilogie mit dem Untertitel «Remake» aufgehört hat. Cloud, Aeris, Tifa, Barret und Red XIII sind den Fängen von Shinra und Sephiroth entkommen und auf dem Weg nach Kalm. Ein Städtchen unweit von Midgar. Falls du «Remake» verpasst hast oder nicht mehr weisst, was passiert ist, schaust du dir am besten die Zusammenfassung an.
Im Intro-Kapitel erzählt Cloud, was sich fünf Jahre zuvor in Nibelheim ereignet hat. Ich werde Zeuge von Sephiroths Abstieg in den Wahnsinn. Mir wird bewusst, warum die Gruppe diesen Wahnsinnigen verfolgen und zur Strecke bringen muss. Dieses Kapitel spielt sich noch linear und unterscheidet sich nicht gross vom ersten Teil. Die Inszenierung ist jedoch genial. Ich habe den Eindruck, einen Film zu spielen. Ich werde subtil darauf hingewiesen, dass mit der Erzählung Clouds etwas nicht stimmt.
Sowieso ist das Storytelling nahe an der Perfektion. Mir wird nichts geradeaus gesagt, sondern gezeigt. Ich muss viel interpretieren oder werde auch mal unwissend zurückgelassen. «Rebirth» orientiert sich dabei grösstenteils am Original, ändert und modernisiert aber an entscheidenden Stellen. Und geht auch neue Wege. Denn wie sagt es Aeris in den Trailern: «Die Zukunft ist nicht in Stein gemeisselt.»
Mehr möchte ich zur Geschichte nicht verraten – ausser: Mir stossen die Änderungen als langjährigem Fan alles andere als sauer auf. Ich will jetzt unbedingt wissen wie es weiter geht – aber darauf muss ich mich wohl weitere vier Jahre gedulden.
Erst im Verlauf des zweiten Kapitels werde ich in die Open World entlassen. Zunächst erkunde ich jedoch das Städtchen Kalm. Dieses lebt richtiggehend. Menschen säumen die Strassen und Häuser, überall gibt es etwas zu entdecken und Gespräche mitzuhören. Im Original war Kalm ein typisches Schlafstädtchen. In «Rebirth» ist es eine pulsierende Kleinstadt. Das gilt für alle Siedlungen, die ich im Spiel erkunde. Square Enix gelingt es sehr gut, das Gefühl echter Orte zu vermitteln.
Die Siedlungen sind nicht nur Hub für die Hauptstory. Hier hole ich mir auch diverse Nebenmissionen. Auch wenn diese meist aus «besiege dieses, beschütze jenes oder bring etwas dorthin» bestehen, sind sie motivierend. Denn nicht der Auftrag oder die nicht spielbaren Charaktere (NPCs) stehen im Vordergrund, sondern die Hauptcharaktere und deren Beziehung untereinander. Während der Nebenmissionen erfahre ich nicht nur mehr über ihre Hintergrundgeschichte, sondern stärke auch meine Bande mit ihnen. Wie gut die Beziehung zu ihnen ist, signalisiert mir das Spiel mit einem per L1 zuschaltbaren Emoji über den Köpfen. Wieso das wichtig ist? Für ein bestimmtes Date im Vergnügungspark «Gold Saucer». Wer das Original kennt, weiss, was ich meine. Alle anderen dürfen sich davon überraschen lassen.
Weniger lebendig als in den Siedlungen geht es in der Open World zu und her. Das klingt erstmal negativ, meine ich jedoch positiv. In den weitläufigen und menschenleeren Landschaften gibt es überall etwas zu entdecken. So stosse ich nach wenigen Schritten auf die Ruine einer Mühle und suche nach Schatztruhen. Später gelange ich zu einer Chocobo-Ranch. Hier erfahre ich mehr über die edlen Reitvögel und schnappe mir einen davon, damit ich die Welt schneller erkunden kann. Das ist auch nötig. Die Welt in «Rebirth» ist riesig. Es gibt sechs grosse, offene Gebiete zu entdecken. Die Chocobos jeder Region verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten. Später kommen weitere Fortbewegungsmittel wie ein Buggy, Wheelies oder das Flugzeug Tiny Bronco dazu. Ich kann aber auch an bereits besuchte Orte schnellreisen.
Auf der Chocobo-Farm treffe ich auf einen alten Bekannten: Chadley aus «Remake». Der Cyborg-Materia-Forscher ist ebenfalls aus Midgar geflüchtet und begleitet mich fortan auf meinen Abenteuern. Er hat dieselbe Funktion wie in «Remake». Von ihm kann ich spezielle Materia, die mir magische oder kämpferische Fähigkeiten verleihen, erwerben. Auch neue Esper kann ich mir bei Chadley erspielen. Dabei handelt es sich um mächtige Kreaturen, die ich im Kampf herbeirufen kann und die mich unterstützen.
Mein einziger Kritikpunkt am Open-World-Design: Die mühsamen Sendetürme, die ich aktivieren muss, um weitere Nebenmissionen und Sehenswürdigkeiten auf der Map freizuschalten. Mir stinkt dieses «aktiviere dieses, damit du jenes tun kannst». Immerhin sind nicht alle dieser Aufträge immer gleich. Bei gewissen muss ich je nach Region unterschiedliche Herausforderungen meistern. Darunter das Minispiel Fort Condor.
Fort Condor ist ein Strategiespiel, in das meine Charaktere hineingezogen werden. Cloud und Co. erscheinen dann in ihren klobigen Charaktermodellen, wie sie aus dem Original «Final Fantasy VII» bekannt sind. Es ist aber bei Weitem nicht das einzige Minispiel.
Bereits das Original von 1997 bot viele Minispiele. «Rebirth» legt nochmal eine ordentliche Schippe drauf. Die Entwickler machen gefühlt aus allem ein Minispiel. Gewisse, wie das als Militärparade getarnte Rhythmusspiel in Junon, machst du nur einmal als Teil der Story. Andere, wie das neue Kartenspiel «Blut der Königin», begleiten dich das ganze Spiel über. Wiederum andere haben überhaupt nichts mit der Story zu tun und sind komplett optional. Es ist aber nicht nur die schiere Menge, die beeindruckt, sondern auch deren Umsetzung.
Blut der Königin ist ein höchst komplexes Kartenspiel, das mich an Triple Triad aus «Final Fantasy VIII» erinnert. Allein in dieses Spiel kann ich Stunden investieren. Das bereits erwähnte Fort Condor bringt Strategieelemente ins Spiel ein und erinnert mich nicht nur wegen der Darstellung an das Originalspiel, sondern auch aufgrund der Umsetzung. Die Chocobo-Rennen kommen deutlich moderner als 1997 daher. Jedes Chocobo hat bestimmte Eigenschaften, die ich gezielt einsetzen kann. G-Bike wiederum ist ein Töffrennen und eine Weiterentwicklung der Schnellstrassen-Abschnitte am Ende von «Remake». Und nebenbei haben die Entwickler auch eine Form von «Rocket League» implementiert – nur, damit du dir ein nettes Strandoutfit für Aeris verdienst.
Kurz: «Rebirth» ist schon nur aufgrund der Minispiele sein Geld mehr als wert.
Am Kampfsystem hat sich im Vergleich zum Vorgänger wenig geändert. Es kommen weitere Möglichkeiten hinzu. Nach wie vor handelt es sich um ein Active-Time-Battle-System. Dabei füllt sich eine Aktivitätsleiste, wenn ich angreife oder blocke. Ist sie gefüllt, kann ich meinen Charakteren Kampfoptionen wie Magie, Gegenstände oder Fertigkeiten ausführen. Die Gruppe besteht aus bis zu drei Charakteren.
Neu dabei sind Synchro-Fertigkeiten. Dabei agieren zwei Charaktere gemeinsam. Die Angriffe verursachen nicht nur grossen Schaden, sondern können auch Buffs wie etwa einen längeren Schockzustand bei Gegnern verursachen. Führe ich Synchro-Fertigkeiten mit Cloud aus, verbessert sich auch der Beziehungsstatus zum entsprechenden Charakter.
Nach dem Kampf erhalten die Charaktere Erfahrungspunkte und steigen so in der Stufe auf. Dabei erhöhen sich ihre Statuswerte automatisch. Neu sind die Kodizes. Dabei handelt es sich um ein Skill Board. Mit diesem entwickle ich Cloud, Barret und Co. zusätzlich in eine von mir gewünschte Richtung und lerne neue Synchro-Fähigkeiten.
Selbstverständlich kann ich meine Alter-Egos auch mit Waffen, Rüstungen und Accessoires ausrüsten. Diese beeinflussen den Status weiter. Zu guter Letzt sind da noch die Materia, die ich in Slots der Ausrüstung platziere. Diese verschaffen mir Zaubersprüche, Hilfsfertigkeiten, Beschwörungen und vieles mehr. Insgesamt ist das Kampfsystem komplex und die Charaktere lassen sich nach meinem Gusto anpassen.
Die Welt von «Rebirth» sieht fantastisch aus. Trotz der Grösse des Spiels sind überall Details zu entdecken. Marktstände haben nicht zig Mal den gleichen Artikel, sondern eine Fülle an Ausstellungsgegenständen. Kein Baum im Dschungel um Gongaga scheint dem anderen zu gleichen. Bei den Charaktermodellen meine ich sogar Nasenhaare zu entdecken.
So toll alles aussieht, ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Texturen sehen bei genauerem Betrachten matschig aus. Sie fallen mir vor allem in Zwischensequenzen auf. Wenn ich bei Tifa die Hautporen sehe und die Wand im Hintergrund matschig aussieht, sticht mir der Kontrast ins Auge. Zudem erinnern mich einige NPCs eher an die PS4-Ära als ein Next-Gen-Spiel und die Level-of-Detail-Anpassungen könnten besser sein. Alles in allem sind das aber Details und stören das Spielerlebnis nicht.
Ich habe das Spiel im Qualitätsmodus durchgezockt, weil mir der Performance-Modus zu verschwommen war. Mit dem Update kurz vor Release hat Square Enix das Problem aber grösstenteils behoben. Die Framerate bleibt im Qualitätsmodus auch in hitzigen Gefechten stabil. Ich habe nie den Eindruck, dass sie unter 30 Bilder pro Sekunde fällt.
Für den Soundtrack zeichnet sich, wie üblich bei «Final Fantasy», Nobuo Uematsu verantwortlich. Und wie ebenfalls üblich ist der Soundtrack eine Wucht. Ich summe immer wieder die eingängigen Melodien und nerve damit meine Frau. Toll ist, dass ich nun diverse Stück im Piano-Minigame nachspielen darf. Obwohl ich wie im echten Leben auch im virtuellen nie Konzertpianist werde.
Was mich am Original von 1997 immer fasziniert hat, waren die Charaktere. Klar, die Geschichte um die Verfolgung Sephiroths ist spannend, aber sie war für mich schon immer nur Nebenschauplatz. Denn die Geschichte von «Final Fantasy VII» wird nicht um des Plots willen vorangetrieben, sondern wegen der Gedanken und Gefühlen der Charaktere. Die technischen Möglichkeiten von heute heben das Storytelling in «Rebirth» nochmal auf ein ganz anderes Level.
Vor allem Yuffie profitiert von der «Rebirth»-Behandlung. Im Original ist sie ein optionaler Charakter, den ich nur unter bestimmten Voraussetzungen rekrutieren kann. In «Rebirth» zwingt sie sich mir fast auf. Dennoch bewahrt sie ihren ursprünglichen Charakter, erhält aber deutlich mehr Tiefe.
Ihren ersten Auftritt in «Rebirth»haben Cait Sith, Vincent und Cid. Cait Sith ist als einziger der drei spielbar. Im Original habe ich ihn immer als nervig empfunden. «Rebirth» bringt mir den Roboter-Kater auf dem Rücken des Stoff-Mogrys näher. Sympathieträger Nummer 1 ist er auch hier nicht, aber immerhin möchte ich ihn nicht auf den Mond schiessen. Zumindest nicht, solange ich nicht von seiner Charakterfähigkeit Gebrauch machen muss. Das Werfen von Kisten mit ihm ist schlecht implementiert und macht mich beinahe zum Sephiroth. Es scheint, als wollten die Entwickler, dass man Cait Sith nicht mag. Das ist Gameplay-technisch aber mein zweiter und letzter Kritikpunkt am Spiel.
Dass Cid und Vincent nicht spielbar sind, finde ich nicht weiter schlimm. Sie werden derart spät im Spiel eingeführt, dass es schräg wäre, wenn ich sie steuern könnte. Und Neulinge werden sie sowieso nicht vermissen.
Auch wenn vor allem die Hauptcharaktere toll sind, treffe ich auch liebenswerte und weniger liebenswerte altbekannte und neue NPCs. Etwa den tollpatschigen und nicht mit sonderlich grossem Intellekt gesegneten Johnny. Der will Karriere im Hotelbereich machen. Auch die ehrgeizige und manipulative Kyrie ist wieder an Bord und versucht sich als Söldnerin. Sogar Verbrecherboss Don Corneo hat wieder einen Auftritt.
Bei den neuen NPCs sticht der exzentrische Dio, der Manager des Vergnügungsparks Gold Saucer, hervor. Im Original ist er schlicht ein Muskel-Dude in Badehose. In «Rebirth» trägt er zusätzlich ein Cape – und erhält deutlich mehr Persönlichkeit, nicht (nur) wegen des Capes.
Ich habe mir lange überlegt, wie ich dieses Review schreiben soll. Entschieden habe ich mich für eine Standard-Abhandlung. Denn auch wenn ich hier einen meisterhaften Essay verfasst hätte, wäre er dem Spiel nicht gerecht geworden. Das Team bei Square Enix hat schlicht ein Meisterwerk erschaffen, das selbst das Original toppt.
«Final Fantasy VII Rebirth» überzeugt mich auf der ganzen Linie mit der Inszenierung, der Geschichte, der Welt und den Charakteren. Dabei habe ich in meiner knapp 44-stündigen Spielzeit nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was das Spiel alles zu bieten hat. Ich bin nach Kapitel 7 durch die Hauptstory gerast, damit ich pünktlich mit dem Test fertig werde. «Rebirth» wird mich mit Nebenquests, Minispielen und sonstigem Erkunden bestimmt mindestens nochmal so lange vor den Bildschirm fesseln. Ich will jetzt eigentlich auch gar nicht mehr weiter schreiben, sondern einfach in diese wunderbare Welt eintauchen.
Ist «Final Fantasy VII Rebirth» das perfekte Spiel? Nein, es gibt kleinere Kritikpunkte wie matschige Texturen und ein, zwei nervige Gameplay-Elemente. Aber das sind Details. Das Spiel ist nahe der Perfektion und schon jetzt ist klar: «Rebirth» ist mein Spiel des Jahres.
«Final Fantasy VII Rebirth» ist ab dem 29. Februar erhältlich für PS5. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Square Enix zur Verfügung gestellt.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.