«Forbes 30 under 30»: Schweizer Game-Designerin gehört zu den 30 wichtigsten der Tech-Branche
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«Forbes 30 under 30»: Schweizer Game-Designerin gehört zu den 30 wichtigsten der Tech-Branche

Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes zeichnet jedes Jahr die wichtigsten Personen aus Wirtschaft, Tech oder Unterhaltung aus. Dieses Jahr hat es erstmals eine Schweizer Game-Designerin in die Liste der «30 under 30» geschafft.

Forbes ist bekannt für seine Listen mit den mächtigsten Personen der Welt, den grössten Unternehmen oder den reichsten Personen. Bill Gates, Angela Merkel und Beyoncé gehören unter anderem zu den ausgezeichneten. Daneben werden auch speziell jüngere Personen aus Kategorien wie Technologie prämiert.

Für die europäische Liste «30 under 30: Technology» hat Forbes aus zahlreichen Nominierungen rund 45 Personen rausgesucht und sie drei Juroren vorgelegt. Zu den 30 Gewinnern zählt auch die 27-jährige Philomena Schwab, Game-Designerin für das Spiel «Niche - a genetics survival game» welches über 70'000 Franken auf Kickstarter einbrachte. Sie gehört zu den aktivsten Personen der Schweizer Game-Szene.

Wie wird man zu einer der wichtigsten Personen im Tech-Business?

Philomena Schwab: Keine Ahnung. (Lacht). Ich hatte erwartet, dass ich in die Game Kategorie eingeteilt werde. Ich bin überrascht, dass ich bei Technologie gelandet bin. Wichtig für die Nomination ist, dass man Mehrfach-Engagement zeigt oder ein bestimmtes Aushängeschild hat. Den Tesla erfinden oder sowas. Bei mir ist es sicher eher Ersteres. Ich habe zusammen mit meinem Geschäftspartner eine GmbH für Games gegründet und die läuft bisher ziemlich gut. Mit unserem aktuellen Game «Niche» haben wir uns zwei Jahre Arbeit gesichert, aber es ist deswegen nicht DER Indie-Hit 2016. Vielleicht hat die Jury beeindruckt, dass ich in verschiedenen Organisationen mitgeholfen habe und diverse Ambassador-Rollen gehabt habe.

Wie wird man überhaupt nominiert?

Man kann sich selbst nominieren oder von jemand anders nominiert werden. Am Ende entscheidet eine Jury.

Was versprichst du dir davon? Anerkennung? Neue Connections?

Ich war erstaunt, wie viel Medieninteresse das Ganze generiert hat. Ich mache immer noch genau das gleiche wie vorher, aber sobald man irgendwo auf so einer Liste auftaucht, ist man plötzlich interessant. Neben der Medienpräsenz ist sicher Glaubwürdigkeit seitens meinen Indie-Kollegen ein weiteres Plus. Das öffnet vielleicht das eine oder anderen Türchen. Wir gehen demnächst an die Entwicklermesse GDC in San Francisco und wenn ich da Leute anschreibe, sehen sie nun auf meinem Twitter-Account: ooohh Forbes 30 under 30. Dann sagen sie vielleicht eher ja zu einer Anfrage.

Es ist schlussendlich immer gut, wenn ein Schweizer Game-Projekt internationale Anerkennung erhält. Sei es für die Glaubwürdigkeit oder bezüglich der Schweizer Politik. Darauf können wir aufbauen, wenn wir unsere Erfolge vorweisen könnnen.

Du gehörst zu den aktivsten Köpfen in der CH-Game Szene. Was treibt dich an?

Ich habe nach dem Abschluss an der ZHdK gemerkt, dass wir nicht alle einen Platz zum Arbeiten haben. In der Schweizer Game-Szene lief noch nicht alles so wie es sollte, obwohl wir viele talentierte Köpfe haben. Darum habe ich ein Jahr vor Abschluss angefangen, bei der SGDA (Swiss Game Developers Association) auszuhelfen, weil mir gefällt, was sie machen und sie mehr Man- oder Woman-Power brauchen können. Und wir haben wirklich viel zu tun. Es besteht grosses Bedürfnis nach Verbindungen und es gibt viele lose Instanzen, die ich versuche, einander näherzubringen und einander vorzustellen. Damit die nächsten Studienabgänger ein Feld vorfinden, wo sie sich in Blumenwiesen rollen können, statt im Matsch zu graben (lacht).

Philomena arbeitet aktuell auf den finalen Release von «Niche» hin.

Dir liegt offenbar viel an der hiesigen Game-Szene. Wie versuchst du ihr beim Wachsen zu helfen?

Ich habe selber viele Events organisiert oder wenn ich neue Events entdecke, die einen digitalen Bezug haben, schreibe ich sie an, ob sie nicht noch eine Game-Ausstellung einbinden wollen. Ich habe an der Fantasy-Basel mitgeholfen und beim GameZfestival in Zürich. Oder wenn ich sehe, da gibt es VR-Firmen, die sich noch nicht kennen, versuche ich ein Tripple-Mittagessen zu organisieren. Ich versuche ein Verbindungsdraht zu sein.

In letzter Zeit habe ich mich darauf fokussiert, eine Liste aller Schweizer Game-Studios zu erstellen. Wie sie sich finanzieren, was für Spiele sie machen etc.. Damit es mal einen guten Überblick gibt. Es fehlt noch deutlich an Daten über die Schweizer Szene, auch bezüglich der Kommunikation mit Politikern, damit wir etwas Konkretes vorweisen können.

Fantasy Basel, Ludicious und im Herbst gibt es mit der Zürich Game Show noch ein neues Game-Festival. Hast du das Gefühl, es geht was in der Schweiz?

Absolut. Nur schon, wenn man sieht, wie viel neue Firmen dazu kommen und wie viele dann auch bleiben. Und wie viele Studios nicht nur ein erfolgreiches Game produzieren, sondern gleich noch einen Nachfolger. Auch von der Gesellschaft wird es immer mehr akzeptiert. Es geht in eine gute Richtung.

Warum schafft die Schweiz abgesehen vom «Landwirtschaftssimulator» oder «Train Fever» praktisch keine nennenswerten internationalen Erfolge?

Beim «Landwirtschaftssimulator» oder «Transport Fever» waren es Nachfolger. Man hat einen erfolgreichen ersten Teil geschaffen und darauf aufgebaut. Aber wir sind halt gerne kreativ und machen ein Spiel und dann wieder etwas völlig anderes. Das heisst, wir müssen wieder praktisch bei null anfangen. Wir stehen aktuell genau vor dem gleichen Problem. Wir haben «Niche» gemacht und könnten wohl noch einen zweiten und dritten Teil nachlegen und unsere Firma wäre gesichert. Stattdessen überlegen wir bereits wieder, wie wir uns sonst verwirklichen könnten. Wir wären nicht Indie-Entwickler geworden, wenn es uns darum geht, den meisten Profit zu machen. Wir machen das, was uns Spass macht. Das ist der Spirit von Indie.

«Landwirtschaftssimulator» ist mit Abstand die erfolgreichste Game-Serie der Schweiz.

Viele Studios kommen aus der ZHdK und haben primär einen künstlerischen Ansatz. Es wäre sinnvoll, wenn wir uns von Anfang an mit Wirtschaftsstudenten zusammentun würden, damit Studios auch für die Langlebigkeit planen. Das würde wohl auch dazu führen, dass auch andere Projekte in Angriff genommen werden.

In der Schweiz kannibalisieren sicherlich auch lukrativere Branchen wie Banken und IT-Firmen die Fachkräfte. Schweden beispielsweise hat dieses Problem anscheinend nicht und kann mit DICE etc. auch richtige grosse Studios vorweisen.

Wir haben einfach zu wenig Expertise und Orte, die nach dem Studium Anschluss bieten. Das ändert sich nun zwar langsam. Wir haben keinen Publisher, der die Leute aufnehmen und den Zyklus antreiben könnte.

Oder dann gibt es mal Studios, die Erfolg haben, aber dann gehen sie zu einem ausländischen Publisher und ziehen weg. Es bräuchte Anker, damit wir nicht wegfliegen wie Ballone.

Dank «Niche» ist die Zukunft des Studios für mindestens zwei Jahre gesichert.

Bei den Spielen muss man zudem unterscheiden zwischen eigenen und Kunden-Projekten. Es lohnt sich in der Schweiz sehr, Auftragsarbeiten zu übernehmen als im Vergleich zu anderen Ländern, was oft dazu führt, dass man ihnen den Vorzug gibt.

Es gibt sehr wenige Studios in der Schweiz, die nur an eigenen Projekten arbeiten. Kundenaufträge haben dagegen natürlich immer Priorität. Das bremst dich mit deinen eigenen Sachen aus. Und es gibt auch immer mehr Aufträge. In den letzten drei Jahren ist die Quote extrem gestiegen. Dann wirst du angefragt, das Projekt klingt cool und es wird erst noch gut bezahlt. Ich wüsste nicht, ob ich zu jedem Auftrag nein sagen würde.

Wie siehst du die Entwicklung in den nächsten Jahren?

Firmen wie Urban Games werden weiter wachsen und wohl schon bald Richtung AAA (Synonym für grosse Studios) gehen. Ich hoffe, dass es noch weitere grosse Produktionen geben wird, finde es aber auch schön, dass wir viele kleine Schöpfer haben, die coole Sachen machen.

«Transport Fever» ist der Nachfolger von «Train Fever» des Schaffhausers Studio Urban Games.

Ausserdem könnten wir etwas mehr Expertise besonders im Bereich Publishing und Marketing gebrauchen. Ich habe meine Masterarbeit darüber gemacht und gemerkt, dass es in der Schweiz fast niemanden gibt, der sich gut auskennt. Die ZHdK sollte zudem eine engere Kooperation mit der Universität St. Gallen eingehen. Erste Versuche gab es bereits. Ich hab auch schon von einem Bachelor-Team der ZHdK gehört, die eine Markt-Analyse gemacht haben, ob sich ein Spiel überhaupt lohnt. Sowas wäre uns vor zwei Jahren niemals in den Sinn gekommen.

Es würde also nicht mal so viel bringen, wenn zum Beispiel die Migros ihr gesamtes Kulturprozent in den Game-Bereich stecken würde, weil sich niemand mit Publishing auskennt?

Geld würde auf jeden Fall helfen. Es ist immer noch sehr dürftig, was in die Spieleindustrie gesteckt wird. Es wäre sicherlich eine gute Investition, aber wenn noch lange gewartet wird, frage ich mich schon langsam, ob man den Rückstand noch aufholen kann, im Vergleich zu Finnland etc..

Es gibt international immer wieder Erfolge von winzigen Teams aus zwei, drei oder fünf Entwicklern. Dazu muss man natürlich ein finanzielles Risiko eingehen. Sind wir Schweizer vielleicht einfach zu verwöhnt?

Es hat schon etwas. Mein Geschäftspartner war vorher Programmierer und hat richtig gut verdient und für ihn war es ein krasser Entscheid, den Job zu kündigen.

Philomena teilt sich das Büro am Escher-Wyss-Platz mit anderen Indie-Game-Entwicklern.

Warst du schon immer ein Gamer?

Absolut. Seit dem ersten Gameboy mit «Super Mario» und «Pokémon». Ich konnte mir beim Gamen nie vorstellen, wie man so etwas macht. Bei Trickfilmen verstand ich bald mal, dass das aus mehreren Einzelbildern besteht, die man hintereinander abspielt. Aber Games waren für mich Magie. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich sowas selber lernen könnte. Daher wollte ich dann erst Illustratorin werden, schrieb aber auch gerne also dachte ich an Comic-Book-Artist. Aber dann habe ich angefangen, mich für Programmierung zu interessieren und dann ist das Ganze langsam zusammengekommen.

Ich wusste aber selbst dann noch überhaupt nichts von der ZHdK. In meiner Familie war Studieren nie wirklich ein Thema. Es war gar nie eine Option. Von einer Freundin hab ich dann gehört, dass sie an der ZHdK Zeichnen studiert und dass man dort sogar Games studieren kann und ich nur so: «Waaas?» Ich ging dann an die Infoveranstaltung und arbeitete von da an drei Jahre darauf hin, dass sie mich aufnehmen. Danach war ich glücklich.

Wenn sie nicht gerade an neuen Spielen arbeitet, versucht sie auf anderen Wegen die Schweiz ins internationale Scheinwerferlicht zu rücken, wie hier während eines Talks an den European Indie Game Days in Paris.

An was arbeitest du aktuell?

Ich bin immer noch mit «Niche» beschäftigt, das wir im September als Early Access auf Steam veröffentlicht haben. Ungefähr 25’000 Stück haben wir bisher verkauft. Wir sind immer noch dabei, unsere Kickstarter-Goals zu erfüllen – wir haben uns da etwas übernommen (lacht). Irgendwann zwischen Mai und Juli wollen wir den Full Release machen. Mein Geschäftspartner arbeitet gleichzeitig an «Nimbatus», an dem er drei Jahre nebenberuflich gearbeitet hat. Dafür planen wir im Oktober ebenfalls einen kleinen Kickstarter und im November bereits den Early Release. Wir werden nebenbei weiter an «Niche» arbeiten und vielleicht einen mini-DLC veröffentlichen, um das Interesse noch einmal etwas anzuheizen. Dann gibt es die ewige Diskussion, ob wir einen Mobile-Port machen sollen. Es wäre extrem mühsam und würde wohl ein halbes Jahr dauern. Wir müssten sehr vieles anpassen.

Eine Fortsetzung für PC wäre ebenfalls denkbar oder etwas völlig anderes. Ich würde auch gerne mit Spielzeug experimentieren. So kleine Überraschungseier-Figürchen. In «Niche» gibt es ja auch Figuren, die aus verschiedenen Teilen bestehen und die könnte man dann als Spielzeug ebenfalls miteinander kombinieren. Vielleicht auch mit einem Kickstarter. Mal schauen, ob es jemanden interessiert – und wenn nicht, mach ich es wahrscheinlich trotzdem. Siehst du, das ist wieder die Indie-Krankheit (lacht).

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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