

«Forza Motorsport 7»: Nicht zu bremsen

Innert eines Monats erscheinen drei Nachfolger zu den besten Rennspielserien auf dem Markt. «Forza Motorsport» ist einer davon. Schafft's die Rennsimulation auf die Pole Position?
700 Fahrzeuge und 32 Strecken. Da zuckt bei mir vor Freude der Fuss fürs Gaspedal. Mit «Forza Motorsport 7» will Entwickler Turn10 Simulations-Fans und Einsteiger gleichermassen bedienen. Ich seh mich irgendwo dazwischen. Die Umfang-Checkbox kann jedenfalls schon mal abgehakt werden. Aber auch sonst weiss «Forza» zu klotzen.
Ein Autoparadies
Die Zahl der Rennboliden lässt es schon erahnen: «Forza Motorsport 7» ist verdammt umfangreich. Vom flinken Buggy über behäbige Lastwagen bis zum exotischen Rennauto kannst du wirklich alles fahren. Und jedes Fahrzeug steuert sich unterschiedlich. Ich habe mich auf den Karrieremodus konzentriert. Dort wird dir garantiert nie langweilig. Ein paar Runden in einem röhrenden V8-Muscle-Car und im nächsten Rennen surrst du mit einer Elektro-Rennmaschine um die Kurven. Für Abwechslung sorgen auch die Showcase-Rennen, wo du besondere Leckerbissen serviert bekommst. Insgesamt stehen dir in den sechs grossen Meisterschaften jeweils 10 bis 15 Events zur Auswahl, die du frei wählen kannst. Herrlich. Vorbei sind die Zeiten, wo du immer und immer wieder die gleiche Strecke mit den gleichen Fahrzeugen abspulen musstest. In «Forza Motorsport 7» bestimmst du, wo's lang geht.
Am Karrieremodus haben mich lediglich die bescheuerten Sprecher genervt. Nicht mal in «Gone in 60 Seconds» reden sie so geschwollen übers Autofahren. Du könntest meinen, sie wollen dich für eine Sekte rekrutieren. Meine Güte, darf ich endlich loslegen?
Ein Renntraum für alle Piloten – besonders mit Lenkrad

Das Fahrgefühl ist, wie man es von der Serie kennt: absolut top. Anfangs fand ich es jedoch etwas zu einfach. Ich bin wohl doch besser, als ich gedacht habe. Die vielen Stunden mit «Forza Horizon 3» haben sich bezahlt gemacht. Doch dann fällt mir ein, dass man doch unterschiedliche Fahrhilfen einstellen kann. Ein Blick ins Menü verrät: Ich spiel auf Easy. Also mal vorsichtig auf Medium mit weniger Fahrhilfen. Schon in der ersten Kurve fahre ich direkt gerade aus. Mist, doch nichts mit versteckten Skills. Gut gibt es wie in «Forza Horizon» auch die praktische Rückspulfunkton, mit der du Patzer einfach ungeschehen machen kannst. Kommt halt ganz auf den Schwierigkeitsgrad an.
Hier trennt sich auch der Spreu vom Weizen. Profis stellen die Fahrhilfen wie ABS, Ideallinie oder Rückspulfunktion natürlich ab. Aber das ist noch längst nicht alles. Im Tuning-Menü kriegt jeder Automechaniker feuchte Augen. Hier kannst du wirklich alles bis auf den einzelnen Gang feintunen. Wer keine Lust hat, lässt das Spiel bestimmen. So kommen Anfänger wie Profis auf ihre Kosten.

Für zusätzlichen Realismus sorgt ein Lenkrad. Mir steht das Logitech G27 mit Pedalen und Schaltung zur Verfügung. Damit drehst du noch mal kräftig an der Realismus-Schraube. Kräftig musst aber auch du sein. Denn mit dem Lenkrad werden die Rennen deutlich anstrengender, aber auch verdammt viel spassiger. Hier spürst du dein Fahrzeug deutlich besser und wenn du zu schnell in eine Kurve rast, dann zuckt das Lenkrad ordentlich. Damit wird das Spiel aber auch ein gutes Stück schwieriger. Mit dem Controller lässt es sich wesentlich einfach lenken, da du schneller reagieren kannst. Dank den vibrierenden Triggern der Xbox-One-Controller aber ebenfalls ein grosses Vergnügen.
Grafik und Wettereffekte

Keine Frage, «Forza» sieht umwerfend aus. Ob es gleich das bestaussehendste Spiel aller Zeiten ist, wie behauptet wird, wage ich zu bezweifeln. Dafür sind die Präsentationsmöglichkeiten von Renngames meiner Meinung nach zu gering. Ja, die Autos sehen aus wie echt und der Asphalt auch. Aber auch der detaillierteste Asphalt bleibt am Ende halt Asphalt. Die Rennstrecken sind realistische Nachbildungen echter Strecken, aber damit erschöpfen sich schon bald die Variationsmöglichkeiten. Hier konnte «Forza Horizon 3» mit verrückten Locations und Rennen aus dem Vollen schöpfen. Wie auch immer man das sehen möchte, «Forza» ist dennoch ein Augenschmaus. Am eindrücklichsten zeigt sich das bei den Wettereffekten.
Nicht nur gibt es von Sonnenschein über Nachtfahren bis zu stürmischen Regen praktisch alles, während den Rennen kann sich das Wetter auch verändern. Mal startest du bei hellstem Sonnenschein und nach einer Runde giesst es aus Eimern. Das sieht nicht nur wunderschön aus, sondern macht auch das Rennen deutlich abwechslungsreicher. Manchmal musste ich mich richtig zusammenreissen, dass ich nicht in eine Wand geknallt bin, weil ich gerade den Sonnenaufgang bewunderte.

Lediglich die Zuschauer sind statisch wie eh und je. Da sollte sich Turn10 vielleicht mal bei «Fifa» eine Scheibe abschneiden. Wenn man Kollege Luca glauben darf, bewegen die sich sogar! Uiuiui. Das kommt vermutlich erst mit der nächsten Konsolengeneration. Meistens rast du eh so schnell an den Zuschauern vorbei, dass du nur noch Schlieren erkennst.
Die PC-Version sieht etwas besser aus als die Xbox-One-Version. Und ich spiel nicht in 4K. Die Texturen sind schärfer und es gibt bei aktivierten SMAA kein störendes Kantenflimmern. Und natürlich könntest du mit Supersampling die Grafik noch mehr pushen. Ausserdem profitierst du am PC von höheren Bildwiederholraten. Die Xbox-One-Version ist bei 60fps fixiert, hat dafür HDR. Dank sehr guter Optimierung brauchst du keinen Mörder-PC, um eine höhere Framerate zu erzielen. Mal sehen, was die Xbox One X im November rauskitzeln kann.
Was bei einem guten Rennspiel ebenfalls nicht fehlen darf, ist satter Sound. Und «Forza» röhrt aus vollen Rohren. Ein anständiges Lautsprechersystem oder Kopfhörer vorausgesetzt, darfst du dich auf ein echtes Motorenorchester freuen.

Lootboxen?
Mit jedem Rennen und Fortschritt sammelst du Geld. Das investierst du entweder in neue Autos oder in Lootkisten. Je nach Preis enthalten sie Outfits, Mods (optionale Handicaps, die Zusatzgewinne sichern) oder ganze Fahrzeuge. Momentan können die Lootboxen nur mit Ingame-Währung gekauft werden. Allerdings lassen die aktuell noch inaktiven Menüpunkte Marktplatz und Auktionshaus nichts Gutes verheissen.
Praktische Crosssave-Funktion
Ein Feature, das zwar eher wenige brauchen werden, aber dennoch ungemein praktisch ist, ist Play Anywhere. Wenn du die digitale Version von «Forza» kaufst, kannst du das Spiel sowohl auf PC als auch auf deiner Xbox One spielen. Und das Beste daran: Die Speicherstände werden synchronisiert. Du kannst also auf der grossen Glotze zocken und wenn der Fernseher von jemanden anders beansprucht wird, spielst du umgehend auf dem PC weiter.
Fazit
«Forza Motorsport» schaffte es, mit kontinuierlichen Verbesserungen aus dem Schatten der Genre-Referenz «Gran Turismo» herauszutreten. Nun bringt mit «Gran Turismo 7» der ärgste Konkurrent nur wenige Wochen später ebenfalls einen neuen Teil heraus. Und soeben ist auch noch «Project Cars 2» erschienen. Ob die Japaner die Konkurrenz wieder überholen können, werden wir bald herausfinden. Egal, wie das Rennen ausgeht, mit «Forza Motorsport 7» kannst du nichts falsch machen. So viel Umfang verpackt in eine Spitzen-Grafik gibt es praktisch nirgends. Tuningmöglichkeiten bis zum Abwinken, jedes Fahrzeug fährt sich völlig unterschiedlich, die wechselnden Renn-Bedingungen – all das zusammen macht «Forza» schon jetzt zu einem der besten Rennspiele überhaupt.



Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.