Galaxy Watch 4 im Test: Die beste WearOS-Uhr ist primär für Samsung-User
Die Galaxy Watch 4 kombiniert die rundum erneuerte WearOS-Software mit Samsungs Highend-Hardware. Das katapultiert sie an die Spitze aller Android-Uhren, trotz einiger Mängel.
Android-Uhren geniessen keinen besonders guten Ruf. Ich gehöre wohl zu den Nachsichtigsten, aber auch ich muss zugeben: Da ist noch viel Luft nach oben. Das zeigt auch Apples Marktdominanz mit der Apple Watch. Weit abgeschlagen, aber doch noch vor jeder WearOS-Uhr, ist die Galaxy Watch. Sie setzt auf Samsungs eigenes Tizen-Betriebssystem – bis jetzt. Die Galaxy Watch 4 ist die erste Uhr mit dem generalüberholten Wear OS 3.0, das Google zusammen mit Samsung entwickelt hat. Dazu kommt Samsungs Exynos-W920-Prozessor, der im Gegensatz zum verstaubten Qualcomm 4100+ deutlich mehr Leistung liefert. Für einen Homerun reicht es zwar selbst damit nicht, aber es ist ein grosser Schritt nach vorne.
Die Installation ist ein Abturner
Den ersten Eindruck vermasselt die Galaxy Watch komplett. Die Einrichtung ist harzig. Als Pixel-User mit reinem Android bin ich da besonders heikel. Die Watch wirkt wie ein Zwitter. Es fängt damit an, dass ich einen Samsung-Account machen und mich dann noch mit meinem Google-Account einloggen muss. Anschliessend muss ich noch die Galaxy-Wear-App und eine Galaxy-Watch-Plugin-App installieren. Für die Gesundheitsfunktionen brauche ich ausserdem die Samsung-Health-App. Erst dann kann ich die Uhr richtig benutzen. Der umständliche Installationsprozess mit zig Apps und den vielen Diensten- und Datenschutzerklärungen, denen ich zustimmen muss, trüben das Auspackerlebnis gewaltig.
Optimierte Navigation
Galaxy Watches hatten bisher die bessere Hardware, aber schlechten App-Support. Der ist zwar auch bei Android-Uhren nicht überwältigend, aber doch einiges umfangreicher. Nun gibt es die Performance von Samsung mit den Apps des Google Play Stores. Die Galaxy Watch 4 ist die schnellste WearOS-Uhr, die ich je benutzt habe. Butterweich ist sie zwar nicht, aber insgesamt sind Ruckler selten und sie bedient sich angenehm und präzise. Auch Apps starten schnell.
Die Navigation unterscheidet sich nicht grundlegend von anderen WearOS-Uhren. Mit einem Swipe von oben nach unten öffnest du die Schnelleinstellungen. Du kannst die Anordnung frei wählen und auch welche Settings angezeigt werden. Mit einem Swipe von rechts nach links gelangst du zu den Tiles. Das sind interaktive Felder, die dir deine Fitnessdaten zeigen, das Wetter oder wie du geschlafen hast. Auch hier kannst du nach Lust und Laune rausschmeissen und hinzufügen. Oft genutzt habe ich Tiles noch nie. Zwischen Tiles wechseln, kannst du auf der Galaxy Watch Classic mit der physischen Lünette. Auf der günstigeren und kleineren Version (40 mm und 44 mm statt 42 mm und 46 mm), die ich teste, bewegst du dafür den Finger im Kreis am Displayrand entlang. Funktioniert, ist aber nicht wirklich schneller als wenn du einfach von links nach rechts wischst.
Mit einem Swipe von unten nach oben öffnest du die App-Übersicht, die du frei anordnen kannst. Bei älteren WearOS-Uhren musste ich dafür einen physischen Knopf drücken. Die Lösung bei der Watch 4 gefällt mir besser.
Mit einem Swipe von links nach rechts wechselst du zu den Benachrichtigungen. Früher war dort der Google Assistant, aber der ist aktuell noch abwesend. Bei eingeschalteter Gestenfunktion wird das Display aktiviert, sobald du den Arm zum Gesicht bewegst. Damit öffnen sich auch neue Benachrichtigungen automatisch. Das ist eines der besten neuen Features.
Dann sind da noch die beiden physischen Tasten. Die obere bringt dich auf den Startbildschirm zurück. Die Funktion für zweimaliges Drücken habe ich mit Strava belegt. Wenn du den Knopf lange drückst, kannst du nur zwischen Ausschalten und dem nicht so smarten Assistenten Bixby wählen. Noch weniger Möglichkeiten hast du bei der unteren Taste. Dort besteht die Auswahl zwischen zum letzten Bildschirm zurückkehren oder eine App-Übersicht anzuzeigen. Wenn du sie lange drückst, öffnet sich in jedem Fall Samsung Pay. Hier wäre mehr Flexibilität wünschenswert.
Schicke Watch Faces und neue Apps
Bei Watch Faces, den digitalen Ziffernblättern, bin ich ebenfalls heikel. Die Auswahl im Google Play Store ist zwar riesig, die meisten davon sind aber hässlich und/oder unpraktisch. Wenn ich ein Bild von einem Katzenhintern will, kann ich mir eine Spielzeug-Uhr um das Handgelenk schnallen. Auf der Galaxy Watch 4 sind über 20 Varianten vorinstalliert. Von denen empfinde ich 90 Prozent als nutzlos, aber mehr als zwei drei Gute brauche ich nicht. Erfreulich ist bei der «Analog dashboard»-Variante, die ich aktuell benutze, dass ich alle vier Anzeigefelder und das Aussehen frei anpassen kann. Besonders gefällt mir das kleine Herz für die Samsung-Health-Anzeige, die sich langsam farbig ausgefüllt, je aktiver ich bin.
Alle Watch-Face-Anpassungen kann ich bei Bedarf über die Galaxy-Wear-App am Smartphone vornehmen. Auch Tiles, App-Updates, die Anordnung in der App-Übersicht oder der Schnelleinstellungen können bequem übers Smartphone erledigt werden.
Auch die Apps auf der Galaxy Watch haben sich verbessert. Da wäre beispielsweise Strava, die nun neben Joggen und Velofahren noch weitere Sportarten kennt und etwas besser zu bedienen ist. Die neue Version ist leider nur für WearOS 3.0 verfügbar, sprich die Galaxy Watch 4. Die alte Version wird nicht mehr aktualisiert.
Youtube Music gibt es ein Jahr nach dem Release auf der Apple Watch endlich auch für Android-Uhren, inklusive Offline-Modus. Google Maps ist spartanisch ausgestattet. Viel mehr als Orte suchen und die Navigation anzeigen, kann sie nicht. Das reicht aber auch. Nervig ist, dass die Turn-by-Turn-Navigation auch auf der Uhr startet, wenn du Auto fährst und das Smartphone im Einsatz hast.
Wenn du Musik auf dem Smartphone abspielst, kannst du einstellen, dass sich auf der Uhr automatisch die Musiksteuerung öffnet. Ein praktisches Feature, das aber besonders in Verbindung mit der Podcast-App Pocketcast nicht immer zuverlässig funktioniert. Zum einen kannst du nicht vor- oder zurückspulen, zum anderen reagiert der Play/Pause-Button regelmässig nicht.
Ein Berg an Samsung-Apps ist ebenfalls vorinstalliert, darunter komplett überflüssiges wie die Gallery. Wer schaut sich Fotos auf der Uhr an? Die Einzige, die ich benutzt habe, ist Samsung Health. Die liefert etwas mehr Infos als Google Fit und ist wenig überraschend auch besser implementiert.
Die meisten vorinstallierten Samsung-Apps kannst du getrost ignorieren und zum Glück auch deinstallieren. Statt Samsung Pay kannst du beispielsweise Google Pay installieren.
Mein Testmodell verfügt über 4G, damit ich auch ohne Smartphone zurechtkomme. Besitzt du wie ich kein Samsung-Smartphone, kannst du die eSIM nicht selber aktivieren. Du musst dich dafür bei deinem Mobilfunkanbieter melden, damit er die SIM manuell freischaltet. Damit habe ich gleich den Knight-Rider-Test gemacht. Devon Miles hat leider das Telefon nicht abgenommen, darum hab ich meine Frau angerufen. Die Audioqualität war auf beiden Seiten einwandfrei. Abgesehen davon, dass es mühsam ist, den Arm immer vors Gesicht zu halten, sind die kleinen Lautsprecher überraschend laut und klar. Trotzdem nicht etwas, das ich mehr als einmal im Jahr aus Jux brauchen würde.
Viel Gesundheit, aber nur komplett mit Samsung
Die Galaxy Watch ist vollgepackt mit Sensoren. Sie liefert Infos über Puls, Sauerstoffsättigung, Schlaf, Körperfett, Stress und vieles mehr. Blutdruck und EKG (Elektrokardiogramm) kannst du hingegen nur messen, wenn du ein Samsung-Smartphone besitzt. Dafür musst du nämlich zusätzlich die Samsung Health Monitor App auf der Uhr installieren. Es gibt zwar einen Workaround, der Aufwand ist mir allerdings zu gross. Ganz zuverlässig soll es auch damit nicht funktionieren. Es ist nicht das einzige Beispiel, das zeigt, dass die Galaxy Watch 4 primär an Samsung-Smartphone-Besitzer gerichtet ist.
Puls- und GPS-Sensor habe ich unter anderem mit einem Ellipsentrainer und der TicWatch Pro 3 verglichen. Die Werte waren mehr oder weniger identisch. Beim Joggen mit Strava ist mir aufgefallen, dass der Weg sehr ungenau aufgezeichnet wird. Die Distanz stimmt zwar, aber der Weg führt teilweise quer über Felder und Strassen. Erst als ich zusätzlich «Improve accuracy» aktiviert habe, das Wifi- und Mobile-Verbindungen hinzuzieht, stimmte der aufgezeichnete Weg. Das geht allerdings nur, wenn du das Smartphone dabei hast oder eine eSIM benutzt.
Zwei Schritte nach vorn, einer zurück
Die Galaxy Watch 4 ist zweifellos die beste Android-Uhr auf dem Markt. Sie ist schnell, die Steuerung ist intuitiv und endlich gibt es genügend gute Apps dafür. Über das Design habe ich noch gar nicht gesprochen, weil es kaum der Rede wert ist. Die Watch 4 Classic sieht nicht viel anders aus als die Vorgänger. Ein klobiges rundes Ding mit Lünette. Manchen gefällt’s, mir nicht. Die kleinere Watch 4 ist schlichter und durch das plane Display besser zu bedienen. Ein Designstatement ist sie sicherlich auch nicht.
Aktivierst du alle Schikanen, wie GPS, Always-On-Display und Gesten hält der Akku knapp einen Tag. Das ist das Minimum, mehr nicht.
Die Watch 4 tut, was ich von ihr erwarte. Das gilt zwar auch für viele andere WearOS-Uhren, die Galaxy Watch macht alles ein bisschen besser und ein bisschen schneller. Das sorgt dafür, dass es mehr Spass macht, sie zu benutzen.
Zu kritisieren gibt es, dass dich Samsung nötigt, diverse Apps und Dienste zu installieren und dass du alle Sensoren nur mit einem Samsung-Smartphone benutzen kannst. Darum handelt es sich hier in erster Linie um eine Samsung- und keine Android-Uhr. Wenn dich das nicht stört, dann bekommst du mit der Galaxy Watch 4 eine der besten Smartwatches auf dem Markt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.