Google News: Der gefilterte Newsfeed ohne Filterblase
Hintergrund

Google News: Der gefilterte Newsfeed ohne Filterblase

Deine News, keine Filterblase, automatisch in ein schönes Layout verwandelt. Die neue Google News App verspricht viel. Sie hält auch viel, aber da ist ein grosses «Aber».

Google nervt manchmal so richtig. Da wirft der Suchmaschinengigant einfach irgendwelche Apps auf den Markt und informiert so am Rande des News-Flusses darüber, dass er das getan hat. So ging es unter anderem Google News – auch für Apple iOS erhältlich –, einer App, die das Schattendasein nicht verdient hat.

Daher: Machen wir mal gross Google News.

Dein Newsfeed und etwas Suche

Google News bringt News. Sprich, die App zeigt dir News deiner abonnierten Newskanäle und aggregiert aus dem Internet weitere News, die basierend auf deinen News für dich auch interessant sein könnten. Das sammelt die App im Tab «For You».

Der «For You»-Tab in Google News

Das Design der App hält sich an die neuen Design-Vorgaben Googles wenn es um Material Design geht. Im Internet wird das «Material Design 2» genannt, da es mit vielen Traditionen der ersten Version bricht. Weniger Farben, mehr Weissraum und weniger Ecken, im Wesentlichen. Während das am Anfang kahl wirkt, so macht das Design dann doch viel aus. Statt auf Design-Elemente aufmerksam zu machen – der rote Balken oben an der YouTube-App ist da recht schrecklich dominant –, kann der Inhalt glänzen.

Wenn du auf eine Story klickst, dann generiert Google News dir eine Ansicht, die dem Design der App entspricht, egal, ob die content-generierende Website das so will. Dazu gehört wenn möglich der Ersatz der Website-Schriftart durch eine Schriftart aus dem Hause Google mit Serifen. Das macht das Lesen der Geschichte recht angenehm und der Lesefluss wird zumindest im Text nicht gebrochen, da über 95 Prozent aller Bücher auf dem Planeten in einer Serifen-Schriftart gedruckt sind. Das ist Garamond, übrigens.

Das ist Garamond

Das Ersetzen der Schriftarten und das Herausreissen des Contents funktioniert noch nicht überall reibungslos. Viele Websites werden einfach in ihrer Mobile-Ansicht gezeigt, aber halt im Wrapper der Google News App. Somit bleiben die Fonts und Formatierungen intakt. Es wäre schön, wenn Google da noch feilen würde, denn die standardisierte Newsansicht gefällt.

Die Lösung für das Problem der Filterblase?

Im Tab «Favorites» kannst du dir deine liebsten News-Themen zusammensuchen. Egal, ob das ein News Outlet wie Vice oder eine Person wie Strongman Eddie Hall.

Der Favorites-Tab

Hier zeigt sich erstmals das Problem der Filterblase. Die Filterblase beschreibt eine Wahrnehmungsverzerrung, die nur dann existiert, wenn du keine ausgeglichenen News erhältst. In der Schweiz haben wir das Problem der voreingenommenen Medien weniger, da die Billag uns vor der komplett verprivatwirtschafteten Medienwelt bewahrt. Trotzdem kann keiner behaupten, dass die Weltwoche politisch genau gleich ausgelegt ist wie die WOZ.

Das ist an und für sich kein Problem und Medienvielfalt, auch in Punkto politischer Ansicht, sind für eine Demokratie und für das Leben in unserer Welt extrem wichtig. Problematisch wird es, wenn Social Media dazu kommt. Vorreiter ist da Facebook, weshalb ich Facebook hier stellvertretend für alle Social-Media-Kanäle verwende.

Facebook will, dass du möglichst viel Zeit auf ihrer Seite verbringst. Denn jeder dieser Views ist im Wesentlichen dazu da, Daten über dich zu sammeln, die benutzt werden, um Werbung zu verkaufen. Daher will Facebook dich nicht ärgern und will dir auch gar keine News zeigen, die dich verärgern könnten. Wenn du also daran glaubst, dass Reptilianer aus der Hohlerde die Welt beeinflussen, indem sie in Pornofilmen mitmachen und ihre Menschentarnung nicht aufrecht erhalten können, dann findest du auf Facebook je länger je mehr automatisch kuratierte «News» zum Thema. Aber nur mit dem Blickwinkel, den du vertrittst.

So haben Schwachköpfe wie Impfgegner und Flacherdengläubige in jüngeren Jahren massiv Aufwind erhalten. Schlimmer noch, Politiker wie Donald Trump schwafeln dummes Zeug wie «Fake News» und die Nutzer glauben das noch, weil ihre Filterblase diesen Unsinn so oft wie möglich wiederholt. Denn irgendwann glaubst du an den Scheiss.

Google News will damit aufräumen. Unter so vielen Stories wie möglich wird ein Symbol eingeblendet, das aufeinandergelegte farbige Papiere darstellt. Wenn du darauf klickst, gelangst du zum Tab «Full Coverage».

Das «Full Coverage»-Icon ist unten rechts

Full Coverage bedeutet, dass dir alle News zum Thema angezeigt werden, nicht nur die Ansichten, die dir persönlich gefallen. Da wird auch mal die glorreiche Entscheidung deiner liebsten Partei als Dummheit abgetan oder dein liebster Star kommt mal unter die Räder. Da wird Twitter automatisch durchgelesen und indexiert, Youtube und News-Quellen von denen du noch nie etwas gehört hast.

Das ist gesund. Selbst wenn du dich aufregst über all das «linke Gewäsch der Lügenpresse» ist es doch gut, wenn du damit konfrontiert wirst. Sonst kannst du ganz einfach von deinen eigenen Leuten an der Nase herumgeführt werden. Aber ich hätte das Full Coverage Feature gerne auffälliger verbaut und einfacher zugänglich. Denn so wie es jetzt steht, musst du nicht zwingend deine Filterblase verlassen.

Der grosse Negativpunkt

Die App klingt bisher recht gut. Sie schafft dir, wenn du denn willst, einen Rundumblick und stellt dir die News schön dar. Dazu eine Signal-to-Noise Ratio von hundert zu praktisch null. Der Messwert Signal-to-Noise beschreibt das Verhältnis von gewünschter Information und Hintergrundlärm, der einfach da ist, den aber keiner will. Ich lese zwar nicht alle Artikel, die mir Google News vorschlägt, aber so einen groben Überblick über meine Themen habe ich jeden Morgen. Das gefällt mir sehr gut.

Weniger gut gefällt mir die Werbung. Die gefällt mir nämlich überhaupt nicht. Google macht sein Geld mit Werbung, und Websites auch. Wenn jetzt Google die Werbung herausfiltern würde, dann ginge sowohl dem artikelschreibenden Newsmedium wie auch Google Geld durch die Lappen. Das will natürlich keiner, denn egal, wie gut es Google und Co mit uns meinen, irgendwie müssen die auch ihre Rechnungen zahlen.

Das Resultat sieht dann so aus:

Der Screen in voller Auflösung

Nehmen wir das mal detailliert auseinander. Auf meinem Huawei P20 Pro ist ein Screenshot 2240 Pixel hoch.

Ich habe mal ganz kurz Werbung wie auch Navigationselemente im Feed farblich hervorgehoben. Damit lässt sich folgende Analyse machen.

  • Navigation: 204 Pixel → 9.11% des Bildschirm
  • Werbung: 1470 Pixel → 65.63% des Bildschirms
  • Weissraum: 156 Pixel → 6.96% des Bildschirms
  • Inhalt: 410 Pixel → 18.30% des Bildschirms

Diese Aufteilung ist nicht nur ein Einzelfall. Ich mag die SBB, ich mag Sport und Salt, aber nicht in meinen Nachrichten. In meinen Nachrichten will ich Informationen. Denn das macht die Signal-to-Noise Ratio der ganzen App kaputt. Da ich den Gedanken der Werbung verstehe, so hätte ich doch gerne – mal arbiträr so nachgedacht – etwa 40 bis 50 Prozent Inhalt pro Screen. Wenn ich den Inhalt suchen muss, weil er in Werbung ersäuft, dann ist das kompletter Unsinn, sowohl aus Werbe- wie auch aus Nachrichtensicht. Denn ich will nicht mehr Zeit auf der Seite oder mit der App verbringen. Im Gegenteil: Ich suche mir einen Adblocker.

Wo der Feed praktisch nur Informationen enthält und auch divergierende Meinungen bietet, ist der Artikel, den du am Ende liest, manchmal im Wesentlichen Werbung, die stellenweise kurz von Informationen unterbrochen wird. Das ist Mist.

Trotz allem: Ich mag Google News. Die App aggregiert Nachrichten aus Themen, die mich interessieren. Da das alles maschinell geschieht, habe ich keine Duplikate oder irgendwelchen unterhaltenden Quatsch wie auf der Social News Aggregation Platform Reddit oder anderen, vergleichbaren, Services. Nur die Werbung nervt.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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