Die DMA-Deadline ist abgelaufen: Das haben die sechs Gatekeeper-Firmen geändert
Die Deadline für die Umsetzung des Digital Markets Act ist abgelaufen. Die sechs Firmen, die von der Europäischen Union zu «Gatekeepern» ernannt wurden, müssen ihre Kerndienste den neuen Regelungen anpassen.
Der Digital Markets Act (DMA) der Europäischen Union soll verhindern, dass grosse Tech-Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen – zu Ungunsten kleinerer Unternehmen sowie Kundinnen und Kunden.
Am 7. März 2024 ist die Übergangsfrist abgelaufen. Bis zu diesem Datum hatte die EU den besonders grossen Tech-Firmen, sogenannten Gatekeepern, Zeit gegeben, die Vorgaben für «zentrale Plattformdienste» umzusetzen. Anderthalb Jahre konnten die Konzerne nach Inkrafttreten des DMA im Juli 2022 ihre Dienste anpassen und das ist dabei herausgekommen.
Gatekeeper und ihre «zentralen Plattformdienste»
Sechs Firmen hat die EU bisher als Gatekeeper eingestuft. Die Regelungen des DMA gelten für spezielle Produkte und Services, die diese Firmen anbieten – allerdings sind die Vorgaben rechtlich nur in der EU bindend. Das ist relevant, denn teilweise werden die Produkte auch im EWR angeboten. Dieser umfasst zusätzlich noch die Nicht-EU-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein. Alles zum DMA findest du hier:
Ich fasse hier nur die wichtigsten Änderungen zusammen. Daneben gibt es noch Dutzende von technischen, juristischen oder unternehmensrelevanten Änderungen. Diese werden nur verlinkt, damit der Artikel übersichtlich bleibt.
Alphabet
Der Mutterkonzern von Google muss in der EU fortan spezielle Anforderungen für folgende Dienste einhalten: Google Search, Google Maps, Google Play, Google Shopping, Google Chrome, Android und YouTube – und das Online-Advertising-System von Alphabet.
Von den sechs Gatekeepern hat kein Unternehmen so viele Services, die als «zentraler Plattformdienst» gelten, wie Alphabet. Dementsprechend viele Anpassungen hat die Google-Mutter vorgenommen. Die einschneidendsten davon sind:
– Android: Auswahl beim Setup von Android-Geräten: Fortan kannst du entscheiden, welchen Browser du als Standard-Browser benutzen willst. Android fragt dich proaktiv. Gleiches gilt für die Suchmaschine innerhalb des Browsers.
– Google Suche: Wenn du zukünftig nach einer Adresse oder einem Geschäft gegoogelt hast, wird nicht mehr automatisch Google Maps eingeblendet. Auch Vergleichsportale, etwa zu Flügen, Hotels oder Autovermietungen, dürfen nicht mehr in den normalen Suchergebnissen erscheinen. Für sie gibt es spezielle Filter, wie bis anhin etwa für Bilder oder News.
– Alle Google-Dienste: Google teilt einige deiner Daten über mehrere Dienste hinweg. Etwa Chrome und Search. Oder Gmail und YouTube. Du kannst in den Einstellungen neu sagen, welche dieser Daten übergreifend verwendet werden dürfen und welche nicht. Gleiches gilt für Daten, die Google Werbepartnern zur Verfügung stellt.
Amazon
Bei Amazon fallen das Ad-System – also der Werbe-Algorithmus der Online-Plattform – und der Amazon-Marktplatz für Drittanbieter unter die Kategorie «zentrale Plattformdienste».
Die aus Konsumentensicht wohl fast wichtigste Änderung: Kleinere Anbieter, bzw. deren Produkte, müssen im Online-Warenhaus eine höhere und häufigere Sichtbarkeit an prominenter Stelle erhalten. Amazon muss seinen Algorithmus dementsprechend anpassen.
Amazon fragt Kundinnen und Kunden im EU-Shop künftig um Erlaubnis, bevor das Unternehmen Daten für personalisierte Werbung sammelt. Wird dies abgelehnt, dürfen keine Infos mehr gesammelt werden – auch nicht bei Prime Video, Twitch, den Kindle E-Readern, dem Smart-Assistant Alexa und so weiter. Für Amazon ist das insofern ein Problem, als es für Dritte weniger attraktiv wird, auf der Plattform Werbung zu machen.
Zudem wird Amazon zukünftig umfassende Berichte zu Finanzdetails für Werbetreibende und Publisher anfertigen. Diese enthalten Informationen über Kosten für Werbetreibende für die einzelnen Anzeigen und welche Anteile ein Publisher erhält, wenn eine Werbung auf seiner Seite oder seiner App erscheint.
Apple
Apple hat eine turbulente Zeit hinter- und vermutlich noch vor sich, was den DMA anbelangt. Erst letzte Woche wurden die Kalifornier zu einer Geldstrafe von 1,8 Milliarden Euro verurteilt, weil sie in der EU ihre Marktmacht missbraucht haben.
Weitere Beschwerden könnten nun folgen. Neu muss Apple Sideloading zulassen, also das Herunterladen von Apps über Dritt-Stores. Apple tut dies zwar, knüpft es aber an neue Gebühren, sodass es sich für viele Firmen wohl nicht lohnt, aus dem aktuellen System auszusteigen. Spotify, Microsoft und andere monieren, dass es sich deshalb um Scheinlösungen handelt. Ob die EU eine Untersuchung einleitet, ist noch nicht klar.
Neben dem App Store gelten auch iOS und Safari als Kerndienste von Apple. Zudem öffnet Apple seine NFC-Schnittstelle, damit auch Drittanbieter Wallet-Apps und kontaktloses Bezahlen anbieten können. Ausserdem muss Apple innerhalb von Apps andere Bezahlmethoden als Apple Pay zulassen. So können die Anbieter einfacher die 30-Prozent-Gebühr von Apple umgehen. Einziger Mini-Sieg für Apple: iMessage ist kein Kerndienst – wohl auch, weil Apple kürzlich das RCS-Protokoll eingeführt hat.
Last but not least: Browser dürfen jetzt auch eine andere Engine als Webkit verwenden.
ByteDance
Die Muttergesellschaft von TikTok scheint sehr unglücklich über die Ernennung zum Gatekeeper. Das Unternehmen befindet sich derzeit in Berufung – sie möchten, dass man ihnen den Status wieder abspricht. Das chinesische Unternehmen moniert, dass es nicht gross genug sei. Die Zahlen, auf welche sich die EU-Kommission stützt, würden sie nur in China erreichen.
Bis dahin bietet auch TikTok eine Download-Funktion für Userdaten an. Damit kannst du eine Kopie sämtlicher Daten herunterladen. Zudem gibt es eine sogenannte Datenportabilitäts-API. Damit können Entwicklerfirmen User und Userinnen anfragen, ob und welche Daten der Nutzenden sie übertragen dürfen – etwa zu Werbezwecken. Ausserdem gibt es neu Tools für In-App- und Web-Analysen. Hier sollen die Effektivität und die Performance von Inhalten gemessen werden können.
Meta
Meta hat fast so viele Kerndienste wie Google. Sechs seiner Services sind zu Kerndiensten ernannt worden: Facebook, der Facebook Marktplatz, der Messenger (ehemals Facebook Messenger), Instagram, Meta Ads (der Werbeservice) und WhatsApp.
Auch von Meta sind noch Berufungen hängig. Besonders der Messenger und der Marktplatz seien zu Unrecht als Kerndienste klassifiziert worden, findet der Social-Media-Gigant. Der Messenger sei ein integrierter Dienst von Facebook. Deshalb könne die EU diesen nicht als unabhängigen Dienst behandeln. Und der Facebook Marktplatz funktioniere nur zwischen Usern. Meta trete dort nur als Vermittlerfirma auf. Nebst der Option, die Nutzerdaten herunterladen zu können – diese gibt es schon lange – hat Meta einige weitere Datenschutzfunktionen angekündigt. Vor allem ist es nun möglich, früher verknüpfte Facebook- und Instagram-Konten zu trennen und separat zu verwalten.
Auch die viel diskutierte Interoperabilität von WhatsApp kommt. Demnächst ist es also für WhatsApp-User und Userinnen möglich, Nachrichten an andere Messenger zu senden und solche zu empfangen. Natürlich nur, wenn der Anbieter des anderen Messengers das auch will. Signal und Threema haben zum Beispiel schon abgewunken – es wirke sich negativ auf den Datenschutzstandard aus.
Microsoft
Der Redmonder Software-Riese hat bereits letzten Herbst diverse Zugeständnisse an den DMA gemacht. So kannst du unter Windows 11 nun die integrierte Bing-Suche deaktivieren und Edge deinstallieren. Theoretisch ist es sogar anderen Suchanbietern wie Google erlaubt, ihre Engine in Windows einzubinden (mit zusätzlicher Software). Auch ihre Newsfeeds dürften die Entwickler und Entwicklerinnen von Google in die Windows-Widgets einbinden.
Ausserdem kannst du auch Standard-Apps wie Cortana, Fotos und die Kamera-Software einfacher deinstallieren. Alle diese Änderungen sind in den EWR-Staaten bereits ausgerollt – das bedeutet: in der EU sowie Norwegen, Island und Liechtenstein.
Glück hatte Microsoft bei der Kategorisierung anderer Dienste. Die EU wollte auch Edge, Bing und Microsoft-Advertising als Kerndienste einstufen. Microsoft legte Berufung ein und die EU-Kommission verzichtete darauf. Wohl, weil die Dienste schlicht zu wenig wichtig sind und zu wenig Anwendung finden.
Bleibt noch die Business-Social-Media-Plattform LinkedIn: Dort gewährt Microsoft allen Usern die Möglichkeit, jederzeit eine Kopie aller Daten herunterzuladen, die sie auf der Plattform je zur Verfügung gestellt haben – seien es Personalien oder Posts. Gleiches gilt für Administratoren und Administratorinnen von LinkedIn-Seiten – diese können auch Daten herunterladen, die andere Member auf der Seite veröffentlicht haben, sofern diese ihr Einverständnis gegeben haben.
Zudem können Business-User, die LinkedIn Marketing Tools nutzen, ihre vermarkteten Dienste von unabhängigen Partnern verifizieren lassen. Das heisst konkret: Diese Partner bestätigen gegenüber potenziellen Kundinnen und Kunden, dass es sich dabei um echte Dienste handelt und nicht um Fake-Anbieter.
So geht es mit dem DMA weiter
Ob alle Anpassungen dem DMA gerecht werden, wird sich zeigen – nach wie vor gibt es die Möglichkeit zur Beschwerde. Auch kann die EU in Zukunft weitere Firmen zum Gatekeeper oder Services zu Kerndiensten ernennen – Experten schielen hierbei auf Elon Musks Nachrichtendienst «X». Konkrete Pläne der EU sind dazu aber nicht bekannt.
Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.