Heißer Tipp bei Verspannungen? Was Wärmepflaster wirklich bringen
Einmal aufgeklebt, sollen sie Rückenschmerzen oder Verspannungen in Nacken und Schultern lindern. Doch Wärmepflaster sind unter Expertinnen und Experten ein durchaus heißes Pflaster. Was du darüber wissen musst.
«Schätzelein, ich habe Rücken.» Über den Running-Gag von Comedian Hape Kerkeling alias Horst Schlämmer kannst du nicht lachen, weil dein Kreuz gerade ächzt? Dann bist du nicht allein: Laut des Rückenreports 2020 der Rheumaliga Schweiz leiden zwei Drittel der Bevölkerung mehrmals pro Jahr unter unspezifischen Rückenschmerzen.
Die gute Nachricht: In 80 Prozent der Fälle bist du sie nach spätestens vier bis sechs Wochen wieder los. Doch je länger du deine Schmerzen unbehandelt lässt, desto höher ist das Risiko, dass sie chronisch werden. Allein in Deutschland sind jede vierte Frau und jeder sechste Mann laut Robert-Koch-Institut von chronischen Rückenschmerzen betroffen, die sich mindestens drei Monate bemerkbar machen. In der Schweiz sind die Zahlen ähnlich.
Damit gehört dieses Leiden neben Kopfschmerzen zu den häufigsten Schmerzproblemen überhaupt und gilt als Ursache Nummer 1 für Arbeitsunfähigkeit. Schon deshalb solltest du deine Beschwerden nicht ignorieren, sondern ärztlichen Rat suchen.
Sitzen ist das neue Rauchen: Wer länger sitzt, ist früher tot
Nicht immer ist eine Verletzung, eine Erkrankung wie Arthritis, Osteoporose und Rheuma oder ein Bandscheibenvorfall schuld an der Pein. In den meisten Fällen lösen Fehlbelastungen und Bewegungsmangel muskuläre Verspannungen und unspezifische Kreuzschmerzen aus. Der US-Mediziner Dr. James Levine hat in einer Studie erhoben: Wer täglich länger als sechs Stunden herumhockt, verkürzt dadurch seine Lebenszeit um 20 Prozent. Levine behauptet deshalb sogar: Sitzen sei schlechter für die Gesundheit als Rauchen.
Rückenschmerzen: Rein in die Bewegung, raus aus dem Schmerz
Die beste Prävention gegen Rückenleiden – und gegen ein frühes Ableben – ist daher regelmäßige körperliche Betätigung. Und wenn’s bereits in Nacken, Schultern und Kreuz zwickt? Ist moderate Bewegung erst recht angesagt, von Spazierengehen bis Tai-Chi. «Denn Schonung verschafft bei unspezifischen Rückenschmerzen nur kurzfristig Linderung», sagt Professor Michael Hüppe, Vizepräsident der Deutschen Schmerzgesellschaft. «Langfristig führt sie zu einer Verfestigung des Schmerzes.»
Wer dem Schmerz den Rücken kehren will, kann seinen Rehasport natürlich durch zusätzliche Therapien ergänzend unterstützen, so der Experte. Neben Pillen und Co. führt die deutsche Bundesärztekammer in ihrer wissenschaftlichen Leitlinie zu nicht-spezifischem Kreuzschmerz ganze 29 nicht-medikamentöse Behandlungsansätze an. Neben Akupunktur oder Massagen findet sich auch Wärmetherapie auf der Liste.
Die Durchblutung anregen
Wärme soll die körpereigenen Selbstheilungskräfte aktivieren. Indem man die Temperatur in Haut und Muskulatur erhöht und die Durchblutung fördert, werden auch der Stoffwechsel und die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung im Gewebe angeregt. Und die Wärmeanwendung hat noch einen weiteren positiven Effekt: «Sie überdeckt quasi den Schmerz, weil der Körper den thermischen Reiz stärker wahrnimmt als den Schmerzreiz», schreibt Physiotherapeutin Martina Landolf, CEO von Physiozentrum.ch AG, der größten unabhängigen Anbieterin von Physiotherapien in der Schweiz in ihrem Blog.
Dieser Mechanismus – auch Gate Control Theory genannt – wurde bereits 1965 entdeckt. «Und wenn wir den Schmerz weniger spüren, können wir uns wieder bewegen und schmerzende Körperteile besser mobilisieren», so die Physiotherapeutin weiter.
Wann Wärme hilft – und wann nicht
Bevor du mit der Wärmehandlung beginnst, solltest du abklären lassen, was die Ursachen für deine Schmerzen sind. Besonders hilfreich ist Wärme bei muskulären Schmerzen, beispielsweise bei Nacken- oder Schulterverspannungen. Aber auch bei chronischen Rücken- oder Gelenkschmerzen kann sie helfen. Bei einer Nervenreizung oder einer (Gelenks-)Entzündung ist Wärme hingegen kontraproduktiv. Auch bei akuten, sehr starken Schmerzen – etwa nach einem Knochenbruch – sind Wärmeanwendungen nicht sinnvoll. Denn hier findet eine natürliche Entzündungsreaktion statt, bei der sich die Blutgefäße erweitern und das Gewebe selbst erwärmt. Dann ist Kühlung angesagt.
Kassenschlager fürs Kreuz
Haben dir dein Arzt oder deine Ärztin grünes Licht für die Wärmetherapie gegeben, ist es wichtig, dass du die Wärme nicht nur deutlich, sondern möglichst lange spürst. Laut der Aktion Gesunder Rücken mit Sitz im deutschen Selsingen, liegt die ideale therapeutische Wärme bei 40° Celsius über vier bis zwölf Stunden Dauer. Mit klassischen Hausmitteln wie einem Vollbad, Saunabesuch, Kirschkernkissen oder Rotlicht sind solche konstanten Temperaturen über längere Zeit hinweg kaum zu erreichen. Deshalb sind Wärmepflaster auch so beliebt: Einfach aufkleben und schon nach wenigen Minuten macht sich eine wohlige Wärme bemerkbar, die lange anhält, während du dich anderen Dingen widmest.
Allein in Deutschland verkaufen Apotheken, Drogerien und sogar Discounter und Baumärkte jährlich mehr als vier Millionen dieser Medizinprodukte zur lokalen Schmerztherapie. Die Pharmaindustrie verdient also bestens an den Pflastern. Rund 82 Millionen Euro setzte sie laut des Pharma-Marktberichts IMS Health 2016 des Unternehmens IQVIA damit um.
Capsaicin: Scharf gegen Schmerzen
Doch helfen die Pflaster auch? Kommt drauf an. Denn Wärmepflaster ist nicht gleich Wärmepflaster. Einige Produkte enthalten natürliches Capsaicin, also Cayennepfeffer-Extrakt, oder dessen synthetische Form Nonivamid und haben zumeist eine Zulassung als Arzneimittel. Sie sind vergleichsweise günstig, praktisch für unterwegs und risikoarm. In klinischen Studien konnte nachgewiesen werden: Capsaicin hemmt vorübergehend die Wiederaufnahme des Neurotransmitters «Substanz P» an den Nervenenden und blockiert damit die Schmerzweiterleitung.
Der Eindruck von Wärme entsteht allerdings durch eine starke Reizung der Haut, die mitunter unangenehm sein kann. Am besten testest du das Pflaster zuerst an einer nicht zu sensiblen Hautpartie auf Verträglichkeit. In jedem Fall solltest du die Anwendung abbrechen, wenn du die Hitze als zu stark empfindest oder Juckreiz, Brennen oder Stechen auftreten. Eventuell hast du eine Chili-Kontaktallergie. Leidest du an Hautverletzungen, -erkrankungen oder einer Infektion, solltest du ebenfalls ganz die Finger von den Pflastern lassen.
Auflagen mit Eisenpulver: Selbsterwärmende Rückenpflaster
Wenn du sensibel reagierst, kannst du auf selbsterwärmende Produkte ohne hautreizende Inhaltsstoffe zurückgreifen, bei denen die Wärme physikalisch entsteht und in die Tiefe abstrahlt. Die katalytischen Pflaster oder Auflagen enthalten ein Gemisch aus Eisenpulver, Wasser und manchmal auch Aktivkohle, das sich nach dem Öffnen der versiegelten Packung mit Sauerstoff verbindet.
Der Nachteil: Die Auflagen sind meist teurer als die Pflaster mit Capsaicin und in Tests der Verbraucherzeitschrift Gesundheitstipp hatten Probandinnen und Probanden manchmal auch das Gefühl, dass die Auflage nicht gut hält und die Wärmeentwicklung nur mäßig ist. Aus dem Test der Schweizer Expertinnen und Experten ging übrigens das Pflaster von HerbaChaud als Sieger hervor, das seine Wärme über 24 Stunden hinweg halten konnte.
Achtung: Allergie- und Verbrennungsgefahr
Vorsichtig allerdings auch hier, wenn du Allergikerin oder Allergiker bist. Denn im Wärmepflaster-Test der deutschen Verbraucherschützer von Öko-Test schnitt das besagte Produkt und auch viele andere katalytische Auflagen nicht gut ab. Der Grund: Einige enthalten bedenkliche Inhaltsstoffe – zum Beispiel optische Aufheller im Klebstoff. «Beim Schwitzen können diese Aufheller auf die Haut gelangen und in Kombination mit Sonnenlicht allergische Reaktionen auslösen», so das Urteil der Expertinnen und Experten. Gleiches gilt für das zugesetzte Wollwachs, das für eine Kontaktallergie sorgen kann.
Aber nicht nur Allergikerinnen und Allergiker sollten den Beipackzettel aufmerksam lesen. So ist der Gebrauch über Nacht wegen Überhitzungsgefahr meist nicht empfohlen. Bei falscher Anwendung von Produkten mit Eisen und Aktivkohle drohen außerdem Verbrennungen. «Im schlimmsten Fall kommt es neben Rötungen und Brandblasen sogar zu einer Nekrose, einer Zerstörung der Haut.» Bleibt die Auflage über längere Zeit an einer Stelle, können außerdem dauerhafte Pigment-Veränderung auftreten, auch «hot water bottle rash» genannt. Um diesen Risiken vorzubeugen, kannst du zu Produkten greifen, die nicht direkt auf die Haut geklebt werden, sondern auf die Kleidung.
Der Glaube versetzt Schmerzberge
Ob nun auf der Haut oder auf der Kleidung: Katalytische Wärmepflaster sind umstritten. «Denn ihre pharmakologische Wirkung konnte bislang nicht eindeutig belegt werden», so die Öko-Tester. Deshalb fallen diese Pflaster auch nicht unter die Kategorie Arzneimittel, sondern sind nur als «medizinische Produkte mit physikalischer Wirkung» zugelassen. Ein Grund mehr für die Expertinnen und Experten, dir zu raten, lieber auf Pflaster mit Capsaicin zurückzugreifen, wenn du sie verträgst.
Titelbild: shutterstockGäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!
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