Hohl, aber gehaltvoll: Die Möbel von Daan De Wit
Das Material dafür war schon immer da. Nur hat es niemand beachtet: Daan De Wit macht aus Furnier massive Möbel, die innen komplett hohl sind.
Eigentlich dient Furnier seit seiner Erfindung dazu, Möbel möglichst ökonomisch herzustellen sowie weniger wertvolles Holz optisch aufzuwerten. Doch lässt sich daraus nicht noch mehr machen? Dieser Frage ist der Innenarchitekt und Designer Daan De Wit nachgegangen. Er hat die Verarbeitungsmöglichkeiten von Furnier genauer angeschaut und eine Technik entwickelt, die aus der zarten Verzierung eine zähe Masse macht.
Von vorne anfangen
«Du weisst, dass wir in einer materiellen Welt leben – und ich bin ein materielles Mädchen.» Als Madonna diese Zeilen in ihrem Popsong «Material Girl» sang, war’s irgendwie noch cool, die Konsumwelt zu preisen. Heute können wir uns diese Naivität angesichts immer knapper werdender Rohstoffe nicht mehr leisten. Eine andere, wie sie der 27-jährige Belgier besitzt, aber schon. Er hat sein Nichtwissen zu einer Ressource gemacht.
Während seines Studiums hat Daan den herkömmlichen Umgang mit Furnier hinterfragt und einen Weg gefunden, aus den hauchzarten Hölzern hohle, aber robuste Objekte zu bauen. Kurz darauf hat er 2019 sein eigenes Label gegründet und im vergangenen Jahr seine erste Kollektion am Mailänder Salone präsentiert, wo ich ihn zu seiner Arbeit befragen konnte.
Klein bis gross
Die Tische aus der Serie Stratum steigen Schicht für Schicht aus einer Furnierplatte auf. Aus schnell wachsendem Bambus. Wie eine Chronik. Und von Hand: «Jedes kleinere Teil kommt aus einem grösseren, jeder Zentimeter der Platte wird genutzt», erklärt mir Daan. Mittels Lasercut schneidet er das 5 Millimeter dünne Furnier in Stücke und fügt sie dann neu zusammen, bis sie ein konisches Objekt ergeben – wie eine Eistüte, nur nicht ganz so spitz.
Mit dieser Technik verbraucht er weder viel Material, noch entsteht viel Abfall. Um den Hohlraum zu zeigen, setzt Daan auf Glas für die Tischplatte. Damit der natürliche Charakter dennoch erhalten bleibt, formt er organische Objekte. «Je nach Perspektive sehen meine Möbel immer anders aus. Sie sollen nicht unbedingt mit Innenräumen verschmelzen.»
Tatsächlich scheinen Stratum-Tische von einem anderen Stern zu sein. Sie stehen anlässlich der Möbelmesse in einem alten Backsteingebäude. Sie könnten aber genauso gut aus einem Star-Wars-Film stammen. Dabei fehlt es weder ihnen noch anderen Designs, die er nach dem gleichen Prinzip entworfen hat, an Funktionalität. Daan zeigt mir Wochen später in unserem Video-Chat eine Chaiselongue, die in seinem Studio steht. Er erzählt mir auch, dass viele Designschaffende die Seite, auf der der Laser schneidet, lieber verstecken. Für ihn aber machen die dunklen Stellen die Möbel zu etwas Besonderem.
Momentan fertigt der Designer alle Objekte alleine an. «Ich bestelle nur so viele Platten, wie ich für ein Projekt benötige und eine Platte extra, falls mal etwas schiefgehen sollte.» Für diese kleine Stückzahl bekommt Daan keinen Mengenrabatt. Das und die Handarbeit machen seine Designstücke nicht ganz günstig. Sie liegen je nach Modell im vierstelligen Bereich. Ich ihn, ob er mit seiner Idee nicht wachsen will: «Ich weiss, dass ich es mir leichter machen könnte, wenn ich mehr und breitere Platten bestellen würde. Ich würde schneller sein, jede einzelne Schicht aufzutragen. Doch das entspricht nicht meinem Motiv als Designer. Ich möchte verhindern, dass es zur Überproduktion kommt und lieber langlebige Möbel herstellen.»
Weniger ist mehr
Gutes Design ist für Daan, wenn er hinter der Idee, dem Material sowie dem Prozess stehen kann. Der Designer hofft, dass sich dieses Mindset bei der breiten Masse durchsetzt. Seine Möbel teilt er dagegen aktuell nur mit einer kleinen Gruppe von Designsammler:innen, die sich seine Werke leisten können. «Meine Arbeit ist exklusiv und teurer als Ikea, aber lokal und in kleinen Mengen zu produzieren ist besser für die Umwelt.»
Obwohl der Designer die ausgehöhlten Möbel erfunden hat, würde er sich freuen, wenn sie von anderen weiterentwickelt und inklusiver gemacht würden. Solange er als Ideengeber bekannt bleibt, freut er sich über die Aufmerksamkeit. Und sicher auch darüber, wenn Madonna und wir ab heute alle singen: «I am a «Veneer Girl.»
Was sind das für Menschen, die ständig auf der Suche nach besseren Designlösungen sind? Die einen neuen Stuhl oder Tisch entwerfen, obwohl es die schon zig tausendfach gibt? In dieser Serie stelle ich dir solche Menschen und ihre Leitmotive vor. Folge mir, um den nächsten Beitrag auf dem Schirm zu haben.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.