House of the Dragon: Was hat es mit dem Traum von [SPOILER] auf sich?
25.8.2022
In «House of the Dragon», HBOs Prequel-Serie zu «Game of Thrones», überrascht das Ende der ersten Episode mit einem Traum. Einer Prophezeiung. Klären wir das auf.
Das ist eine Folgenanalyse. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die erste Episode von «House of the Dragon» an, bevor du weiterliest.
Ein Texteinblender. 172 Jahre vor Daenerys Targaryen. So beginnt die Serie. Die Erwartungen waren riesig. Schliesslich soll «House of the Dragon» wiedergutmachen, was die achte, letzte Staffel von «Game of Thrones» verbockt hat. Ob das gelingt, lässt sich noch nicht sagen. Die Premiere der ersten Episode lässt aber hoffen. Rhaenyra Targaryens Ritt über King’s Landing auf ihrem gelben Drachen Syrax – Rhaenyra ist bereits seit ihrem siebten Lebensalter Drachenreiterin – ist eine Wucht. Visuell und musikalisch.
Kein Wunder: Regie geführt hat Miguel Sapochnik, der bereits bei den aufwendig inszenierten «Game of Thrones»-Folgen «Hardhome», «Battle of the Bastards», «The Winds of Winter» und «The Bells» Regie geführt hat. Die Musik stammt erneut aus der Feder von Ramin Djawadi, der bisher alle «Game of Thrones»-Folgen vertont hat. Und der Schöpfer der Romane, George R. R. Martin, soll weit involvierter sein und bleiben als bei den letzten drei Staffeln der TV-Adaption, wie er selber in einem Making-Of bestätigt hat. Die Befürchtung, dass sich die Serie mit fortschreitenden Staffeln erneut zu sehr von ihrer Romanvorlage, in diesem Fall «Fire and Blood», entfernt, dürfte damit gebannt sein.
Tatsächlich schafft es die erste Episode, «The Heirs of the Dragon», in bester Tradition, inmitten von politischen Ränkespielen zig neue Charaktere einzuführen, ohne uns Zuschauende zu überfordern. Am Ende wissen wir genau, wie welche Charaktere ticken, kennen ihre Motivation, ihre Beweggründe, aber vor allem ihre Ziele. Und dann setzt Drehbuchautor Ryan Condal einen drauf: Er stellt die ultimative Verknüpfung zwischen «House of the Dragon» und «Game of Thrones» her – mit einem Traum.
Viserys Targaryen, König von Westeros und Rhaenyras Vater, erzählt seiner Tochter von ebendiesem Traum. Einer geheimen Prophezeiung, die seit jeher nur von Targaryen-König zu Targaryen-König getragen worden ist. Die Prophezeiung der langen Nacht und des Prinzen, der verheissen wurde.
Das Lied von Eis und Feuer.
Das Lied von Eis und Feuer
Wir erinnern uns: Zu Beginn von «House of the Dragon» ist es über 100 Jahre her, seit Aegon I. Targaryen mit einer kleinen Armee und drei Drachen an der Blackwater Bay Fuss gefasst hat – dort, wo dereinst King’s Landing entstehen wird und von wo aus Aegon seinen Eroberungskrieg quer durch Westeros begonnen hat. Mit Erfolg: Nach über einem Jahrzehnt des Konflikts ist es Aegon, der die sieben Königslande, die sich bis dahin die Herrschaft über Westeros geteilt hatten, zu einem einzigen Königreich vereinigt.
Warum er das tat? Besagte 100 Jahre später – oder auch 172 Jahre vor «Game of Thrones» – , erklärt es Viserys so:
Viserys Worte hallen schwer in der grossen Halle, wo der Schädel des einst grössten und furchterregendsten Drachens aller Zeiten steht, der nicht nur von Aegon, sondern auch von Viserys selbst geritten worden ist – Balerion the Dread. Von ihm stammt auch das Feuer, das all die Schwerter der besiegten Feinde Aegons zum Eisernen Thron geschmolzen hat. Und spätestens hier horchen Fans auf. Denn die Romane, auf denen «Game of Thrones» basiert, heissen nicht «Game of Thrones», sondern «A Song of Ice and Fire». Dabei hat George R. R. Martin nie explizit bestätigt, was es mit dem Titel auf sich hat. In seinen Romanen und Hintergrund-Werken gibt es aber durchaus Erklärungen, die eindeutig scheinen. Demnach ist «A Song of Ice and Fire» genau das: eine Prophezeiung.
Als der Night King vor 8000 Jahren mit seinen White Walkers die Welt zum ersten Mal heimsucht, erwählt R’hllor, der Herr des Lichts, Azor Ahai als seinen Recken, der die Armeen der ersten Menschen und der Children of the Forest anführen soll. Bewaffnet mit Lightbringer – einem mächtigen, brennenden Heldenschwert, das nur in lebendem Feuer geschmiedet werden kann – stellt sich Azor Ahai dem Night King entgegen. Schliesslich gelingt es ihm, die Armeen der Toten bis in den hohen Norden zurückzuschlagen. Bran der Erbauer, ein früher Vorfahre der Stark-Familie, lässt daraufhin die Mauer errichten und gründet die Night’s Watch, welche die Schrecken des Nordens von dem Süden fernhalten sollen.
Azor Ahais Geschichte endet hier – und das Lied von Eis und Feuer, das von seiner Rückkehr handelt, beginnt. Die Prophezeiung ist vor 5000 Jahren in hochvalyrischer Sprache in den alten Büchern Asshais niedergeschrieben worden, ein ferner Ort, der in den südöstlichen Regionen von Essos liegt. Sein Inhalt sagt im Wesentlichen Folgendes aus:
Was hat der Azor Ahai mit Aegons Traum und dem Haus des Drachens zu tun? Nun, der Hinweis auf «Prinz» lässt königliches Blut vermuten. Und die Fähigkeit, Drachen aus Stein zu erwecken, wird einzig und allein dem valyrischen Volk zugeschrieben – den Targaryens.
Der Traum – ergibt er in «House of the Dragon» Sinn?
Wer sich nicht bereits tief in die Werke George R. R. Martins vergraben hat, dürfte von der Erwähnung des Liedes von Eis und Feuer überrascht worden sein. Zumindest wirft es ein neues Licht auf Aegons Eroberungskriege. Denn nur ein geeintes Westeros mit einem Targaryen auf dem Eisernen Thron – so die Überlieferung, wie sie Viserys weitergibt – könne die Menschheit vor den White Walkers retten.
Fans sind sich nicht sicher. Manche reagierten auf diese Enthüllung sogar enttäuscht. Sie werfen den Machern vor, dass Aegons Traum als eigentlicher Grund für dessen Eroberungskriege nur ein plumpes Easter Egg ist, um die Prequel- und die Mutter-Serie zu verknüpfen. Schliesslich versandete die in Büchern und frühen Staffeln gross aufgebauschte Prophezeiung im Finale von «Game of Thrones» bekanntlich ins Nichts. Auch darum wird die letzte Staffel von Fans geächtet; wozu eine Prophezeiung in die Story einbauen, wenn sie letztendlich ja doch keine Rolle spielt?
Zwei Dinge. Erstens: George R. R. Martin war gegen Ende der Serie kaum noch kreativ beteiligt. Gut möglich, dass die Prophezeiung zumindest in der noch nicht fertig geschriebenen Buch-Reihe eine deutlich grössere Rolle spielen wird als in der TV-Serie.
Zweitens – und auch das wird nur in den Büchern erwähnt – gilt Rhaegar Targaryen, erster Sohn des verrückten Königs Aerys Targaryen und ältester Bruder Daenerys Targaryens, tatsächlich lange Zeit als die Reinkarnation des ebendiesen Azor Ahais.
Zuvor war es aber Rhaegar selbst, der nicht sich, sondern seinen erstgeborenen Sohn für die Wiedergeburt Azor Ahais gehalten hatte. Schliesslich soll ein Komet über King’s Landing gesehen worden sein, als dieser zur Welt gekommen ist – der blutende Stern aus der Prophezeiung. Dementsprechend gab er ihm den Namen des ersten Targaryens auf Westeros’ Festland.
Rhaegar und sein Sohn Aegon fanden in Robert Baratheons Rebellion den Tod. Aber wenn Rhaegar von der Prophezeiung wusste, dann ist es nur logisch, dass auch seine Targaryen-Vorfahren davon wussten – bis hin zu Aegon dem I. Und dass Aegon der I. die Prophezeiung nicht aus den alten Büchern Asshais, sondern aus einem Traum kennt. Das ist eine kreative Entscheidung, die nicht vom Drehbuchautor Ryan Condal stammt, sondern von George R. R. Martin selbst. Und der ist – wie gesagt – bei der Entstehung von «House of the Dragon» wieder deutlich mehr eingespannt als beim Finale von «Game of Thrones».
An ein Dragon… pardon, Easter Egg glaube ich darum nicht.
Luca Fontana
Senior Editor
Luca.Fontana@digitecgalaxus.chAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»