Huawei in Barcelona: Faltbares Smartphone, Laptops und ein neues Tablet
Huawei überrascht. Zusätzlich zum erwarteten Mate Xs und den neuen Laptops zeigt der Konzern ein neues Android-Tablet.
Der MWC 2020 findet nicht statt. Daher hat Huawei nach Zürich eingeladen, wo ein kleiner lokaler Event abgehalten wird.
Der Product Launch, der live on tape – also an einem früheren Zeitpunkt live aufgezeichnet – übermittelt wird, steht unter dem Motto «Together 2020». Damit meint Speaker Andrew Garrihy, Global Chief Brand Officer Huaweis, nicht irgendein vages Gefühl der marketing-sprachigen Community, sondern die Schließung der Lücken im persönlichen Ökosystem der Nutzer. Die Grenze zwischen PC, Smartphone, Smart Screen und allen anderen Geräten soll verschwimmen oder gar ganz verschwinden.
Richard Yu, CEO Huawei Consumer Business Group, betritt die Bühne. Der Mann radebrecht charmant-frech vor sich hin. Ihm fehlt klar das Publikum, das merke ich nach wenigen Worten – denn Richard feiert sich und seine Produkte gerne an solchen Events. Nicht heute, denn das Coronavirus stiehlt ihm die Show. Er sei in Barcelona, sagt er. Spielt keine Rolle. Live Streams kommen von überallher.
Trump kann keinen Schaden anrichten
Yu spricht die Business-Zahlen Huaweis an. Sie seien in den Top 2 der globalen Marken in Punkto Smartphones und das Geschäft macht trotz Wirtschaftskrieg keine Anstalten, schlechter zu werden. Im Gegenteil: Das Wachstum hält an.
Trotzdem: Huawei sieht sich nach wie vor in der ungünstigen Rolle, dass sie ein Spielball im Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China sind. US-Unternehmen ist es seit Mai 2019 verboten, mit Huawei Geschäfte zu machen. Darunter: Google. So werde die Arbeit mit Android für Huawei, einem Konzern, der gerne ganz vorne mitspielt, unmöglich. Die Integration der Google Mobile Services ist nicht möglich, auch wenn Huawei noch mit Android selbst arbeiten kann. Eine freie Version Androids steht allen zum Download und zur Veränderung bereit.
Diese Situation spricht Richard Yu nicht wirklich an, sondern täuscht elegant drüber hinweg, dass aktuelle Huawei Phones nicht mehr mit den Google Mobile Services ausgeliefert werden. Diese können aber – auf eigene Gefahr – nachgerüstet werden. Nur am Ende der Keynote kommt etwas, das narrativ als Seitenhieb aufgebaut wird. Doch das verpufft dann auch in «HMS Core ist ein neues Produkt als Alternative zu Google». Kein politisches Statement, keine konkrete Richtungsangabe, aber viel Subtext.
Das Mate Xs 5G hat 8 Zoll Bilddiagonale
Richard Yu wird vom CEO zum Nerd, sobald er über Smartphones spricht. Er zückt das neue Huawei Mate Xs 5G. Es hat eine Bildschirmdiagonale von 8 Inches. Das Phone faltet mit dem Screen nach außen, was das Display allerlei Umweltfaktoren aussetzt. Daher ist das Mate Xs doppelt foliert.
Das Phone kann nicht aus Versehen aufklappen. Denn damit das Scharnier sich nicht ausleiert, ist es mit einem Riegel arretiert, wenn es zusammengeklappt ist. Dann misst es noch knapp über 6" diagonal. Am Rand aber ist ein Quad Camera Setup, inklusive Time of Flight Camera, die den Fokus schneller und verlässlicher setzt.
Auf den Kirin 990 5G ist Richard offensichtlich stolz. Er sei 14 Prozent kleiner als der Snapdragon 865, performe wesentlich besser in den Bereichen AI und 5G. Der Kirin 990 spreche mehr 5G-Frequenzbänder an, was den Empfang besser machen soll.
Mit dem Mate Xs ist Huawei im Zwang, ihre Software so zu optimieren, dass komplexere Vorgänge und Multitasking möglich sind. Dass zwei Apps nebeneinander angeordnet sein können, ist nicht neu. Aber eine dritte App kann in einem Fenster darübergelegt werden. Wenn du ein Bild in ein Messenger-Fenster ziehst, dann wird das Bild automatisch an den Kontakt geschickt.
Kostenpunkt international: 2499 Euro. Autsch.
Das MatePad Pro 5G ist ein Tablet, das existiert
Tablets, vor allem jene auf Android, haben einen schweren Stand. Zyniker und Kritiker verschreien Android-Tablets als nutzlos, schlecht maintained und oft einfach nur existent, damit irgendwas dem Platzhirschen iPad Konkurrenz machen kann. Oder soll. Oder einfach nur, damit irgendein Shareholder zufriedengestellt ist und sagen kann «Doch, doch, das Tablet – das ist uns wichtig», bevor er vergisst, dass es etwas außer das iPad gibt.
Huawei wagt den Tablet-Schritt. Mit vier Lautsprechern, einem Dual Camera Setup und einer Bildschirmdiagonale von 10.8 Zoll ist das MatePad Pro recht nett anzusehen. Anders als andere Android-Hersteller wie Samsung spart Huawei nicht. Da ist ein Kirin 990 5G verbaut und kann mit 40 Watt Supercharging geladen werden, 27 Watt wireless.
Auch hier wird die Lücke geschlossen. Ähnlich wie du auf deinem iPad siehst, wenn dich jemand auf deinem iPhone anruft, kannst du dein MatePad und dein Huawei Smartphone verbinden. Der Rest der Features, die Tastatur, der Pen, der anpassbare Bildschirmwinkel… das kennen wir vom iPad.
Außer, dass das MatePad nebst schwarz und weiß auch in orangem und blauem veganem Leder ausgeliefert wird. Ja, liebe Veganer, ihr könnt maulen, dass Leder per Default nicht vegan ist. Ich weiß das, ihr wisst das, Richard Yu weiß das, aber «Polymer in naturähnlicher Haptik» rollt nicht ganz so gut von der Zunge. Daher bitte ich um Verzeihung.
Das Matepad kostet ab 549 Euro aufwärts bis etwa 700 Euro.
Matebook X Pro, D 14 und D 15: Windows und Android nahtloser als auch schon
Das Matebook X Pro, Huaweis neues Flaggschiff-Laptop, ist ultra-slim und hat eine Webcam neben dem F5-Knopf, die im Gehäuse versenkt werden kann. Die Auflösung des Matebook X Pro liegt bei 3000×2000 Pixeln auf einem Touchscreen. Darunter schlummert ein Intel Core i7 10th Gen in einem Metall-Unibody. Es kommt in grau, grün und silber.
Besonders ist dabei das Huawei Share Feature. Es sendet Bilder vom Smartphone nahtlos an den Laptop und erlaubt es dir, aus Windows dein Smartphone fernzusteuern. Sonst nimmt sich Richard Yu nur wenig Zeit für das Gerät. Er ist bekannt dafür, ein Smartphone-Nerd zu sein und kann darüber auf der Bühne ewig reden. Alle drei neuen Huawei-Laptops findet er zwar lässig, aber kann sich nicht so ins Thema reinknien wie bei Smartphones. Sogar das 15.6 Zoll diagonale Matebook D 15, das grössere Geschwister des D 14, mag ihn nicht so recht begeistern – trotz AMD Ryzen 7 GPU und einem komplett neu durchdachten Lüftungskonzept.
Das Matebook setzt auf ein Shark Fin Fan Design, was den Luftfluss um einen Drittel erhöhen soll und damit die Kühlung effizient gestaltet. Oh, und da ist ein USB 3.0 Port.
Wenn du aus einem mir komplett nicht nachvollziehbaren Grund am Macbook Anschlüsse vermisst, dann wirst du beim Matebook D fündig. Denn auf diese Leute zielt das Matebook ab: Apple-Fans oder solche, die die Haptik des Macbooks mögen, aber Windows auch. Ports sind zumindest dann da, wenn du einen USB-3.0-Anschluss und einen HDMI Port willst. Das Macbook hat nämlich nur noch USB-C Ports und einen Headphone Jack.
Alle Laptops unterstützen den neuen WiFi-Standard WiFi 6+. WiFi 6 hiess einst WiFi 802.11 ax, ist jetzt aber aus Benutzerfreundlichkeit zu WiFi 6 umbenannt worden. Es ist schneller, dynamischer und grundsätzlich das, was du in einem Laptop willst.
Apropos Google
Ganz um den Wirtschaftskrieg kommt Richard Yu dann doch nicht herum. Er wirbt für die Huawei App Gallery, die nach wie vor recht China-lastig ist. Aber er spricht davon, dass sie ein ernster Konkurrent zu Googles Play Store und Apples App Store ist. Das ist zumindest theoretisch möglich, aber noch etwas weit entfernt.
Die Lokalisierung der Apps schreitet voran, aber es fehlen nach wie vor Schlüssel-Apps.
Dann sind da noch die Quick Apps, Huaweis Version von Apps, die nicht installiert werden müssen. Im Wesentlichen sind das, wenn ich das recht verstanden habe, Progressive Web Apps, die einfach per Verknüpfung auf deinem Homescreen landen.
Zum Glück! Endlich! Huawei hat sich mit Cewe auf eine Partnerschaft eingelassen. Jetzt kannst du deine Fotobücher, die laut Redaktor Simon Balissat so aussehen, als ob sie von einer Frau Mitte 40 inmitten der Scheidung und Selbstfindungsphase gestaltet wurden, direkt auf deinem Phone erstellen.
Zudem investiert Huawei eine Milliarde US Dollar ins App Development. Und dann ist Geld in die Entwicklung eines Werbespots für die App Gallery geflossen. Schön.
Im grösseren Kontext der Welt der Elektronik ist Huawei nach wie vor das wohl spannendste Unternehmen, das derzeit existiert. Denn die politischen Spannungen könnten Huawei in die Knie zwingen. Aber der Konzern ist groß genug, um das Ganze zu überstehen. Und hat ausreichend Ressourcen, um Alternativen zu entwickeln, die auch umgehend die Verbreitung finden, um bleiben zu können. Es ist alles möglich, von Pleite bis ernstzunehmender Konkurrenz.
Es bleibt also spannend.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.