Hintergrund

HubblePhone: Ich glaube es, wenn ich es in den Händen halte

Das finnische Unternehmen Turing Space Industries hat ein Phone für 2020 angekündigt, das mindestens den Markt revolutionieren soll. Dennoch: Szenebeobachter bezweifeln, dass das Phone je auf den Markt kommt. Es zeigt aber: Ideen sind auf dem Smartphonemarkt nach wie vor zu finden.

Dir ist ein Notch nicht genug? Wie wäre es mit vier?

«Niemals», höre ich dich schon denken, da ich Leute denken hören kann.

Moment aber schnell. Denn die vier Notches sind interessant. Wenn auch mehr als Kuriosum denn als wirkliches Produkt, das du dir in die Hosentasche stecken kannst. Schauen wir uns das HubblePhone an. Denn auch wenn das Phone höchstwahrscheinlich nie auf den Markt kommt, lohnt sich der Blick auf ein Design, das funktional wirkt und so gar nicht ins gängige Bild eines Phones passt.

Alles Bildschirm, aber mit Notches

Das HubblePhone, nach aktuellem Stand dereinst hergestellt von Turing Space Industries, ist ein Phone, das vieles neu macht. Es ist ambitioniert und macht vor allem eines: Es bricht mit dem Formfaktor des Rechtecks mit abgerundeten Ecken.

Das Flip Phone kehrt zurück
Das Flip Phone kehrt zurück
Quelle: hubblephone.com

Das HubblePhone – benannt nach dem Astronomen Edwin Hubble – ist ein Flip Phone, hat also eine Klappe. Der Bildschirm des Phones ist auf beiden Seiten faltbar, was innen und aussen Platz für Bildschirme erlaubt. Die Parts, die kein Bildschirm sind, sollen aus «Flüssigmetal / Titan-Aluminid-Weltraum-Metall-Struktur» bestehen. Weltraum-Metall.

Die Kamera, im Scharnier des Phones verbaut, liefert 60 Megapixel. Die ganzen Selfie Cams im Phone sowie die Mikrofone und Lautsprecher sind dann für die ganzen Notches verantwortlich. Turing Space Industries hofft offensichtlich darauf, dass die faltbaren Bildschirme – beim HubblePhone «Decks» genannt – über die ganzen Einbuchtungen hinwegtäuschen. Denn die Notches sind prominent. Zwei Notches pro Deck, also innen und aussen je zwei Notches.

Sowohl Aussen- wie auch Innenseite ist randloser Bildschirm
Sowohl Aussen- wie auch Innenseite ist randloser Bildschirm
Quelle: hubblephone.com
Huawei P20 Pro (128 GB, Black, 6.10", Dual SIM, 40 Mpx, 4G)
Smartphone

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Unter der Haube wird, oder soll, das HubblePhone laut Werbetextli des Herstellers mindestens den Markt revolutionieren, wenn nicht gleich die Welt. Mit echten technologischen Details hält sich Turing Space Industries etwas zurück, schwafelt aber viel Marketingblabla.

An der Seite findest du ein Scroll Wheel und einen frei programmierbaren Knopf
An der Seite findest du ein Scroll Wheel und einen frei programmierbaren Knopf
Quelle: hubblephone.com
HubblePhone utilizes an emotional machine-intelligence chip to provide a next-gen mobile gaming experience. The added computation, multi-screens, and advanced camera features create a new dimension in mobile gaming by integrating AR, VR, MR, XR and AfR technologies into a cohesive experience.
HubblePhone.com

Übersetzung: Das HubblePhone nutzt einen Chip, der emotionale Maschinenintelligenz nutzt, um ein Next-Gen-Gaming-Erlebnis zu bieten. Die Rechenleistung, Multi-Screens und fortgeschrittenen Kamera-Features schaffen eine neue Dimension im mobilen Gaming, da sie AR, VR, MR, XR und AfR zu einem kohäsiven Erlebnis verbinden.

Etwas Glossar:

  • AR: Augmented Reality, die «verbesserte Realität». Mit der Smartphone-Kamera wird die Realität abgebildet und das Programm auf dem Phone stellt virtuelle Objekte im echten Raum dar.
  • VR: Virtual Reality. Das Phone simuliert eine ganze Realität auf dem Bildschirm oder in einer VR-Brille
  • MR: Mixed Reality. Das kannst du dir als der Realität überlagerte virtuelle Objekte vorstellen. Ein Mechaniker, der an einem Motor arbeitet und gleichzeitig den Bauplan des Motors am Objekt selbst dargestellt bekommt
  • XR: Extended Reality. Sammelbegriff für AR, VR und MR
  • AfR: Augmented fucking Reality? Was weiss ich? Nie gehört.
Das HubblePhone soll so ziemlich alles können
Das HubblePhone soll so ziemlich alles können
Quelle: hubblephone.com

Dazu 5G und so ziemlich alles, wovon du in einem Smartphone träumst. Sprich: Egal, was du von einem Phone willst, das HubblePhone übertrifft die Erwartungen.

Der Launch ist auf den 31. Juli 2020 angekündigt.

Warum du das HubblePhone wahrscheinlich nie haben wirst

Das grosse Problem mit dem Phone, abseits der utopischen und fast schon unsinnig anmutenden Specs, ist der Hersteller. Turing Space Industries hiess einst mal Turing Robotics und hat das Turing Phone auf den Markt gebracht. Oder auch nicht.

Ein Bildschirm des HubblePhones ist frei drehbar
Ein Bildschirm des HubblePhones ist frei drehbar
Quelle: hubblephone.com

Turing Robotics hat das Turing Phone gross angekündigt. Liquidmorphium-Oberfläche und so weiter. Angeblich seien mehrere Lieferungen an Kunden rausgegangen zu einem recht okayen Preis. Ein Mann aus Macau berichtet, dass er sein Phone erhalten habe, hat irgendwo in den Tiefen des Internets sogar Bilder davon gepostet. Die Kollegen von Android Authority hatten auch schon eines in der Hand. Aber sonst: Das Turing Phone ist nie breit erschienen.

Dabei hat die Vorankündigung des Turing Phones ganz ähnlich geklungen wie die des HubblePhone. Hammer-Specs, Kampfpreis, aufregendes Design. Dann ging Turing Robotics aber pleite und hat jetzt scheinbar wieder irgendwo Geld gefunden und sich zu Turing Space Industries umbenannt. Hergestellt werden die Phones in Finnland und geliefert irgendwie nie.

Warum solche Designs trotzdem notwendig sind

Am Ende bleibt aber ein Konzept, das unter Umständen funktionieren könnte. Selbst wenn das HubblePhone nie in Wirklichkeit existieren wird, klingt die Idee gut oder zumindest höchst interessant. Die Industrie ist zu lange auf dem Faktor «Rechteck mit abgerundeten Ecken» herumgehockt und das Design ist offensichtlich an seinen Grenzen. Der Trend geht zu mehr und mehr Bildschirm, schmaleren Rändern und besseren Kameras. Dass da einige Widersprüche in den Ansprüchen und Wünschen sind, ist offensichtlich.

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Trotz all diesen Wünschen und Ansprüchen sind Hersteller nach wie vor nicht direkt versucht, das Design grundsätzlich zu ändern. Erste Ansätze sind im Vivo Nex und seinen Geschwistern zu sehen, die die Kamera im Gehäuse versenken. Ist das der Weisheit letzter Schluss? Wahrscheinlich nicht, aber es zeugt von Mut und Erfindergeist, dass solche Geräte ihren Weg auf den Markt finden.

Diese Geräte brechen, wenn auch nur so bitzli, mit dem Rechteck mit abgerundeten Ecken, versuchen, Notches zu vermeiden und zeigen, dass die Hardware noch nicht in Stein gemeisselt wurde. Sie machen die Szene wieder etwas spannender und geben sich nicht mit dem üblichen «grösserer Bildschirm, dünner, schneller, leichter» zufrieden.

Das ist gut so.

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