«Ich will 3D-gedruckte Mode tragbar machen»
Die Designerin Julia Koerner ist auf 3D-Drucke spezialisiert. Im Interview mit Galaxus spricht die Österreicherin über den Status quo und die Zukunft von Fashion aus dem 3D-Drucker.
Julia Koerner ist Expertin in digitalen Design-Methoden. Die in Los Angeles und Salzburg lebende Designerin hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf 3D-Drucke spezialisiert und designt nebst aufwendigen Hollywood-Kostümen auch Haute-Couture-Kreationen für Modehäuser wie Chanel und Iris van Herpen.
Werden wir künftig unsere Alltagskleidung ganz einfach per Knopfdruck printen? Galaxus hat bei Julia nachgefragt.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Sachen 3D-Druck und Mode getan?
Julia Körner, Designerin: 2013 habe ich mit Iris van Herpen und Materialise das erste flexible, 3D-gedruckte Kleid für die Pariser Haute-Couture-Schauen gedruckt. Die 3D-Druck-Materialien haben sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Heute ist es erstmals möglich, mehrfarbig und direkt auf Textilien zu drucken. Diese neue Technologie führt 3D-Druck in Bezug auf Tragbarkeit, Funktionalität und Farbästhetik in eine neue Dimension. Indem ein Stoff die Haut berührt, schafft der darauf applizierte 3D-Druck eine dreidimensionale Ästhetik. Die visuellen Effekte, die für eine gewisse Lebendigkeit sorgen, siehst du in diesem Video ganz gut.
Welches Verfahren nutzt du für deine Kreationen?
Ich entwickle meine Designs am Computer und arbeite dabei mit unterschiedlicher Software, um diese digital in 3D zu entwickeln. Die Masse einer Person nehme ich mit einem 3D-Körperscanner.
Für meine 3D-Drucke arbeite ich hauptsächlich mit drei Technologien: Fused Deposition Modelling (Schmelzschichtung) mit biologisch abbaubarem Polylactid (PLA), das Polyjet-Verfahren (bei der tausende Polymer-Tröpfchen durch einen Lichtblitz verfestigt werden) und Selective Laser Sinthering (Pulverdruckverfahren). Bei letzterer Technologie ist das Material besonders elastisch. Durch das Design filigraner Netzstrukturen erinnert es zudem an Textilien.
Hast du Beispiele?
Bei der «Setae»-Jacke ist es meinem Team und mir mit dem 3D-Drucksystem «Stratasys J750TM» erstmals gelungen, direkt auf Stoff, genauer gesagt Denim, zu drucken. Bis zu diesem Zeitpunkt war es nur möglich, Kleidungsstücke entweder vollständig zu printen oder nach dem Druck zusammenzusetzen.
Für meine Kollektion «Arid», die Teil des von der Europäischen Union geförderten Re-Fream-Forschungsprojekts ist, habe ich ein spezielles Verbindungssystem entwickelt. Es ermöglicht mir, 3D-bedruckte Stoffelemente ohne Nadel und Faden zusammenzusetzen. Diese direkt auf den Stoff gedruckten Druckknöpfe eröffnen mir völlig neue Möglichkeiten beim Designprozess von Kleidungsstücken. Statt eines Kleides kauft man künftig Stoff, den man nach Belieben zu einem Rock oder einer Jacke verknüpfen kann.
Wie entsteht ein Kleidungsstück aus dem 3D-Drucker?
Für meine Arbeit lasse ich mich häufig von der Natur inspirieren. Mit meinem Smartphone 3D-scanne ich die Strukturen von Schwämmen oder Algen und verwende sie als Inspirationsquelle. Anschliessend versuche ich diese Ästhetik am Computer greifbar zu machen. Um die Kleider schliesslich in 3D zu entwickeln, verwende ich entweder digitalisierte Modepuppen oder einen Körperscan. Die digitale Gestaltung eines Kleidungsstücks ist ein zeitintensiver Prozess, weil das Design nicht automatisch vom Computer generiert wird, sondern mit der Maus Stück für Stück von mir kreiert wird.
Danach drucke ich die digitalen Daten entweder auf meinen Druckern oder ich schicke sie an 3D-Druckfirmen. Das Drucken dauert je nach Technologie einige Stunden oder mehrere Tage. Je nach Objekt kommt der Druck am Stück oder in Einzelteilen, die noch zusammengenäht werden müssen.
Deine skulpturartigen Kostüme wirken noch etwas steif. Werden wir eines Tages dazu in der Lage sein, tragbare Alltagsmode mit dem 3D-Drucker auszudrucken?
Heute ist es möglich, direkt auf Stoff zu drucken. Das macht 3D-Kleidungsstücke viel angenehmer zu tragen. In puncto Alltagsmode stellt weniger die Tragbarkeit eine Hürde dar, sondern die aufwendige Herstellung und die damit verbundenen Kosten. Indem bei einem Kostüm der Anteil an 3D-Druck reduziert und mit Textilien wie Denim oder Leder kombiniert wird, senke ich die Kosten.
Wie sieht die Zukunft von Mode aus dem 3D-Drucker aus?
Die 3D-Technologie ermöglicht mir, meine Entwürfe direkt an einen Körper anzupassen. Dadurch verlieren Kleidergrössen wie 36, 38 und 40 an Bedeutung. Ich designe drauf los und passe die Parameter meiner digitalen Files nachträglich an, damit der Entwurf später meiner Kundin passt. Ein weiterer Vorteil digitaler Designs ist, dass ich sie weltweit verschicken und vor Ort drucken kann. Dadurch entfallen die Versandkosten und die Produktion ist nachhaltiger.
Ich sehe die Zukunft in der Möglichkeit, auf 100 Prozent organischer Hanffaser oder mit nachhaltigen Materialien wie biologisch abbaubarem PLA oder Bio-Harz zu drucken. Ausserdem verwende ich beim Additiven-Druckverfahren nur so viel Material, wie fürs Design nötig ist. So reduziere ich Materialüberschuss. Auch Made-to-Order ist ein Thema. Sprich: Ich drucke ein Design erst dann aus, wenn es von einem Kunden bestellt wird. Auf diese Weise erschliessen sich viele Möglichkeiten, um in der Modebranche neue und nachhaltige Produktionswege zu entwickeln.
Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.