«Indiana Jones» kehrt mit Ego-Perspektive zurück – ähm, yay?
Mit «Indiana Jones and the Great Circle» kommt 2024 endlich wieder ein neues Spiel vom Mann mit Fedorahut und Peitsche. Dahinter steckt «Wolfenstein»-Entwickler MachineGames. Eine ungewöhnliche Wahl, die trotzdem wie Indys Faust aufs Nazi-Auge passen könnte.
Indiana Jones ist zurück! MachineGames, das Studio hinter der modernen «Wolfenstein»-Reihe, spendiert dem alten Archäologen nach Jahren der Entwicklung ein neues Abenteuer. Noch dieses Jahr soll es auf PC, Xbox und via Game Pass erscheinen. Wann genau, ist allerdings nicht bekannt.
Gezeigt wurde der Trailer gestern während des Developer Direct Livestreams, das ich zusammen mit den Kollegen Phil und Domi live kommentiert habe. Unsere ersten Reaktionen: irgendwo zwischen misstrauisch, enttäuscht und vorsichtig optimistisch. Heute, eine Nacht später, habe ich mir eine klarere Meinung gebildet.
Erste Reaktionen: misstrauisch und enttäuscht
Auf den ersten Blick wirkt die Wahl des schwedischen Entwicklerstudios etwas seltsam. Das actionreiche Nazi-Shooter-Abenteuer aus der Ego-Perspektive scheint nicht viel mit dem kultigen, rennenden, springenden und rätsellösenden Fedora-Hutträger gemein zu haben. Ausser natürlich den Nazis. Todd Howard, Executive Producer und zuletzt für sein Game «Starfield» bekannt, will davon nichts wissen.
«Ich hatte schon vor Jahren diese Idee, was die Story wäre, das Gameplay, der Lebensabschnitt Indys und wonach er jage», erklärt Howard im ausführlichen, 13 Minuten langen Behind-the Scenes-Video, «und ich fragte mich immer, wer wäre das beste Studio der Welt, um diese Vision umzusetzen? Nun, es waren meine Freunde bei MachineGames.»
Jerk Gustafsson, Game Director, schlägt in dieselbe Kerbe und macht gleich zu Beginn klar, dass es sich bei ihrem Indiana-Jones-Game auch wirklich um ein waschechtes MachineGames-Spiel handelt. «Ihr werdet nicht nur Indiana Jones spielen», sagt er bedeutungsschwanger, «ihr werdet Indiana Jones sein». Und dann fügt er genau das an, was ich befürchtete: «Ihr werdet alles durch seine Augen sehen!»
Ego-Perspektive.
«Warum so enttäuscht?», frage ich mich selbst. Erstens mag ich keine Spiele aus der Ego-Perspektive. Ausser, es handelt sich wirklich um einen Ego-Shooter. So wie die «Wolfenstein»-Reihe halt. Indiana Jones ist in seinen Filmen zwar nicht gerade dafür bekannt, mit seinen Gegnern zimperlich umzugehen. Etwa 50 Menschen bringt er pro Film um. Er ist aber auch kein Revolver-Held, der sich reihenweise durch die Gegner ballert. Indy setzt meist auf seine Schlagfertigkeit und Peitsche. Nur ganz selten packt er die Pistole aus. Ist MachineGames wirklich das richtige Studio dafür?
Wehmütig denke ich an Naughty Dogs «Uncharted» oder Eidos’ «Tomb Raider». Zwei Studios, die sich in ihren Spielen ganz offenkundig von «Indiana Jones» inspirieren liessen. Wären sie gerade deswegen nicht deutlich besser für ein «Indiana Jones»-Spiel geeignet gewesen – als 3rd-Person-Adventure-Spiel?
Meine anfängliche Vorfreude wird gedämpft. Wandelt sich zu leichter Enttäuschung. Dann aber beginnen die Argumente Howards und Gustafssons langsam zu fruchten. Und je öfters ich mir den Trailer anschaue, desto mehr beginne ich, Howards Vision zu verstehen.
Zweite Reaktion: doch nicht so übel
Schon mal ganz wichtig: Auch in den von MachineGames gezeigten Gameplay-Szenen setzt Indy kaum auf seine Pistole. Die Macherinnen und Macher versprechen stattdessen, dass uns stets die Wahl bleibt, wie wir unsere Gegner ausschalten wollen. Ganz wichtiges Werkzeug dabei: die Peitsche. Ob als Ablenkungsmanöver oder Waffe, um dem Gegner Schaden zuzufügen oder einfach nur ins Straucheln zu bringen – uns bleibt die Wahl.
Das zweite wichtige Element: die Rätsel. Im Gameplay-Video sehen wir, wie Indy aus der Ego-Perspektive uralte Ruinen erkundet, Moos von den Wänden wischt und Zahnräder einsetzt, um komplexe Mechanismen auszulösen – nur um dabei selbst beinahe in eine tödliche Falle zu geraten.
Denke ich an die eher hanebüchenen Rätsel aus «Uncharted», eingeschränkt durch das Gameplay aus der 3rd-Person-Perspektive, sehe ich ein, warum hier die Ego-Perspektive Sinn macht. Überhaupt: Naughty Dog schmeisst mir zwischen den packend inszenierten Kletterpassagen immer wieder nur Horden von stupiden Gegnern an den Kopf. Die niete ich dann einfach mit Maschinengewehr und Granatwerfer um. Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger sicher bin ich, ob «Uncharted» wirklich ein gutes Vorbild für ein gelungenes «Indiana Jones»-Spiel ist.
Howards Vision von «Indiana Jones» hingegen erinnert mich stark an «Riddick: Escape from Butcher Bay». Das kam 2004 heraus, wurde von Vivendi Universal Games entwickelt und ist bis heute eines meiner Lieblingsspiele. Vivendi lieferte damals eine packende Stealth-Story ab, zwar gespielt aus der Ego-Perspektive Riddicks, aber gerade in Zwischensequenzen unheimlich cineastisch und aus der 3rd-Person-Perspektive erzählt. Howards «Indiana Jones» scheint nach genau demselben Muster vorzugehen und hat dieselben cineastischen Zwischensequenzen – wie die «Wolfenstein»-Spiele.
Hm. Plötzlich macht MachineGames als Entwickler wieder mehr Sinn.
Gerade, wenn ich den Trailer oben gucke. Da spüre ich, dass die Leute bei MachineGames den Witz und Humor von Indiana Jones verstanden haben. Sein Draufgängertum. Aber auch seine Tollpatschigkeit. Seine Unbeholfenheit. Wir lieben Indy, weil er kein unkaputtbarer Held à la James Bond ist, der alles kann und dem alles problemlos gelingt. Auch wenn Indy zum Schluss irgendwie doch durchkommt, ohne auch nur ein bisschen von seiner Coolness einzubüssen. Vielleicht gerade wegen seiner irren Stunts, die ihren Weg aus den Filmen in den Motion-Capturing-Hallen MachineGames gefunden haben. Das macht den Mann mit Peitsche und Fedorahut aus.
Ausblick: Hoffnung und Mut
Na gut. Die Grafik im Trailer schreit zwar nicht gerade so laut nach «Next-Gen», wie es etwa das absolut umwerfende und gestern ebenfalls gezeigte Material zu «Senua's Saga: Hellblade 2» tut. Das war mal Material, das mich mal wirklich geflasht hat. Aber die erste Enttäuschung, dass «Indiana Jones and the Great Circle», so der volle Name, aus der Ego-Perspektive gespielt wird, habe ich verdaut.
Mittlerweile denke ich sogar, dass ein Indy-3rd-Person-Adventure-Spiel zu sehr wie ein «Uncharted»- oder «Tomb Raider»-Klon gewirkt hätte. Was ironisch ist, weil eigentlich «Indiana Jones» das geistige Vorbild von Naughty Dogs und Eidos Spielen ist. Apropos: Gespielt und gesprochen wird Indy nicht von Harrison Ford, sondern von Troy Baker. Er spielte bereits in Naughty Dogs «The Last of Us» den Hauptcharakter Joel. MachineGames packt indes die Gelegenheit beim Schopf, ein «Indiana Jones»-Spiel zu machen, das sich deutlich vom bereits abgegrasten 3rd-Person-Adventure-Genre unterscheidet.
Aufs Rätseln und Erkunden mystischer und uralter Ruinen freue ich mich jetzt schon. Die Schauplätze gehen von antiken Grossstädten wie Rom über die Dschungel Sukhotais und Wüsten Ägyptens bis hin in die verschneiten Gebirge des Himalayas. Und dazu will Komponist Gordy Haab die Essenz dessen eingefangen haben, was schon John Williams unverkennbare «Indiana Jones»-Musik ausmachte. Keine schlechte Wahl: Haab schrieb auch die Musik der beiden «Star Wars Jedi»-Spiele. Und wer auch die Musik zu den «Star Wars»-Filmen schrieb, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
Was denkt ihr, ist MachineGames die richtige Wahl für ein «Indiana Jones»-Spiel? Oder hat die Ego-Perspektive euren Enthusiasmus komplett gekillt? Schreibt’s in die Kommentare.
Titelfoto: MachineGamesAbenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»