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iPhone 12 Pro Max Review: Top 4, Flop 3 und sonst noch Zeugs
Das iPhone 12 Pro Max ist ein iPhone. Daher ist es sicher nicht schlecht. Doch es hat klare Stärken und Schwächen. Zudem: Räumen wir mit Nonsense-Diskussionen auf.
Seit seinem Launch ist das iPhone 12 Pro Max mein Langzeittestgerät. Zwischendrin mal andere Phones, aber zum iPhone komme ich immer wieder zurück. Und das gerne. Denn das iPhone 12 ist ein Phone, das Apple gelungen ist. Gut, was will ich da sonst sagen? Wenn Apple ein Gerät auf den Markt bringt, dann funktioniert das gut. Egal, ob du Apple magst oder nicht, aus welchen Gründen auch immer; ihrer Technologie kannst du nichts vormachen.
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Damit nun nicht eine sinnbefreite Lobhudelei auf das iPhone mit Sätzen wie «Die Kamera spielt im oberen Segment mit» folgt, habe ich mir überlegt, dass ich auf Top und Flop zurückgreife. Also die besten drei Aspekte des Phones und die schlimmsten beleuchte.

Top: Die Kanten
Das iPhone 12 hat Ecken und Kanten. Der Bildschirm ist flach, hat links und rechts Rand, oben einen Notch und unten ein bisschen Kinn. So weit, so bekannt. Neu aber sind die flachen Kanten an der Seite. Wo sie beim iPhone 11 Pro Max noch abgerundet waren, hat Apple sich auf die Vergangenheit besonnen und die flachen Seiten zurückgebracht.
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«So ein Brunz», magst du dir denken, «Marken wie Essential haben das schon vor Jahren gemacht. Das ist nicht neu.» Stimmt. Aber es war damals schon gut und ist es immer noch. Oder wieder? Der Trümmer iPhone – das Pro Max ist mit seiner Bildschirmdiagonale von 6,7 Zoll ziemlich gross ausgefallen – liegt stabil und gut in der Hand und ich habe nie das Gefühl, dass es mir davonrutscht oder aus der Hand kippt.
Flop: Die «Zurück»-Geste
Apple iOS heisst das Betriebssystem, das auf iPhones läuft. Und nur auf iPhones. iPads hatten es auch mal, aber daraus ist vor einiger Zeit ein Ableger namens iPadOS geworden. iOS kannst du, wie auch die Konkurrenz drüben bei Android, mit Gesten steuern. Wenn du von unten nach oben wischst, dann schliesst sich die App. Wenn du von unten nach oben wischst und den Finger auf dem Screen lässt, dann siehst du alle offenen Apps.
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Und wenn du vom linken Bildschirmrand her in die Mitte wischst, dann gibst du dem Phone den Befehl «Zurück». Also eine Seite zurück im Browser oder in den Einstellungen eine Ebene nach oben.
Nur ist diese Geste komplett kaputt.
Du musst mit deinem Finger ganz an den linken Rand des Screens gehen und bis etwa in die Mitte des Screens ziehen. Wehe, du bist nicht ganz am Rand, denn dann macht das iPhone gar nichts oder etwas völlig anderes. Zudem ist es schwierig, die Geste ganz auszuführen, denn du musst von ganz am Rand bis ganz in die Mitte swipen. Das ist bei einem Bildschirm der Breite des iPhone 12 Pro Max schwierig und ein recht langer Prozess.
Drüben bei Android ist die Geste locker-flockig, kann – je nach Hersteller – fast in der Mitte des Screens begonnen werden und das Phone reagiert auf schon kürzeste Bewegungen. Das Resultat ist schnelle Navigation, ein effortloses und leichtes Benutzererlebnis.
Genau wie der Rest auf dem iPhone. «App schliessen» geht fix und flockig. «Alle Apps anzeigen» auch. Nur «Zurück» ist schwerfällig und klobig. Lustigerweise ist die Geste auf dem iPhone SE gerade noch bequem machbar, was mich darauf schliessen lässt, dass Apple schlicht keine Lust hatte, den grösseren Bildschirm softwareseitig für menschliche Hände anzupassen. Oder es vergessen hat. Hoffentlich wird das bald als besonderes Feature nachgereicht.
Als Folge drücke ich die Schaltfläche «Zurück» auf dem iPhone, die meist oben links am Bildschirm ist. Genau da wo mein Daumen als Rechtshänder nie ist. Sprich: Ich pfote ständig mit zwei Händen an meinem iPhone 12 Pro Max herum und sehne mich nach der einhändigen Einfachheit eines Android-Phones oder dem Kompromiss des iPhone SE.
Top: Sound
Es reden immer alle über die Kamera und den Bildschirm. Megapixel sind ein Thema, genau wie Pixeldichten, Diagonalen und Sensoren. Niemand aber redet über den Sound eines Phones, sprich die eingebauten Boxen.
Die sind beim iPhone sehr gut gelungen. Es ist nicht nur so, dass die Lautsprecher laut sein können – das geht bei vielen anderen auch – aber der Klang der Musik verliert nie an Qualität, Bass oder Fülle. Nie scheppern die Speaker oben und unten am iPhone oder überdrehen.
Ich höre Podcasts und freue mich über die glasklaren Stimmen. Ich höre Musik beim Kochen und kann immer noch mitträllern wenn Tones and I über tanzende Affen singt.
Das ist übrigens ihre echte Stimme.
Flop: Kratzer
Beim iPhone 12 Pro Max fehlt über dem Amoled-Screen das Gorilla Glass aus dem Hause Corning. Das iPhone 12 Pro Max hat dafür Ceramic Shield, auch von Corning. Das soll besser sein als Gorilla Glass, selbst wenn es vom selben Hersteller kommt. Ceramic Shield ist nicht wie Gorilla Glass ein Glaskomposit, sondern ein Material, das Keramikkristalle im Glas verarbeitet hat.
Apple behauptet, dass Ceramic Shield die Widerstandsfähigkeit im Falle eines Falles erhöht. Aber über Kratzer verlieren sie kaum ein Wort.
Mein iPhone hat merkwürdige Kratzer.
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Das Phone ist immer in meiner linken Hosentasche. Alleine. Keine Kopfhörer, kein Münz, kein gar nichts. Was hat mein iPhone zerkratzt? Ich habe unten rechts am Bildschirm so mehr oder weniger runde Kratzer, die ich mir nicht erklären kann.
Gut, ich gehe mit meinen Test-Phones nicht besonders zimperlich um. Ich könnte es so halb nachvollziehen, wenn das Display einen Sprung hätte. Aber Kratzer?
Da mein iPhone 11 Pro Max keine Kratzer hatte, verlasse ich mich auf den Youtuber JerryRigEverything, der sein Geld damit macht, Phones zu zerstören. Life Goals, mein Freund, Life Goals. Er sagt, dass das iPhone 11, noch mit Gorilla Glass, einfacher zu zerkratzen ist als das aktuelle iPhone.
Hilft mir trotzdem nicht. Ich empfehle allermindestens eine Schicht Nano Protection oder einen Screen Protector, den du dir ausserhalb der Corona-Zeiten bei uns im Shop direkt auf dein Phone auftragen lassen kannst. Diese halten besser als die gekauften, leiten deine Tippbefehle etwas einfacher weiter und kosten etwas mehr. Lohnen sich aber trotzdem.
Top: Fallhöhe
Mein iPhone 12 Pro Max kann fliegen. Oder besser, elegant fallen. Es ist mir schon zig mal vom Sofa auf den Plattenboden gefallen. Der Metallrahmen hat keine Kratzer, der Screen ist noch ganz. Das, obwohl beim Aufprall des 228 Gramm schweren Phones immer so ein richtig unangenehmes Scheppern oder ein Knall zu hören ist.
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Das spricht fürs Phone und die ästhetisch anmutenden flachen Kanten. Wird der Bildschirm nicht um die Kanten gebogen, scheint dies die Stabilität zu begünstigen. Sollte eigentlich einleuchtend sein, ist aber laut mir mit dem iPhone 12 Pro Max bewiesen. Doch auch andere Phones sind ziemlich stabil. Mein Oppo Reno 4 Pro wird ähnlich hart in die Mangel genommen und mein Huawei Mate 40 Pro wird auf dem Motorrad überallhin mitgeschleppt und rutscht dann und wann wieder aus den Händen.
Dennoch: Es ist gut, in Gewissheit leben zu können, dass dein iPhone nicht so schnell zu Bruch geht. Egal, ob das die Konkurrenz auch kann oder nicht.
Flop: Batterielaufzeit
Bin nur ich das, oder frisst das iPhone 12 Pro Max weit mehr Saft als das 11 Pro Max? Wo beim 11 Pro Max der Akku locker anderthalb bis zweieinhalb Tage gehalten hat, ist beim 12er-iPhone spätestens nach zwei Tagen Sense. Es gibt natürlich grosse Unterschiede von Benutzer zu Benutzer, daher mein Nutzerverhalten kurz im Überblick: Ich bin hauptberuflich Smartphone-Tester. Dabei richte ich mein Augenmerk auf Hardware, Betriebssystem, Kamera, Apps – so ziemlich auf alles, was dein Phone kann. Oder was es mit Tools wie externen Mikrofonen noch alles könnte.
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Darum dürften meine Smartphones, egal ob jetzt iPhone oder nicht, weniger lang überleben als das eines Durchschnittsnutzers. Das iPhone ist, so gesehen, nicht für mich gemacht worden, sondern für die besagten Durchschnittsnutzer. Wenn du also dein iPhone weniger oft verwendest als ich, dürfte dein Akku auch länger halten.
Trotzdem: Der Akku beim iPhone 11 Pro Max hielt länger als der des iPhone 12 Pro Max.
Das kann daran liegen, dass der 3678 mAh starke Akku zusätzlich die 5G-Plattform des A14 Bionic System on a Chip betreiben muss. 5G braucht mehr Energie als 4G. Und daran, dass das iPhone 11 Pro Max vor einem Jahr 3969 mAh Akkukapazität hatte.
Top: Blau
Im vergangenen Jahr habe ich schon das grüne iPhone als «wunderschön» bezeichnet. Dem setzt das Pacific Blue noch eins obendrauf. Es ist nicht einfach blau, sondern wirkt manchmal grau, manchmal grün.
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Das Blau ist zudem eine Art Blau wie du sie sonst nirgendwo siehst. So hat Apple es geschafft, ein Phone zu machen, das aussieht wie kein anderes, wirkt wie kein anderes und hoffentlich endlich dazu beiträgt, dass die Leute weniger schwarze und weisse Phones haben. Ehrlich, wie langweilig ist das denn?
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Ist jetzt von der Zeit her quarantänebedingt etwas blöd, zugegeben, aber schau dir das iPhone 12 in Pacific Blue im echten Leben an bevor du dir ein schwarzes oder weisses iPhone kaufst. Die Bilder in den offiziellen Produkt-Listings werden der Farbe und ihrem Lichtspiel nicht gerecht.
Bonus: Dinge, über die alle reden, aber keinen Einfluss auf die Praxis haben
Dann sind da noch die Dinge, über die sich die Community gerne das Maul zerreisst. Das Zeug, das in der Regel mit Sätzen wie «Pah! Samsung hat das schon...» oder «So ein Scheiss, das ist doch...» beginnt. Davon gibt es beim iPhone 12 Pro Max auch genug. Hier eine nicht abschliessende Liste von Dingen, die auf Papier seltsam klingen, aber im echten Leben echt keinen Unterschied machen.
Kein Quick Charge
Das Apple iPhone 12 Pro Max lädt maximal mit läppischen 20 Watt. 20 Watt. Ein Top-of-the-line Phone im Jahre 2020 lädt mit 20 Watt. Die Konkurrenz von Oppo schafft 65 Watt, Huawei sogar 66, Xiaomi sogar 120 Watt. Eine Frechheit, finden die Spezialexperten des Internets.
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Nur, dass das im echten Leben keinen Einfluss auf irgendwas hat.
20 Watt sind nicht schnell, zugegeben. Aber wenn du dein Phone einsteckst, dann hast du innerhalb von 30 Minuten 55% Akku, wenn du von null lädst. Bei 36 Stunden Lebensdauer sind das über 18 Stunden, die du innerhalb einer halben Stunde nachgeladen hast.
Könnte Apple mehr? Freilich. Dank Smart Charging Feature merkt dein iPhone, wenn du es neben deinem Bett einsteckst und schlafen gehst. Dann lädt es so, dass es eine Stunde vor dem Wecker voll aufgeladen ist. Das schont den Akku langfristig und am Morgen hast du den vollen Akku. Machen Xiaomi und Co. übrigens genau gleich. High Speed Charging kommt nur dann zum Einsatz, wenn du am Mittag mehr Akku brauchst. Oder zwischen Arbeit und Ausgang. Aber ehrlich, du gehst nie länger als 18 Stunden weg, wenn du «schnell in die Stadt» oder so gehst.
Ich bin zwar von der Technologie des Quick Chargings, Flash Chargings, Vooc Chargings und so weiter beeindruckt. Und natürlich macht sich dies gut in der Werbung der Hersteller. Aber als Endbenutzer im Alltag reichen 20 Watt.
Trotzdem sind in meinem Haushalt alle Charger die Oppo'schen 65-Watt-Charger. Einfach nur für den Fall, dass das Phone, das ich dranhänge, mehr als 20 Watt drauf hat.
Nur 2,5x Zoom
Huawei kann 50x Zoom. Samsung brüstet sich mit 100x Space Zoom. Das iPhone kann 2,5x optisch und 10x digital, wenn es zoomt.
Wie sollst du denn da in die Ferne schauen können?
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In etwa genau so gut wie mit den Zoom-Monstern auch. Denn ein Zoom-System ist kein Feldstecher und braucht physischen Platz, den weder Apple noch sonstwer bieten können. Dafür schmeisst Apples Konkurrenz künstliche Intelligenz an bescheidenes Bildmaterial ran und holt raus, was rauszuholen ist. Apple versucht das gar nicht erst, da das sowieso nicht den Riesenunterschied macht.
Vielleicht in ein paar Jahren dann.
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Genau darum spielt es keine Rolle, ob du, wenn du von Oberwil-Lieli aus über das Tal blickst, mit deinem Phone sehen kannst, wie in Hermetschwil-Staffeln eine Katze sich die Ohren putzt. Denn du kannst das mit einem anderen Phone nämlich genau auch nicht.
So Fertig. Und wenn jetzt noch einer kommt und sagt «Aber $marke ist besser», dem entgegne ich «Okay, und jetzt?»
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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.