Kritik

«Kingdom Eighties» im Test: liebevolles 80er-Pixel-Abenteuer, das etwas mit Erklärungen geizt

Die «Kingdom»-Serie reist in die 80er, bleibt dem Spielprinzip aber treu. Das Mikro-Aufbaustrategiespiel bietet kurzweilige Unterhaltung – wenn du das Tutorial liest.

Zehnmal habe ich die Kampagne bereits neu gestartet. Nie bin ich weiter gekommen als beim ersten Versuch. Bereits am ersten Abend stürmen die violetten Monster, die «Habgierigen», meine Basis. Sie stehlen meine Ausrüstung und am Ende auch mein Erbstück, die Krone. Das bedeutet das Ende in den «Kingdom»-Spielen. Davon gibt es bereits zwei, respektive drei, wenn du das Remake «New Lands» dazu zählst. Ich habe alle zumindest angespielt, habe es aber nie weit geschafft. Es sieht so aus, als würde sich das auch mit «Kingdom Eighties» für den PC nicht ändern.

Dabei scheint das Spielprinzip so einfach. Ich übernehme die Rolle eines Campleiters, schlicht «Anführer» genannt. Mit ihm oder ihr, so genau lässt sich das unter dem Kapuzenpulli nicht erkennen, erkunde ich flache, zweidimensionale Levels. Der Startpunkt ist die Basis, die sich in der Mitte befindet. Es dauert nicht lange, bis ich mit meinem Fahrrad ans Ende eines Levels geradelt bin. Meist ist es dann Zeit, in die Pedale zu treten und umzukehren. Abends strömen nämlich die unheimlichen Wesen aus den Portalen.

Abends starten die unheimlichen Wesen ihre Angriffe.
Abends starten die unheimlichen Wesen ihre Angriffe.
Quelle: Raw Fury

Kinder an die Macht

Weil ich selber nicht kämpfen kann, heure ich Kinder an, für mich Bäume zu fällen und Verteidigungsanlagen zu bauen. Richtig, Kinder. In meinem Sommer-Camp wird noch richtig angepackt. Das mache ich aber nicht, wie in anderen Strategiespielen, indem ich Gebäude aus einem Baumenü wähle oder Personen anklicke und ihnen Befehle erteile. Jegliche Interaktion geschieht durch das Platzieren von Münzen an der entsprechenden Stelle. Drei Münzen beim Hammerstand produzieren einen Hammer für die Handwerker. Zwei Münzen beim Bogenschützen ergeben einen Bogen. Ebenfalls für zwei Münzen wird eine rudimentäre Barrikade erstellt.

Bei der Basis werden Bögen und Hämmer gebaut, mit denen die Ferienkinder zu Werke gehen.
Bei der Basis werden Bögen und Hämmer gebaut, mit denen die Ferienkinder zu Werke gehen.
Quelle: Raw Fury

Ich vergrössere mein Einzugsgebiet Schritt für Schritt, indem ich Bäume fälle, Gebäude übernehme und meine Verteidigung verbreitere. So spielen sich auch die früheren Teile. Das Problem ist nur, dass in meiner Basis einfach niemand arbeitet. Dabei habe ich bei meinen ersten Gehversuchen fleissig expandiert und so problemlos mehrere Tage überstanden. Mir fällt auf, dass die Hämmer und Bögen, die ich gekauft habe, unbenutzt beim Händler stehen. Zum x-ten Mal blättere ich den Review-Guide durch, den ich zum Spielecode erhalten habe. Aber da steht nichts, das ich nicht schon weiss. Obwohl ich seit Stunden feststecke, bin ich immer noch überraschend motiviert. Das Grundprinzip des Mikro-Strategiespiels sagt mir sehr zu, genauso wie das wunderschöne Design. Neonfarbene Pixel-Grafik im 80er-Jahre-Stil, die sich im Wasser spiegelt und dazu Synthwave-Soundtrack – das ist genau mein Ding.

Moment, was steht da?

Nachdem die Habgierigen ihrem Namen treu geblieben sind und mir wieder Barrikaden zerstört und Werkzeuge stibitzt haben, starte ich einen allerletzten Versuch. Dieses Mal mache ich auch das ganze Tutorial noch einmal. Darin erscheint eine geheimnisvolle Gestalt, die mir per Fingerzeig erklärt, wo ich meine Münzen ausgeben soll. Ja, ich weiss, als Erstes baue ich die Basis. Danach fälle ich einige Bäume. Anschliessend gibt es Hämmer und Bögen. Das weiss ich doch alles. Moment: STIMMT. Ich habe vergessen, dass ich den Kindern Münzen hinwerfen muss, damit sie arbeiten. Unbezahlte Kinderarbeit, wo kämen wir da hin? So wenig Text und ich schaffe es trotzdem, eine entscheidende Zeile zu überlesen. Ich könnte mich ohrfeigen.

Jetzt wuseln auch plötzlich kleine Handwerkerinnen und Handwerker mit gelben Helmen durch die Gegend, um meine Bauaufträge umzusetzen. Und die grün bemützten Bogenschützinnen und -schützen machen Jagd auf Wild und verteidigen mein Reich gegen Eindringlinge. Jetzt kann das Spiel beginnen.

In der Spielhalle rekrutiere ich nicht nur das Superhirn, sondern verdiene auch Münzen.
In der Spielhalle rekrutiere ich nicht nur das Superhirn, sondern verdiene auch Münzen.
Quelle: Raw Fury

In jedem Level gibt es ein Ziel. Im ersten geht es darum, ein gestohlenes Kanu von den Habgierigen zurückzuerobern. Dafür erweitere ich nach und nach mein Einflussgebiet. Unterwegs gibt es immer wieder interessante Dinge zu entdecken. Repariere ich für vier Münzen eine verlassene Spielhalle, gehen die Kinder fortan dort zocken. In regelmässigen Abständen kann ich dort nun Münzen einsammeln.

Meine Biker-Gang

In «Kingdom Eighties» bin ich nicht nur alleine unterwegs. Im Verlauf des Spiels treffe ich drei Freunde, die mich auf meinem Abenteuer begleiten. Die Sportskanone, die Tüftlerin und das Superhirn helfen mir nicht nur aktiv im Kampf, sie bringen auch eigene Spezialfähigkeiten mit. So baut die Tüftlerin eine rollende Barrikade, mit der ich aktiv gegen die Habgierigen vorpreschen kann. Mit meiner Biker-Gang sind die geheimnisvollen Wesen bald keine grosse Bedrohung mehr. Solange ich meine Grenzen nicht zu schnell ausdehne und die Verteidigung stetig verbessere, schlage ich jeden Angriff in die Luft.

Später kann ich mein Fahrrad auch gegen ein Skateboard tauschen.
Später kann ich mein Fahrrad auch gegen ein Skateboard tauschen.
Quelle: Raw Fury

«Kingdom Eighties» ist im Kern ein sehr simples Spiel. Ich erkunde die Umgebung und erteile Aufträge, indem ich Münzen spende. Abgesehen von kurzen animierten Zwischensequenzen und dem Tutorial gibt es praktisch keinen Text. Meistens ist das auch nicht nötig, weil das Spiel gut kommuniziert, wofür meine Münzen draufgehen. Ein Gebäude, das aussieht wie eine Bank, spuckt, nachdem ich fünf Münzen investiert habe, einmalig zehn Stück heraus. Es gibt aber Ausnahmen. So verstehe ich beispielsweise auch nach fast zehn Stunden nicht, was beim Upgrade meiner Basis passiert. In den älteren Teilen schaltest du damit neue Gebäude frei. Das scheint hier nicht der Fall zu sein. Und wofür sind die vier Fahnenstangen vor der Basis? Auch für die Beflaggung kann ich je vier Münzen ausgeben.

Nichts überlesen, aber übersehen, habe ich bei der Bushaltestelle. Dort gibt es zwei Münzenslots. Egal, wie viel ich investiere, nichts geschieht. Also fahre ich meinen gelben Beachcruiser weiter und … Moment. Mein Fahrrad war doch eben noch grün? Und hatte einen hohen Lenker? Jetzt schnall’ ich’s. An der Bushaltestelle kann ich mein Fahrrad gegen ein anderes tauschen und ich habe soeben fünfmal die gleichen Fahrräder hin und her getauscht. Ich verdiene keine Krone, sondern eine Narrenkappe.

Die Spiegelungen im Wasser sind einfach toll.
Die Spiegelungen im Wasser sind einfach toll.
Quelle: Raw Fury

Kurzweiliger Spass, wunderschön verpackt

«Kingdom Eighties» bietet kurzweilige Unterhaltung, verpackt in ein traumhaftes Retro-Pixel-Design. An den Spiegelungen im Wasser kann ich mich nicht satt sehen und beim Synthwave-Soundtrack muss ich einfach mitwippen. Wenn du nicht, wie ich, beim ultrakurzen Tutorial nur mit einem Ohr zuhörst, respektive mit einem Auge mitliest, ist das Spielprinzip schnell verstanden. Nur ab und zu wünschte ich mir etwas bessere Erklärungen, wofür ich meine Münzen ausgebe.

Allzu viel Taktik ist ohnehin nicht nötig. Der Spass besteht dann auch eher aus dem Entdecken der liebevoll gestalteten Levels, die viele kleine Überraschungen bereithalten. Der Ausbau der Basis ist motivierend und ich schaue gerne den Kindern beim Arbeiten Herumwuseln zu. Wenn du Bock auf einen leicht verdaulichen 80er-Jahre-Trip hast, kannst du mit «Kingdom Eighties» nichts falsch machen.

«Kingdom Eighties» ist für PC erhältlich und wurde mir von Raw Fury zur Verfügung gestellt.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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