Kratz- und Falltest: So sieht ein iPhone 11 nach 15 Stürzen aus
Robust. Widerstandsfähig. Kratzfest. Eigentlich unzerstörbar. 15 Stürze am Stück soll ein iPhone 11 dank Gorilla Glass 6 aushalten. Wirklich?
Corning verspricht viel. «Tougher and more durable» als alles andere sei das neue Gorilla Glass 6 auf dem iPhone 11. Sturzfest aus einem Meter, 15 Mal. Am Stück. Splitterlos. Ich erwarte Unzerstörbarkeit.
Das da ist trotzdem passiert:
Ein Kratzer. Mitten auf dem Display.
Keine Ahnung, wie der dahin gekommen ist. Ich weiss nur, dass ich das Smartphone während meines iPhone-11-Tests in meiner linken Hosentasche getragen habe. Ganz ohne anderen Gegenstände. Trotzdem ist der Kratzer da. Grundlos. Herrgott. Was dem Gorilla Glass so zugesetzt hat, weiss ich nicht. Staubkörner vielleicht. Allerdings dürfte ein Staubkorn sowas Fieses nicht verursacht haben. Nicht auf einem 800-Franken-Phone. Nicht mit diesem ach so «toughen» und «durablen» Glas.
Die Sache nehme ich persönlich. Ich will beweisen, dass Cornings Marketing-Bla Augenwischerei ist.
Der Test beginnt.
Kratztest for real
Die Theorie: Wenn zwei Materialien aufeinander prallen, nimmt das weichere Material schaden. Gorilla Glass 5 – der Vorgänger von Gorilla Glass 6 – soll einen Sturz aus 1.6 Meter Höhe überstehen, ohne zu splittern. Die Sturzfestigkeit der fünften Generation hat Corning verbessert, indem das Glas weicher gemacht wurde; es ist weniger spröde und splittert nicht bei Stürzen. Dafür ist es anfälliger für Kratzer, sagt der Hersteller.
Anders Gorilla Glass 6. Laut Cornings internen Labortests soll es noch robuster als Gorilla Glass 5 sein, dank einer neuen chemischen Zusammensetzung aber genauso resistent gegen Kratzer.
Ein Alltagstest muss her.
Ich nehme Gegenstände, die du oder ich üblicherweise in unseren Hosen, Hand- und Umhängetaschen haben. Dinge wie Münzen, Schlüssel und Kopfhörer. Oder Feuerzeuge. Vielleicht ein bisschen Staub und Dreck, das sich über die Zeit ansammelt. Damit reibe ich das Display ein und sehe, was passiert.
Ähnlich macht es Corning. Das jedenfalls zeigt ein 2017 veröffentlichtes Video. Dort stecken die New Yorker Alltagsgegenstände in ein Einmachglas. Dazu geben sie das Test-Phone mit Gorilla Glass. Dann wird das Einmachglas 45 Minuten lang um seine eigene Achse gedreht.
Voilà: der «Tumble Test».
Ein Testlabor wie Cornings steht mir nicht zur Verfügung. Anders als die Glas- und Keramikfirma habe ich keine Smartphone-Hersteller wie Apple oder Samsung im Rücken, die Millionen von Dollar alleine in Forschung und Entwicklung des perfekten Glases investieren. Stattdessen reibe ich die Gegenstände nacheinander aufs Display. Angefangen mit Apple-Kopfhörern.
Draufknallen, rumkratzen. Hin- und herreiben. Passieren tut nicht viel. Ein bisschen Geschmiere hier, ein paar Fettflecken da. Das lässt sich mit einem Reinigungstuch schnell wegwischen. Das Glas zeigt keine Kratzspuren. Der Vandale in mir frohlockt. Will mehr. Dem nerdigen Smartphone-Liebhaber stellt’s die Nackenhaare auf: Soll ich wirklich weitermachen?
Okay, nächstes Level.
Ein Feuerzeug. Genau genommen dessen gezackter Zündstein, bei dem in Verbindung mit dem Gas die Flamme entsteht. Ich drücke das Feuerzeug aufs Display. «Langsam», sagt der nerdige Smartphone-Liebhaber. «Nein, stärker», blafft der Vandale zurück. Aber Kratzer entstehen immer noch keine. Auch nicht beim Schlüsselbund, mit dem ich als nächstes und mit aller Kraft übers Display reibe.
Ich bin überrascht. Ginge es nach meiner iPhone-11-Testerfahrung, müsste das Display schon lange zerkratzt sein. Erst, als ich von draussen gesammelte Kieselsteine mit aller Kraft zwischen Handfläche und iPhone 11 reibe, zerkratzt das Display.
«Oh Gott», sagt der Smartphone-Liebhaber.
«Endlich», der Vandale.
Zwischenfazit: Mein im iPhone-Test geäussertes Urteil, dass das iPhone-11-Display viel schneller zerkratze als seine Vorgänger, die mit Gorilla Glass 5 ausgestattet sind, muss ich revidieren. Woher auch immer mein Kratzer gekommen ist – ein einfaches Staubkorn kann nicht die Ursache gewesen sein. Wohl auch kein Schlüsselbund oder Feuerzeug. Eher ein Material, das ähnlich hart ist wie ein Kieselstein.
Habe ich das iPhone doch nicht so gut geschützt, wie ich gedacht habe? Wohl kaum. Gorilla Glass 6 hält tatsächlich erstaunlich viel aus. Meine Marketing-Bla-Vorwürfe verpuffen.
Sorry, Corning. Sorry, Apple.
Aber die Sache mit der Sturzfestigkeit
Meine neue Erkenntnis: Cornings neues Glas ist also genauso kratzfest wie das alte. Cool. Aber da ist noch was anderes, das ich testen will.
Sturzfestigkeit.
Zur Erinnerung: Corning verspricht, dass Gorilla Glass 6 rund 15 Stürze aus 1 Meter Höhe übersteht. Das will ich nachstellen. Entscheidend für einen repräsentativen Test ist, dass ich das Smartphone auf etwa ähnlichem Material fallen lasse wie Corning in dessen Labortests.
Einen Hinweis auf die Bodenbeschaffenheit in Cornings Falltests gibt mir ein Video zur Testmethodik des Gorilla Glass 6. Von einer Oberfläche, die «rough» sei, ist dort die Rede. Also «grob» oder «rauh».
Das ist mir nicht genau genug.
Mehr Aufschluss gibt mir das 2017 veröffentlichte Gorilla-Glass-5-Video. Auch dort fällt «rough» als Adjektiv, wird aber ergänzt durch «unforgiving surfaces like asphalt».
Besser. In unserem Studio haben wir einen rauhen Steinboden. Der ist in etwa ähnlich «unforgiving» wie Asphalt. Ich strecke das iPhone 11 aus und lasse es aus etwa einem Meter Höhe fallen.
Klatsch.
Das Geräusch, dass das iPhone beim Aufprall macht, geht durch Mark und Bein. Der Anblick des Displays auch.
Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Corning behauptet nämlich, dass Gläser der Konkurrenz unter ähnlichen Testbedingungen nach nur einem Sturz kaputt gehen. In meinem Test ist Corning kein Stück besser.
14 weitere Stürze später sieht’s sogar so aus:
Nein, Corning, das Glas hält keine 15 Stürze aus, ohne Schaden zu nehmen. Nicht bei mir. Einverstanden: Das Display hatte Kratzer – Kratzer, nicht Risse –, welche die Stabilität des Glases bereits beeinträchtigt haben könnten. Dafür spricht, dass das Glas mehr oder weniger entlang der alten Kratzer gesplittert ist. Das würde also bedeuten, dass ein, zwei kleine Kratzer ausreichen, um Cornings 15-Stürze-ohne-Schaden-Garantie ausser Kraft zu setzen.
Ich will’s genau wissen. Also frage ich bei Corning nach.
Was sagen die Hersteller dazu?
Cornings Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
Demnach sei Gorilla Glass seit 2007 in allen Apple iPhones verbaut. Alle weiteren Fragen zum Thema, so Corning, sollten aber an Apple gerichtet werden.
Das mache ich. Die Antwort Apples:
Die Kein-Kommentar-Antwort ist wenig überraschend. Schliesslich ist es ja nicht Apple, das grossmundig behauptet, dass ihre Smartphones 15 Stürze schadlos überstehen. Die Kalifornier äussern sich bewusst vage zum Thema, sprechen bloss vom «toughest glass ever». Darum ist es eher Corning, das mich enttäuscht. Immerhin sind es die New Yorker, die den Schwarzen Peter an Apple weiterzugeben versuchen.
Fazit: Genau andersrum als erwartet
Gorilla Glass 6 hat sich als viel robuster und kratzfester herausgestellt als es meine bisherigen iPhone-11-Erfahrungen mich haben erwarten lassen. In Punkto Sturzfestigkeit hat mich Corning aber enttäuscht. Ein Sturz hat gereicht, um das Glas zu brechen. Meine Vermutung ist, dass die alten Kratzer die Ursache dafür sind. Genau sagen kann ich’s nicht – weder Corning noch Apple wollten sich zum Thema äussern.
Für dich heisst das aber, dass du dein iPhone 11 nach Kratzern nicht mehr zu Boden fallen lassen solltest und das Display vorzugsweise sofort ersetzen lässt. Oder du machst einfach von Anfang an eine Schutzfolie drauf.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»