Lewitt Ray: Dieses Mikrofon steuert sich selbst
Mikrofone funktionieren seit Jahrzehnten gleich. Der österreichische Hersteller Lewitt will den Markt mit einem Kondensatormikrofon aufmischen, das die Lautstärke selbst reguliert. Das funktioniert erstaunlich gut, mit einer Tücke.
Die grösste Herausforderung bei der Arbeit mit Mikrofonen sitzt immer davor. Wenn der Präsident bei der GV des Tennisklubs das Mikrofon fast verschluckt, weil er es so nah an seinen Mund hält, scheppert es so fest, dass ihn niemand versteht. Unverständlich ist es auch dann, wenn die Schuldirektorin beim Elternabend ihr Mikro auf der Höhe des Bauchnabels hält. Es sind empfindliche Geräte, nur im perfekten Abstand stimmt die Qualität.
Selbst im Profibetrieb nimmt man das mit dem idealen Abstand nicht so genau, wie ich aus langjähriger Radioerfahrung weiss. In der Euphorie der Moderation ging der faustbreite Idealabstand, der mir eingetrichtert wurde, schnell vergessen. Unverständliches Gemurmel oder schepperndes Lachen gingen dann über den Sender, meist gefolgt von einer Visite im Einzelbüro der Chefin.
Keine Batterie, kein USB-Anschluss
Hätte es bloss das «Lewitt Ray» damals schon gegeben. Das Kondensatormikrofon misst mittels Laser den Abstand zwischen Mikrofon und Tonquelle und reguliert die Lautstärke entsprechend. Über zwei Knöpfe am Mikrofon lässt sich die Funktion zuschalten oder das Signal stummschalten.
Abgefahren ist, dass das Mikrofon lediglich über einen XLR-Anschluss verfügt. Weder eine Batterie noch eine USB-Stromversorgung sind nötig, um die «Aura» genannte Abstandstechnologie zu nutzen. Eine Soundkarte oder ein Mischpult mit Phantomspeisung reichen aus. Wobei Kondensatormikrofone ohnehin eine Phantomspeisung benötigen, also hätte ich das so oder so in meine Kaufentscheidung einfliessen lassen.
Kondensatormikrofon mit allen Vor- und Nachteilen
Das «Ray» liefert ohne aktivierte Abstandsmessung einen klaren und in den Höhen gut definierten Klang. So, wie ich es von einem Kondensatormikrofon erwarte. Es erwischt das kleinste Rauschen der PC-Lüftung und das Klicken meiner Tasten. Das macht das Mikrofon für Anwendungen wie Videocalls oder Streaming weniger brauchbar. Das liegt aber ganz klar daran, dass Kondensatormikrofone genau das tun sollen – alles ins Detail wiedergeben. Sie fühlen sich im schalldichten Audiostudio pudelwohl. Im vergleichsweise lärmigen Heimbüro ist das Mikrofon ohne eingeschaltetes «Aura» schnell überfordert.
Schalte ich nun die Distanzerkennung ein, pegelt das Mikrofon von sich aus um etwa 6 dB runter. Spreche ich direkt ins Mikrofon, erreiche ich einen Pegel von etwa -12 dB in der Aufnahme bei Audition. Beim normalen Sprechen vor dem Mikrofon ohne «Aura» sind es doppelt so viele dB. Entferne ich mich vom Mikrofon, hält die «Aura» den Pegel von -12 dB konstant.
Je weiter ich mich entferne, umso mehr «Raum» nimmt das Mikrofon bei der Aufnahme mit auf. Ich klinge zwar noch immer gleich laut auf der Aufnahme, Schallreflexionen sind allerdings deutlicher hörbar. Das Aura kann meine Stimme also nicht in der Entfernung fokussieren, weil das rein physikalisch nicht möglich ist. Das ist sowieso alles abstraktes Gerede. Hör dir lieber selbst an, was ich meine.
Im ersten Teil hörst du, wie meine Stimme immer gleich laut klingt, entsprechend aber auch mehr Raumklang mitgenommen wird. Auch das Quietschen meines Bürostuhls (der muss dringend geschmiert werden) ist klar zu erkennen. Im zweiten Teil ist meine Stimme zunächst viel lauter, sie wird danach sukzessive leiser.
Der Toningenieur im Mikrofon
Überrascht bin ich davon, wie exakt das Mikrofon meine Stimme pegelt. Der Sensor funktioniert im Alltag einwandfrei. Ganz selten zeigen mir die Abstands-LED am «Ray» den falschen Abstand an. Wirklich beeindruckend. Etwas umständlich ist auf der anderen Seite, dass der Pegel recht tief ist. Der Eingangspegel meiner Soundkarte reicht auch voll aufgedreht nicht ganz für eine ideale Eingangslautstärke. In meinem Fall ist das nicht so ein Problem, da ich ohnehin einen Mikrofonvorverstärker besitze. Im Alltagsgebrauch gilt es das zu beachten. Ist die «Aura»-Funktion ausgeschaltet, reicht die Leistung einwandfrei. Dann fahre ich mit der guten alten Faustbreit-Abstand-Regel super.
Daneben kann ich sogar einen Abstand programmieren, ab dem das Mikrofon automatisch stumm schaltet. Was nach Spielerei tönt, hat sich in meinem Alltag sehr bewährt. Klingelt etwa der Paketbote an der Türe, stehe ich mitten im Call auf und nehme das Paket entgegen, ohne dass der ganze Call mitbekommt, dass ich wieder viel zu teuren Champagner bestellt habe. Eine Funktion, von der ich nicht wusste, dass ich sie brauchen würde.
Weiter lässt sich das Mikrofon nicht programmieren. Die Pegel sind so, wie sie sind und lassen sich nicht verschieben. Mehr als eine XLR-Verbindung gibt es nicht. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes «Plug and Play», Einstecken und loslegen. Heutzutage leider eine Seltenheit. Ich liebe es.
Im Lieferumfang enthalten sind eine Halterung samt Spinne, ein Popschutz, der sich elegant magnetisch befestigen lässt und ein Windschutz. Für den Transport gibt es sogar eine Lederhülle.
Das «Lewitt Ray» kostet laut Hersteller 349 Franken oder Euro und ist ab heute im Fachhandel. Wir arbeiten dran, dass wir es in den nächsten Wochen ins Sortiment aufnehmen können.
Fazit
Im Studio-Umfeld ein echter Gamechanger
Ein Mikrofon, das sich selbst einpegelt, wäre beim Radio immer mein Traum gewesen. Im Studioumfeld an die richtige Hardware angeschlossen, lässt das «Lewitt Ray» die Muskeln spielen. Da bei eingeschalteter «Ray»-Funktion die Aufnahmelautstärke deutlich tiefer ist, muss ich das an einem Mischpult oder Vorverstärker kompensieren können. Kann ich das nicht, muss ich mit dem tiefen Signal leben. Daher reicht es knapp nicht für die vollen fünf Sterne.
Die Funktionen und mitgelieferten Extras sind extrem durchdacht. Automatisch bei einem gewissen Abstand muten, brauche ich ebenso wie den kleinen Popschutz, der sich magnetisch und kaum sichtbar vor dem Mikrofon installieren lässt. Da wünschte ich mir, dass auch dynamische Mikrofone bald mit der Technologie ausgestattet werden. Dann würde ich auch den Präsidenten des Tennisclubs oder die Schuldirektorin verstehen.
Pro
- Auch ohne Zusatzfeatures ein solides Kondensermikrofon
- Abstandsfunktion «Aura» funktioniert
- Mute nach Abstand ist wirklich nützlich
- Viel Zubehör mit Windschutz, Popschutz und Spinne
Contra
- Der Pegel senkt sich mit eingeschalteter «Aura» Funktion stark
- Sensor erkennt manchmal nicht exakt, wie weit man weg sitzt
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.