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«Mass Effect Andromeda»: Übers Ziel hinausgeschossen

Die Sci-Fi-Saga geht weiter: Ohne die bekannten Helden und in einer neuen Galaxie. «Mass Effect Andromeda» steckt sich hohe Ziele und stolpert über die eigenen Ambitionen.

Was gab es für einen kollektiven Aufschrei, als bei «Mass Effect 3» der Vorhang fiel. Ein regelrechter Lynch-Mob aus wütenden Gamern formte sich gegen das für viele halbpatzige Ende. Mich persönlich störte der etwas enttäuschende Schluss wenig. Die Reise dahin war für mich das was zählte und da die meisten Games ohnehin auf einer schwachen Note aufhören, bin ich längst abgestumpft.

«Mass Effect Andromeda» versucht nicht nur die Fehler des Trilogy-Endes wieder gut zu machen, es will auch als eigenständige Geschichte wahrgenommen werden. So ganz gelingen will dieses Vorhaben nicht.

(Fast) Alles wie gehabt

Wer ein «Mass Effect» gespielt hat, wird sich im neusten Teil schnell zurecht finden. Ihr schlüpft in die Rolle eines von zwei Geschwister und habt dabei die Wahl zwischen Mann und Frau. Natürlich seid ihr nicht irgendwer, sondern der Pathfinder, eine Art Auserwählter, der für die Menschheit ein neues Zuhause finden soll. Dabei übernehmt ihr das Kommando über die Tempest, das schnittigste Raumschiff im Weltraum sowie einer wachsenden Truppe an Menschen und Aliens – yep, kopuliert wird natürlich auch wieder fleissig.

Auf euren Abenteuer besucht ihr verschiedene Planeten und cruised darauf mit eurem sechsrädrigen Nomad herum. Zusammen mit zwei Begleitern aus eurem Team erledigt ihr dabei zahlreiche Quests, dezimiert Aliens und sammelt Ressourcen. Etwas, das stark an Bedeutung gewonnen hat.

Auch Monster wollen ein Stück von euch.

Das Verhältnis aus Action und Dialogen ist etwa ausgeglichen, wobei für meinen Geschmack fast zu viel geballert wird. Bioware-typisch könnt ihr in Dialogen diverse Antworten auswählen und euch den Mund fusselig reden. Die Vertonung im Englischen ist erstklassig. Die deutsche Synchronisation fällt typischerweise etwas schwächer aus und besonders die Akzente gehen verloren. Dennoch glänzt «Mass Effect Andromeda» mit meist interessanten und humorvollen Gesprächen.

Mit der Nexus gibt es zudem wieder eine riesige begehbare Raumstation, wo ihr einen Grossteil eurer Zeit verbringt. Sie ist die Zentrale der raumreisenden Siedler.

Mehr Rollenspiel, dafür zu viel Ballast

Was mir nach «Mass Effect 1» am meisten gefehlt hat, war die Rollenspiel-Tiefe. «Andromeda» legt hier gewaltig nach. Ihr findet laufend neue Waffen, Rüstungen und Modifikationen. Auch euren Charakter könnt ihr mit neuen Fähigkeiten ausstatten bis zum Abwinken. Schade ist lediglich, dass ihr nur immer drei Fähigkeiten aktiv haben könnt.

Während ich mich extrem über den neuen RPG-Reichtum freue, so hat Bioware doch etwas übers Ziel hinausgeschossen. Denn nicht nur Fähigkeitspunkte gibt es zu verteilen, ihr könnt Rüstungen und Waffen erforschen und diese anschliessend bauen. Ihr könnt bestimmen, welche Kolonisten aus der Cryostase geweckt werden, was euch unterschiedliche Bonis gibt. Dann gibt es auch noch die Einsatzteam-Missionen. Hier könnt ihr ein Team losschicken oder die Missionen im Multiplayer-Modus selber spielen. Wenn ihr nicht aufpasst, verliert ihr schnell den Überblick..

Da ihr oft nicht wisst, was ihr scannen könnt, zückt ihr den Scanner meist vergeblich.

Wie Eingangs erwähnt, haben Ressourcen an Bedeutung gewonnen. Das Planeten-Scannen ist in abgespeckter Variante zurück. Das geht ja noch. Auf den Planeten selber sammelt ihr dann aktiv Ressourcen und scannt alles, was von Interesse sein könnte. Dass ihr dabei ständig den Scanner zücken müsst, nervt mit der Zeit.

Wo frühere «Mass Effect»-Teile dafür kritisiert wurden, dass die Planeten leblos seien, kehrt «Andromeda» ins andere Extrem. Auf den Planeten ist fast zu viel los. Alle paar Meter stolpert ihr über neue Alien-Monolithen, Kett-Basen (die neuen Bösewichte) oder die nächste Nebenquest. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Zu wenig Dramatik

Die Kett wirken nicht so bedrohlich wie frühere Bösewichte.

Die Geschichte um die Kolonisten, die in der Andromeda-Galaxie nach neuem Lebensraum suchen, bringt nicht die gleiche Dringlichkeit und Dramaturgie wie die Vorgänger. Die Vernichtung der Menschheit, genetischer Völkermord oder Roboter-Rebellion hatten etwas mehr Gewicht. Für die erste Aufklärung vor Ort sind sogenannte Pathfinders zuständig. Diese Aufgabe kommt erst eurem Vater Alec Ryder zu und landet anschliessend im Schoss einer seiner Zwillinge – das seid ihr. Als Ryder-Junior besiedelt ihr neue Planeten, kämpft gegen die feindlichen Aliens Kett und verstrickt euch in politische Intrigen. Zwar wird euch nie langweilig, aber so richtig mitgerissen hat mich die Story nicht.

Epische Space-Saga/Soap-Opera

Von der ersten Minute an, fühlt sich «Mass Effect Andomeda» dennoch wie eine epische Space-Saga an. Ein orchestraler Soundtrack, der an «Star Wars» und «Star Trek» erinnert, unbekannte Planeten mit beeindruckenden Panorama und fies dreinblickenden Aliens.

Mit eurem neuem Raumschiff könntet ihr beim Vorbeiflug an der interstellaren Bahnhofstrasse jede Menge heisser Mädels oder Typen aufreissen. Davon habt ihr aber ohnehin schon genug an Bord. Kriegerischer Krogan, schwatzhafte Asari oder draufgängerischer Salarian, die Mischung ist kunterbunt. Leider sind nicht wirklich viele neue Rassen hinzugekommen. Wie es sich für ein «Mass Effect» gehört, ergeben sich aus den unterschiedlichen Besatzungsmitgliedern jede Menge interessanter Geschichten, die teilweise etwas ins Klischeehafte abdriften. Ryder hat zu alledem aber immer einen guten Spruch auf Lager und nur selten fand ich keine Antwortmöglichkeit, die meinem Charakter entsprach.

Mehr Action, weniger Taktik

Dank Jetpack könnt ihr endlich springen und sogar schweben, wenn ihr den nötigen Skill erlernt habt. Das verleiht dem Kampf etwas mehr Dynamik. Dafür müsst ihr eure Fähigkeiten nun ohne Pausieren einsetzen und euren Kameraden könnt ihr nur noch Richtungsanweisungen geben. Dabei geht einiges an Taktik verloren. Immerhin machen die zahlreichen Fähigkeiten und Waffen ordentlich Spass, so dass die vielen Kämpfe nicht so schnell langweilig werden.

Sind die Animationen wirklich so schlecht?

Der «Crab Walk» sieht schon sehr lustig aus.

Zuerst sei gesagt, dass die Grafik dank der Frostbite-Engine («Battlefield 1») wirklich beeindruckendes auf den Bildschirm zaubert. Von den weitläufigen Welten über die traumhaft schönen Planeten bis zu den ausgefallenen Aliens, wird euch einiges geboten. Während letztere durchwegs überzeuge Performance liefern, gibt es einige menschliche Protagonisten, die sich wie Puppen bewegen. Glasiger Blick, überschminkte Wangen und Mimik wie ein toter Fisch. Der Bug mit dem Krabbengang ist mir leider nicht begegnet und insgesamt wirken die Bewegungen ziemlich natürlich. Allerdings hätten gerade die Gesichtsanimationen bei einem derart Dialog-lastigen Spiel schon etwas detaillierter ausfallen dürfen.

Fazit: Lecker, aber mastig

Nach vielen gemeinsamen Stunden im Weltraum verbindet mich einiges mit meinen Crew-Mitgliedern. Die Charakter-Bindung war schon immer eine der Stärken von Bioware. Zwar haben sie mich nicht so stark berührt wie Garrus, Wrex oder Tali’Zorah aus den Vorgängern, aber mit denen habe ich auch mehr Zeit verbracht. Die Unterhaltungen in «Mass Effect Andromeda» sind eindeutig eines der hervorstechendsten Merkmale. Aber auch die unterschiedlichen Lokalitäten beeindrucken, wenn sie auch nach längeren Besuchen etwas an Reiz verlieren. Die Kämpfe sind actionreicher denn je, Missionen selten Linear und das Upgrade-System komplex. Leider wirkt nicht alles wie aus einem Guss. Ihr werdet sowohl von der Anzahl Quests, als auch von den unzähligen Systemen regelrecht erschlagen. Bioware hat sich etwas übernommen. Dennoch verbirgt sich hinter «Mass Effect Andromeda» alles in allem ein solides Science-Fiction-Epos, das nicht nur Fans gefallen dürfte.

EA Games Mass Effect: Andromeda (PC, Multilingual)
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 

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