Mein Spiele-Backlog aus der Hölle
Meinung

Mein Spiele-Backlog aus der Hölle

Ich möchte ohne Altlasten in das neue Gaming-Jahr starten. Deshalb will ich über die Weihnachtsferien meinen riesigen Spielstapel mit nicht beendeten Games systematisch abarbeiten. Doch ich scheitere schon in der Vorbereitung.

Jedes Jahr dasselbe. Ich kaufe mir unzählige Games und spiele nur einen Bruchteil davon fertig. Wie soll es denn auch anders gehen? Gefühlt jede Woche erscheint irgendein spektakulärer Blockbuster und Indie-Perlen spriessen wie Pilze aus dem Boden. Ich möchte mich am liebsten zwei-, oder besser noch dreiteilen, um die konstante Spielflut irgendwie zu bewältigen. Doch das geht leider nicht. Und so bleiben jedes Jahr zig Games nur kurz angespielt oder komplett ungeöffnet liegen.

Auch dieses Jahr habe ich gesündigt. Vor mir liegen 19 nicht beendete Spiele, die ich in den letzten zwölf Monaten gekauft oder angefangen habe. Ich will meine Weihnachtsferien nutzen, um diesen riesigen Spiele-Berg in Angriff zu nehmen. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Wo fange ich bloss an?

Ich weiss gar nicht, wo ich bei dieser Menge an Games anfangen soll. Der Stapel stresst mich. Als wären die 19 Spiele irgendwelche lebenswichtigen To-Dos, die ich unbedingt erledigen muss. Wieso fühle ich mich so? Und wie kann ich meine Liste möglichst effektiv abarbeiten?

In meiner Recherche zum Thema Backlogs bin ich auf ein interessantes Video von Youtuber «Daryl Talks Games» gestossen. Daryl stellt eine interessante These auf. Der Grund, wieso mich mein Gaming-Backlog so stresst, kann psychologisch mit dem Zeigarnik-Effekt erklärt werden.

Der Effekt besagt, dass man sich an unterbrochene oder unerledigte Aufgaben besser erinnert als an abgeschlossene Aufgaben. Dies, weil beim Lösen einer Aufgabe eine kognitive Spannung aufgebaut wird, die erst beim Abschliessen dieser Aufgabe wieder abgebaut wird. So kann unser Hirn bei offenen Tasks konzentriert bleiben. Im Video wird der Effekt ab 06:20 erklärt.

All die angefangenen Spiele sorgen also für eine unangenehme Spannung in meinem Gamer-Hirn. Diese erinnert mich immer wieder daran, dass ich noch offene Aufgaben zu erledigen habe. Je mehr Games auf meinem Stapel landen, desto grösser wird die kognitive Spannung.

Gemäss einer psychologischen Studie kann diese Spannung schon allein durch eine saubere Planung der noch offenen Aufgaben gesenkt werden. Zumindest teilweise.

Das will ich testen. Bevor ich also komplett planlos meinen massiven Backlog in Angriff nehme, verschaffe ich mir zunächst eine Übersicht. Mithilfe von howlongtobeat.com rechne ich aus, wie viele Stunden ich für das Abarbeiten der 19 Games einplanen muss. Vielleicht hilft diese Massnahme ja schon gegen meinen Backlog-Stress.

So viele Games, so wenig Zeit

In der Tabelle unten siehst du das erschreckende Ergebnis meiner Berechnung.

In der ersten Spalte sind die 19 Games und die jeweiligen Plattformen notiert. Die Tabelle ist nach den Werten der zweiten Spalte sortiert. Dort steht, wie viele Stunden ich noch in das Game investieren muss, um es fertig zu spielen. Berechnet wird dieser Wert mit den Stunden, die ich bereits gespielt habe – nachzulesen in Spalte drei – und der Länge des Games gemäss howlongtobeat.com – nachzulesen in Spalte vier.

GameNoch zu spielen
(in Stunden)
Bereits gespielt
(in Stunden)
Länge des Games
(in Stunden, gemäss howlongtobeat.com)
The Witcher 3 (PS5) 90.75090.75
Xenoblade Chronicles (Switch) 64064
Marvel Midnight Suns (Steam) 59.52.562
Dragons Dogma: Dark Arisen (PS5) 44.5044.5
Death Stranding (PS5) 282250
Jurassic World Evolution 2 (PC) 20121
Need for Speed Unbound (PC) 19.51.521
Elden Ring (PS5) 14.54054.5
God of War 2 (PS5) 11112
God of War 3 (PS5) 10010
Pokémon Karmesin (Switch) 9.53140.5
A Plague Tale Requiem (Xbox) 9817
Splatoon 3 Singleplayer (Switch) 808
Vampire Survivors (Xbox) 718
Call of Duty: Modern Warfare 2 Singleplayer (PC) 628
The Dark Pictures Anthology: House of Ashes (PS5) 527
Halo 2 (Xbox) 4.54.59
Return to Monkey Island (Switch) 4610
Hidden Folks (Switch) 303

Wenn meine Berechnungen stimmen, muss ich sage und schreibe 417 Stunden und 45 Minuten für das Beenden aller Games auf der Liste einplanen. Umgerechnet sind das über 17 ganze Tage. Das ist... ein bisschen mehr als ich gedacht habe.

Fühle ich mich jetzt besser? Ist die Spannung gelöst? Mein zuckendes linkes Auge sagt nein. Entweder muss ich meine Ferien verlängern oder die Liste radikal kürzen. Ich entscheide mich für zweiteres.

Der Schwächste fliegt

Aber wie soll ich die Liste kürzen? Nehme ich nur die Games, in die ich schon viel Zeit investiert habe? Da ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, dass ich sie auch wirklich fertig spielen werde. Oder streiche ich kompromisslos alle Games mit einem grotesk langen Umfang, um möglichst viele verschiedene Titel durchzubekommen? Das fühlt sich irgendwie auch falsch an.

Ich denke an das Video von Daryl zurück. Dort erklärt er eine Herangehensweise für das Kürzen des Backlogs, die ein Zuschauer mit ihm geteilt hat. Dieser zieht die Review-Aggregator-Seite metacritic.com zu Hilfe und berechnet mit einer Formel, welche Games er priorisieren soll und welche Games er komplett streicht. Ist Mathematik die Lösung für mein Backlog-Problem?

In einem Google Sheets File berechnet ein Zuschauer von Daryl den «Value Factor». Dabei wird der Metacritic-Durchschnitt durch die Länge des Spiels (HLTB) gerechnet. Ob das wirklich Sinn macht?
In einem Google Sheets File berechnet ein Zuschauer von Daryl den «Value Factor». Dabei wird der Metacritic-Durchschnitt durch die Länge des Spiels (HLTB) gerechnet. Ob das wirklich Sinn macht?
Quelle: Domagoj Belancic

Ich versuche, die Formel auf meine Liste anzuwenden. Aber das ist mir alles etwas zu verkopft und analytisch. Und ob der «Value Factor» als Kennwert wirklich Sinn ergibt, wage ich auch zu bezweifeln. Verdammt, ich will gamen und keine Doktorarbeit schreiben.

Das Planen hätte mir eigentlich Spannung nehmen sollen. Doch all die Zahlen und möglichen Rankings stressen mich nur noch mehr. Jetzt zuckt auch schon mein rechtes Auge. Ich breche die Übung ab.

Planung ist nicht alles

Ich schliesse mich in einen dunklen Raum ein und meditiere. Ich versuche, alle Zahlen, Rankings und Formeln zu vergessen. Tief in meinem Inneren suche ich nach den Games, auf die ich wirklich LUST habe. Egal, ob ich noch 100 oder zehn Stunden in sie investieren muss. Nach ein paar Minuten Meditation manifestieren sich fünf Titel vor meinem inneren Auge.

«The Witcher III» – ein Game, das ich zum ursprünglichen Launch komplett verpasst habe. Obwohl ich auf Open-World Spiele und RPGs stehe. Das Next-Gen Update ist die perfekte Gelegenheit, um meine Bildungslücke zu schliessen.

«Death Stranding» – das mysteriöse Kojima-Game habe ich 2019 schon auf der PS4 angefangen und abgebrochen. Die PS5-Version hat mich dieses Jahr aber so richtig gepackt; bisher habe ich 22 Stunden in das Abenteuer investiert. Ich muss einfach wissen, wie die geheimnisvolle Geschichte weitergeht. Der Trailer zu «Death Stranding 2» an den Game Awards hat mich nur noch mehr motiviert.

«Elden Ring» – ich will das Spiel des Jahres endlich fertig spielen. Ich habe das knallharte Open-World-RPG ungefähr 40 Stunden lang gespielt, bevor ich von anderen Games abgelenkt wurde. Ein Wiedereinstieg wird nicht einfach werden. Aber es gibt noch so viel zu entdecken.

«God of War 2» und «God of War 3» – eine weitere grosse Bildungslücke. Den ersten Teil der originalen Trilogie habe ich schon als Vorbereitung auf «Ragnarök» durchgespielt. Ich kann es kaum abwarten, Teil zwei und drei durchzuspielen, um Kratos' komplette Geschichte nachvollziehen zu können.

Mit diesen fünf Games habe ich insgesamt 154.25 Stunden vor mir. Oder sechseinhalb Tage. Das ist für die kurze Zeit über Weihnachten und Neujahr immer noch viel zu viel. Aber irgendwie stresst mich die Zahl nicht mehr. Ich fühle mich frei, obwohl ich mit der systematischen Planung gescheitert bin.

Ich muss nicht jedes Spiel fertig spielen

Mit der ganzen Übung wollte ich eigentlich ein bisschen Ordnung in mein Backlog-Chaos bringen und dem Zeigarnik-Effekt entgegenwirken. Ich wollte lernen, wie ich meinen Spielstapel systematisch abarbeiten kann. Passiert ist aber etwas ganz anderes.

Ich habe gelernt, dass mein Backlog hoffnungslos lang ist und ich sowieso nicht alles spielen kann. Zahlen und Formeln helfen mir beim Abarbeiten meines Spielstapels nicht, sie stressen mich nur noch mehr. Ich habe gelernt, die kognitive Spannung von unbeendeten Gaming-Aufgaben zu ignorieren und stattdessen das Chaos zu akzeptieren.

Das ist auch eine Erkenntnis. Und entgegen der psychologischen Befunde beruhigt mich diese Erkenntnis mehr als das Führen von unendlichen Excel-Tabellen. Ich spiele einfach das, was mich gerade am meisten anmacht. Und sollten meine Augen vor Stress zucken, schliesse ich mich wieder in einen dunklen Raum und meditiere.

Welche Games stehen auf deinem Backlog und wie gehst du deinen endlosen Spielstapel an?

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


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