Mit «Starfield» spüre ich die alte Bethesda-Magie wieder
«Starfield» ist keine Genre-Revolution. Es ist «nur» ein Bethesda-Spiel im Weltall. Was viele Fans enttäuscht, ist für mich ein Grund zur Freude. Es fühlt sich gut an, nach langer Zeit wieder in eine magische Bethesda-Welt einzutauchen.
Die Meinungen zu «Starfield» gehen zum Launch stark auseinander. Auch Phil ist in seiner ausführlichen Spielkritik nicht vollends vom Game überzeugt. Einer der grössten Negativpunkte im kritischen Konsensus: Das Spiel bietet nichts Revolutionäres. Es ist keine krasse Weltraum-Sim mit nahtlosen Welten à la «No Man's Sky» oder «Star Citizen». Stattdessen ist «Starfield» einfach nur ein «Skyrim» oder «Fallout» im Weltraum.
Für mich ist das kein Kritikpunkt, sondern ein Grund zur Freude. Denn als Bethesda-Fan bin ich einfach froh, dass das Kult-Studio nach Jahren der Mittelmässigkeit wieder zu alter RPG-Stärke zurückfindet.
Bethesdas Abstieg in die Mittelmässigkeit
Vor dem Launch von «Starfield» herrschte eine lange Zeit der Game-Dürre für Fans von Bethesda. Das letzte grosse Singleplayer-RPG aus Todd Howards Spielschmiede, «Fallout 4», erschien 2015. Danach gab’s noch den katastrophalen Multiplayer-Ableger «Fallout 76», VR-Versionen alter Spiele sowie ein «The Elder Scrolls»-Mobile-Game.
Diese lange Zeit ohne richtig gutes Bethesda-Material schmerzte umso mehr, wenn man sich die legendären Jahre zwischen 2006 und 2011 anschaut. In diesem Zeitraum haben die Bethesda Game Studios «Oblivion», «Fallout 3» und «Skyrim» veröffentlicht. Drei sagenhafte Spiele, die heute noch eine grosse, aktive Fanbase haben.
Jedes Game hatte diese spezielle «Bethesda-Magie». Nein, ich meine damit nicht die unzähligen Bugs, die es zum Launch gab. Ich meine damit dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn du in «Skyrim» eine Höhle entdeckst und plötzlich in einer epischen, stundenlangen Nebenquest gefangen bist. Dieses Gefühl, wenn du in «Fallout 3» entscheidest, ob du eine ganze Stadt mit einer Atombombe zerstören willst. Dieses Gefühl der kompletten Freiheit und Entdeckerlust, die die riesigen Bethesda-Spielwelten auslösen. Magie halt.
Diese Magie war für mich bei «Fallout 4» schon weniger stark vorhanden. Statt magischer Momente verspürte ich zunehmend ein dumpfes Déjà-Vu-Gefühl. Ja, alles war grösser und schöner. Aber der Funke wollte nicht so richtig überspringen, dafür war das Spiel dem Vorgänger zu ähnlich.
Die Multiplayer-Katastrophe «Fallout 76» habe ich gar nicht erst angefasst. Das Spiel hatte nur wenig mit den Games aus der Hauptreihe zu tun. Die Welt war leer, die Quests uninteressant und die Bugs waren noch viel verheerender als sonst. Auch ohne es gespielt zu haben, war mir dank zahlreicher Reviews und Videos klar: Bethesdas Magie ist definitiv verschwunden.
«Starfield» ist Bethesda in Lichtgeschwindigkeit
Vorspulen ins Jahr 2023. Ganze acht Jahre nach «Fallout 4» ist «Starfield» endlich gelandet. Ich starte das Game mit gemischten Gefühlen. Ich weiss nicht so recht, was mich erwartet. Hoffnungen, dass ich die alte Bethesda-Magie wiederentdecke, habe ich keine. Auch die vielen gegensätzlichen Review-Meinungen und Diskussionen auf Twitter verunsichern mich. Neugierig bin ich aber definitiv.
Zunächst bin ich vom Spiel enttäuscht. Im Gegensatz zu vergangenen Bethesda-Games bietet mir «Starfield» keine grosse Map, auf der ich einfach mal loslaufen und Sachen entdecken kann. Stattdessen muss ich mich durch Menüs klicken und mit meinem Raumschiff viel Schnellreisen. Manuell von Planet zu Planet fliegen oder ganze Planeten ohne Unterbruch erkunden kann ich nicht.
Ich frage mich, ob die alte Bethesda-Magie mit einer so stark partitionierten Spielwelt und ständigen Ladescreens überhaupt reproduziert werden kann.
Meine Antwort auf diese Frage, nach ungefähr 30 Spielstunden: ja! Bethesdas Weltraum wirkt zwar nicht so zusammenhängend wie die Open Worlds in vergangenen Games, dafür trumpft «Starfield» mit einer enormen Diversität und Quantität an Content auf.
Nicht alles, was ich in den Weiten des Weltalls entdecke, ist wirklich spannend. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn «Starfield» ist ein gigantisches Spiel und gibt mir noch mehr Freiheiten als «Fallout» oder «Skyrim». Langweilt mich eine Questline oder ein prozedural generierter Planet, bin ich nur wenige Klicks und eine Schnellreise vom nächsten Abenteuer entfernt.
Mit der Zeit lerne ich, das Unwichtige vom Wichtigen zu trennen. Ich befinde mich in einem Sog spannender Questlines und hüpfe wie ein Wahnsinniger zwischen Dutzenden von Planeten hin- und her. Die Anzahl unterschiedlicher Locations, Charaktere und Ereignisse, die ich in einer Spiele-Session sehe, ist atemberaubend hoch. Innerhalb einer Stunde erforsche ich Dinosaurier-Aliens, mache eine Pause in einem Weltraum-Spa-Resort, erkunde schwerelos ein verlassenes Casino-Raumschiff und entscheide zum Schluss noch über das Schicksal einer ganzen Weltraum-Kolonie. Wow! Das ist Bethesda-Magie in Lichtgeschwindigkeit.
Keine Weltraum-Simulation? Mir doch egal!
Die ganze Diskussion um Weltraum-Sims und nahtlose Spielwelten à la «No Man's Sky» erscheint mir mit zunehmender Spielzeit immer sinnloser. «Starfield» zielt nicht darauf ab, die oft langweilige Realität der Raumfahrt zu simulieren oder ein stimmiges «Weltraumgefühl» zu erzeugen. Dafür fliegst du zu selten manuell und teleportierst dich zu oft per Schnellreise durch die Gegend. Stattdessen bietet es dir eine breite Palette von RPG-Inhalten, die du jederzeit mit nur ein paar Klicks abrufen kannst. Von klassischen Questlines, die direkt aus «Skyrim» oder «Fallout» stammen könnten, bis hin zu komplett verrückten Weltraum-Aktivitäten ist alles dabei. Lässt du dich auf diese spezielle Spielstruktur ein, wirst du die Magie der alten Bethesda-Games wiederentdecken.
Mit der Magie kommen leider auch altbekannte Mängel, die man vom Studio kennt. Leblose NPC-Gesichter, komische Animationen und mühseliges Item-Management gehören ebenfalls zum «Starfield»-Alltag. Aber ich muss zugeben, das alles stört mich herzlich wenig. Im Gegenteil: Diese kleinen Unannehmlichkeiten lösen ein wohlig-nostalgisches Gefühl bei mir aus und ergänzen die neu belebte Bethesda-Magie perfekt.
Es fühlt sich an wie früher. Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Komisch, ich weiss. Aber ich bin einfach froh, wieder mal ein richtig gutes Bethesda-Game spielen zu dürfen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Bethesda mit ihrem nächsten Projekt auf dem Pfad der Tugend bleibt und uns keinen uninspirierten Nachfolger oder gar ein Desaster à la «Starfield 76» liefert. Das nächste grosse Spiel des Studios dürfte ohnehin kein Weltraum-Abenteuer mehr sein. Gemäss Bethesda-Boss Pete Hines befindet sich «The Elder Scrolls VI» aktiv in Entwicklung. Vor 2028 wird das Spiel aber nicht erscheinen. Nach «Starfield» bin ich aber guter Dinge und zuversichtlich, dass sich das lange Warten auf die nächste magische Bethesda-Welt lohnen wird.
Phils ausführliche Spielkritik zu «Starfield» kannst du hier im Detail nachlesen:
Unser Angespielt-Video zu «Starfield» siehst du hier:
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.