Nix mit Energie: Energy-Drinks können deine Muskeln töten
Hintergrund

Nix mit Energie: Energy-Drinks können deine Muskeln töten

Energy Drinks sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken und vor allem bei Jungen und Athleten aufgrund der leistungssteigernden Wirkung sehr beliebt. Alleine bei Galaxus sind 60 Produkte unter dem entsprechenden Suchbegriff zu finden. Eine erste Studie zeigt nun allerdings, dass Energy Drinks auf die Muskelzellbildung fatale Auswirkungen haben können.

Der globale Markt für Energy Drinks wurde 2020 auf 46 Milliarden USD geschätzt. Neueste Projektionen gehen davon aus, dass dieser 2031 voraussichtlich 108 Milliarden USD betragen wird. Das würde einer jährlichen Wachstumsrate von etwa 8% entsprechen [1].

Auch aufgrund von aggressiven Marketingstrategien der Hersteller, trinken in den USA Männer zwischen 18 und 34 Jahren am meisten Energy Drinks, während auch fast ein Drittel der Teenager im Alter zwischen 12 und 17 Jahren diese Getränke regelmässig trinken [2].

Die Inhaltsstoffe

Die häufigsten Zutaten der meisten Energy Drinks sind Koffein (je nach Drink zwischen 70 – 240 mg), Guarana, Zucker, Taurin, Glukuronolakton, Ginseng und B-Vitamine. Gewisse Zutaten dieser Drinks können allerdings ernsthafte gesundheitliche Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, unser Gehirn, den Magen-Darm-Trakt sowie den Stoffwechsel haben. Aufgrund des meist tiefen pH-Werts greifen diese Drinks auch die Zähne stark korrosiv an.

Allein zwischen 2007 und 2011 hat sich in den USA die Anzahl der Besuche in einer Notfallaufnahme wegen der Konsumation von Energy Drinks verdoppelt. Ein Zehntel der Besuche resultierte in einer Hospitalisierung [2]. Eine zu hohe Konsumation von Koffein kann zu innerer Unruhe, Schlaflosigkeit, Magen-Darm-Störungen sowie zu Angstzuständen führen [3].

Taurin ist eine in Tieren, also auch in Menschen, häufig vorkommende chemische Verbindung, die mit zahlreichen positiven Funktionen im menschlichen Körper verbunden wird. So scheint Taurin kognitive Funktionen zu fördern [4], sowie die kontraktilen Funktion von Muskeln zu regulieren [5]. Weiter erschien vor wenigen Wochen ein Forschungsartikel in Science darüber, dass ein Mangel an Taurin den Alterungsprozess fördern kann und eine Supplementation von Taurin in Mäusen die Gesundheitsspanne erhöht [6]. Taurin wurde auch mit einer Abschwächung von oxidativen Schäden in Muskeln nach intensiver Belastung in Zusammenhang gebracht [7].

Bis hierhin liesst sich das eher positiv. Doch nun kommt die Kehrseite der Medaille.

Glukuronolakton ist ein Kohlenhydrat und wird häufig im Zusammenhang mit Koffein oder Taurin in Energy Drinks verwendet. Der Einfluss von Glukuronolakton und/oder die Interaktion zwischen Glukuronolakton und Taurin bzw. Koffein sind wenig erforscht. Es gibt jedoch Hinweise, dass diese Lebensmittelzusatzstoffe bzw. deren Interaktion zu neurotoxische Effekten in Mäusen führen [8].

Ein übermässiger Konsum von Zucker durch Energy Drinks hat diverse negative Folgen für den Körper. Im Zusammenhang mit Energy Drinks wird er mit Herzrhythmusstörungen, Blutdruckproblemen und Fettleibigkeit in Verbindung gebracht [9–11].
Zusammenfassend können Energy Drinks also mit verschiedenen negativen Folgen für unsere Gesundheit in Verbindung gebracht werden. Die Auswirkungen auf die Gesundheit von Konsumenten und Athleten ist noch weitgehend unbekannt.

Erste Studie untersucht den Einfluss von Energy Drinks auf die Muskelzellbildung in vitro

Ein Forschungsteam hat sich der Fragestellung angenommen, welchen Einfluss Energy Drinks auf Muskelzellen von Mäusen haben [12]. Dafür haben sie Muskelzellen von Mäusen unterschiedlichen Energy-Drinks und unterschiedlichen Konzentrationen ausgesetzt, um zu untersuchen, was die Auswirkungen auf die Skelettmuskulatur sind. Die Forschenden untersuchten acht Energy Drinks von vier bekannten Herstellern: Red Bull, Red Bull Zero, Monster Energy, Monster Ultra Paradise, Rockstar, Rockstar Sugar Free, Celsius Live Fit und Celcius Heat. Damit Zellwachstum und -differenzierung nicht durch den tiefen pH-Wert der Energy Drinks negativ beeinflusst wird, haben sie diesen mittels Natriumhydroxid auf einen pH-Wert von etwa 7 angehoben.

Zuerst untersuchten die Forschenden den Einfluss unterschiedlicher Konzentrationen von RedBull auf die Zelltoxizität. Die verwendeten Verdünnungen betrugen: 1:100, 1:50, 1:20, 1:15, 1:10, 1:8, 1:5, 1:2 und 1:1. Die meisten Verdünnungen hatten keine grossen Auswirkungen auf die Muskelzellen mit Ausnahme der 1:2- und 1:1-Verdünnungen, die 30 – 40% der Muskelzellen abtöteten.

Alle acht Energy Drinks wurden dann mit 1:50- und 1:5-Verdünnungen den Muskelzellen auf unterschiedlichen Nährmedien hinzugefügt. Im Nährmedium, das das Wachstum von Muskelzellen fördert, war bei fast allen Verdünnungen und Energy Drinks keine erhöhte Toxizität feststellbar. Mit zwei Ausnahmen: Celcius Live Fit und Celsius Heat riefen bei der 1:5-Verdünnung jeweils 14, respektive 28% Zelltod hervor. Durchschnittlich wiesen die anderen Energy Drinks eine Koffeinkonzentration von 32.5 mg/100 ml auf. Celcius Live Fit und Celsius Heat haben mit 56.3, respektive 63.4 mg/100 ml eine fast doppelt so hohe Koffeinkonzentration. Dies könnte eine Ursache für die höhere Zelltoxizität sein. Eine zukünftige Studie, die die Koffeinkonzentration in den anderen Energy Drinks verdoppelt, könnte hier Klarheit schaffen.

Im Nährmedium, das die Differenzierung von Muskelzellen fördert, zeigten die 1:5-Verdünnungen bei fast allen Energy Drinks toxische Effekte von etwa 20 - 30% auf die Muskelzellen. Die Ausnahme hier war Red Bull Zero, das bei beiden Verdünnungen keinen Einfluss auf den Zelltod aufwies.

Im nächsten Schritt untersuchte die Forschungsgruppe den Einfluss der Energy Drinks auf die Muskelzelldifferenzierung. Die Differenzierung von Muskelzellen ist der Prozess, durch den sich undifferenzierte Zellen zu spezialisierten Muskelzellen entwickeln. Dieser Prozess wird durch verschiedene Faktoren reguliert, darunter Genexpression, Signalwege und Umwelteinflüsse. Als Negativkontrolle dienten Muskelzellen, die keinem Energy Drink ausgesetzt wurden.

Das Aussetzen der Muskelzellen in Energy Drinks hatte einen drastischen Effekt auf die Fusion von Myoblasten. Myoblastenfusion in der Muskelentwicklung bewirkt, dass mehrkernige Myotuben gebildet werden, die Bausteine der Skelettmuskelfasern. Sechs von acht Energy Drinks verhinderten die Bildung dieser Myotuben bei einer Verdünnung von 1:5. Die einzige Ausnahme stellten Red Bull und erneut Red Bull Zero dar. Einen Hinweis auf die geringere Inhibition in Red Bull und Red Bull Zero könnte die Vitamin-B6-Konzentration geben, die 2- bis 4-mal so hoch ist im Vergleich zu den anderen Energy Drinks. Mehrere Studien zeigen einen positiven Effekt von Vitamin B6 auf die Entwicklung und Differenzierung von Muskelzellen [13,14].

Fazit

So interessant die Studie sein mag, so limitiert ist sie auch. Sie gibt keinerlei Antwort auf die Wirkungsweisen der einzelnen Zutaten oder deren biochemischer Interaktion auf die Muskelzellen. Mechanistische Einblicke sind nicht möglich, da die Energy Drinks als Ganzes mit ihren unterschiedlichen Formulierungen untersucht wurden. Für die Identifikation von Schlüsselmolekülen, die für die Toxizität sowie die Inhibition von Zellwachstum und/oder -differenzierung verantwortlich sind, bedarf es weiterer Studien, die die einzelnen Zutaten isoliert und in Kombination betrachten. Dennoch ist es die erste Studie, die negative Effekte von Energy Drinks auf die Muskelzellbildung in vitro beobachtet hat.

Referenzen:

  1. Energy Drinks Market Size, Share & Growth | Industry Report, 2031. [cited 21 Jun 2023]. Available: https://www.alliedmarketresearch.com/energy-drink-market
  2. Rockville P. Energy Drinks | NCCIH. In: Nccih [Internet]. 2018 [cited 21 Jun 2023]. Available: https://www.nccih.nih.gov/health/energy-drinks
  3. Jee HJ, Lee SG, Bormate KJ, Jung YS. Effect of Caffeine Consumption on the Risk for Neurological and Psychiatric Disorders: Sex Differences in Human. Nutr 2020, Vol 12, Page 3080. 2020;12: 3080. doi:10.3390/NU12103080
  4. Jia N, Sun Q, Su Q, Dang S, Chen G. Taurine promotes cognitive function in prenatally stressed juvenile rats via activating the Akt-CREB-PGC1α pathway. Redox Biol. 2016;10: 179–190. doi:10.1016/J.REDOX.2016.10.004
  5. Higgins JP, Tuttle TD, Higgins CL. Energy Beverages: Content and Safety. Mayo Clin Proc. 2010;85: 1033–1041. doi:10.4065/MCP.2010.0381
  6. Singh P, Gollapalli K, Mangiola S, Schranner D, Yusuf MA, Chamoli M, et al. Taurine deficiency as a driver of aging. Science. 2023;380: eabn9257. doi:10.1126/SCIENCE.ABN9257/SUPPL_FILE/SCIENCE.ABN9257_MDAR_REPRODUCIBILITY_CHECKLIST.PDF
  7. Thirupathi A, Pinho RA, Baker JS, István B, Gu Y. Taurine Reverses Oxidative Damages and Restores the Muscle Function in Overuse of Exercised Muscle. Front Physiol. 2020;11: 582449. doi:10.3389/FPHYS.2020.582449/BIBTEX
  8. Boyina R, Dodoala S. Evaluation of the neurobehavioural toxic effects of taurine, glucuronolactone, and gluconolactone used in energy drinks in young rats. Turkish J Pharm Sci. 2020;17: 659–666. doi:10.4274/tjps.galenos.2019.33602
  9. Voskoboinik A, Koh Y, Kistler PM. Cardiovascular effects of caffeinated beverages. Trends Cardiovasc Med. 2019;29: 345–350. doi:10.1016/J.TCM.2018.09.019
  10. Mansour B, Amarah W, Nasralla E, Elias N. Energy drinks in children and adolescents: demographic data and immediate effects. Eur J Pediatr. 2019;178: 649–656. doi:10.1007/S00431-019-03342-7/FIGURES/2
  11. Clapp O, Morgan MZ, Fairchild RM. The top five selling UK energy drinks: implications for dental and general health. Br Dent J 2019 2267. 2019;226: 493–497. doi:10.1038/s41415-019-0114-0
  12. Park SY, Karantenislis G, Rosen HT, Sun H. Effects of energy drinks on myogenic differentiation of murine C2C12 myoblasts. Sci Reports 2023 131. 2023;13: 1–14. doi:10.1038/s41598-023-35338-7
  13. Kumar A, Kumar Y, Sevak JK, Kumar S, Kumar N, Gopinath SD. Metabolomic analysis of primary human skeletal muscle cells during myogenic progression. Sci Reports 2020 101. 2020;10: 1–14. doi:10.1038/s41598-020-68796-4
  14. Komaru T, Yanaka N, Kumrungsee T. Satellite cells exhibit decreased numbers and impaired functions on single myofibers isolated from vitamin B6-deficient mice. Nutrients. 2021;13: 4531. doi:10.3390/NU13124531/S1

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Molekular- und Muskelbiologe. Forscher an der ETH Zürich. Kraftsportler.


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