Nokia 3210 im Test: Das kann die 2024er-Auflage
Hallo Nostalgie: Das Nokia 3210 kann kaum mehr als das Original von vor 25 Jahren. Von Telefonieren und SMS abgesehen ist Digital Detox angesagt – außer du willst unbedingt den Highscore bei Snake knacken.
Der Hersteller HMD preist das Nokia 3210 als Handy zur Entschleunigung an. Du bist zur Not erreichbar oder erreichst andere, aber du wirst keine Zeit mit dem Telefon vergeuden. Das gilt allerdings für jedes sogenannte Dumb- oder Feature Phone. Das Nokia 3210 lockt mit Snake, einem FM-Radio, einer Kamera, die keinen Filter für Retro-Bilder braucht und einem rudimentären Internetzugang.
Ein modernisierter Klassiker
Mein erster Gedanke zum Nokia 3210: «Krass, wie viel vom Alten geblieben ist.» Doch dann werfe ich einen Blick auf das Original und sehe doch viele optische Veränderungen. Es ist leichter, kürzer und dünner geworden. Es gibt nur noch einen kleinen Schlitz für den Lautsprecher über dem 2,4 Zoll großen Display, das nun in vielen Farben und nicht mehr nur in Grüntönen erstrahlt. Das Display ist knapp hell genug, um bei Sonnenschein erkennbar zu sein.
Die Navigationstasten hat HMD modernisiert. Geblieben ist das Feld mit den Zahlentasten. Drehe ich das 3210 um, erinnert mich der Umriss der Rückansicht an einen Sarkophag. Die drei zur Wahl stehenden Farben sind bunter als damals im letzten Jahrtausend.
Mit einem beherzten Griff an der USB-C-Buchse nehme ich die Rückseite ab. Jetzt kann ich den Akku und zwei Nano-SIM-Karten sowie eine microSD-Karte mit bis zu 32 Gigabyte einlegen. Letztere erweitert den internen Speicher, der mit 128 Megabyte knapp bemessen ist. Viele Daten kannst du auf dem Handy nicht ablegen. Willst du Fotos aufnehmen oder unterwegs deine MP3-Sammlung hören, ist die Speicherkarte die einzige Möglichkeit.
Der Akku des 3210 hat mit 1450 mAh eine vergleichsweise geringe Kapazität. Aktuelle Smartphones bewegen sich um die 5000 mAh. Trotzdem hält das Nokia – vor allem im Standby – viel länger durch. Da es weniger kann als ein Smartphone und entsprechend weniger genutzt wird, ist das auch keine Kunst. Aber für ein Notfalltelefon ist es durchaus relevant, dass es ohne Probleme über eine Woche durchhält. Die reine Sprechzeit gibt der Hersteller mit knapp zehn Stunden an.
Tasten und T9 statt Touchscreen
Ich bin überrascht, wie schnell ich die Bedienung über den Vier-Wege-Button und die beiden Tasten rechts und links wieder drauf habe. Es ist zwar nicht die Originalnavigation, aber nah dran. Wer jedoch noch nie so ein Handy genutzt hat, könnte sich mit der Umgewöhnung vom Touchscreen schwerer tun.
Das gilt insbesondere beim Schreiben von Texten über T9. So heißt die Eingabemethode, bei der du bis zu viermal eine der Zahlentasten drückst, um einen Buchstaben auszuwählen. Es gab oder gibt vielleicht immer noch Menschen, die damit sehr schnell tippen können. Doch eine Smartphone-Tastatur inklusive Vervollständigungsfunktion und Autokorrektur ist schneller.
SMS-Gruppe statt Gruppenchat
HMD schlägt unter anderem vor, das Nokia 3210 als Festival-Handy zu benutzen. Keine Sorge ums Wohlergehen des teuren Smartphones, Zeit für deine Freunde und im Zweifel doch erreichbar. Dabei müsste ich aber auf den Gruppenchat bei WhatsApp, Threema oder Co. verzichten. Die Installation von Apps ist beim genutzten Betriebssystem S30+ nicht vorgesehen.
Stattdessen wird eine SMS-Gruppe eingerichtet. Hier gilt es, sich kurz zu halten – 123 Zeichen sind das Limit. Aber beim Festival ginge es ja auch nicht um lange Diskussionen, sondern um kurze Absprachen, wer wann zu welcher Bühne geht. Fotos und Videos gibt es frühestens nach der Rückkehr zu sehen – und Sprachnachrichten muss sich auch niemand anhören.
Willkommen im begrenzten Internet
Du kannst auf dem Nokia 3210 keine Apps installieren, ins Internet kommst du damit trotzdem. Also nicht per WLAN, sondern per 4G und über die eingelegte SIM-Karte. Facebook ist vorinstalliert. Böse Zungen würden jetzt behaupten: «Passend zur Boomer-Zielgruppe». Aber HMD hat eher jüngere Leute im Visier, die die erste Generation des Handys nicht aus eigener Erfahrung kennen.
Zusätzlich ist «Opera Mini» installiert. Der Browser ermöglicht einen mobilen Zugang zum Internet. Theoretisch zu jeder Webseite. Die Eingabe der URL erfolgt aber via T9 und die Navigation über das Steuerkreuz. Damit lässt sich kaum eine Internetseite sinnvoll steuern – falls Opera Mini sie überhaupt korrekt auf dem 3210 anzeigen kann. Mich erinnert das an Zeiten, in denen Webseiten nur für den Internet Explorer optimiert waren – also die Zeit des ersten 3210. Das Internet bleibt so eine Notfalloption und wird garantiert kein Zeitvertreib auf dem Nokia.
Es kann nur eine Schlange geben
Natürlich läuft auf dem Nokia 3210 «Snake». Der Klassiker für den Zeitvertreib hat einen neuen Anstrich bekommen. Die Schlange ist nun Gelb, hebt sich vom dunklen Hintergrund ab und frisst rote Äpfel.
Acht weitere Spiele sind vorinstalliert. Mit «Doodle Jump» und «Crossy Road» sogar halbwegs bekannte Titel. Nachteil aller Games jenseits von «Snake»: Sie sind nicht «Snake». Außerdem sind bei ihnen jeweils nur fünf Testspiele kostenlos. Damit konterkariert HMD seinen Digital-Detox-Ansatz für das 3210. Aber die Gefahr, sich eines dieser Spiele zuzulegen, ist gering.
Jedes Pixel sehen
HDM versucht die 2-Megapixel-Kamera des Nokia 3210 zwar mit «Schnappschüsse im Y2K-Stil» schönzureden. Aber sogar bei Sonnenschein erwartet dich nicht mehr als Pixelbrei, der bestenfalls farblich halbwegs in Ordnung ist.
Selbst für Schnappschüsse ist das nicht mehr zeitgemäß, sondern vor allem eine Erinnerung daran, welche Fortschritte die Technik gemacht hat. Die Kamera ist auf jeden Fall kein Grund, sich das Nokia 3210 zuzulegen.
Radio und MP3 für den Zeitvertreib
Die bekannten Streamingdienste suchst du auf dem Nokia 3210 vergeblich. Stattdessen kannst du mit dem Handy Radio hören. Ein FM-Empfänger ist verbaut. In der Schweiz allerdings nur noch bis zum 31. Dezember 2024. Dann schaltet der SRF seine UKW-Antennen ab. In Deutschland hegt bisher nur Schleswig-Holstein entsprechende Pläne, die sich aber noch bis 2031 strecken. Mit einem Kopfhörer in der 3,5-mm-Buchse erweiterst du die Antenne und verbesserst den Empfang. Das funktioniert wunderbar und bei der EM hörst du bei einer Live-Übertragung jedes Tor schneller, als die anderen es sehen.
Die größte Modernisierung neben 4G ist, dass das 3210 über Bluetooth 5.0 verfügt. Du kannst also auch drahtlose Kopfhörer verbinden. Der Weg über das Menü ist ungewohnt, aber funktioniert. Die Unterstützung der Antenne beim Radioempfang fehlt dann natürlich. Dafür kannst du deine MP3s genießen – das einzige Musikformat, welches das Handy abspielen kann. Ein paar alte Tracks habe ich noch gefunden und über die Kopfhörer klingen sie auf jeden Fall besser als über den einzelnen Lautsprecher des 3210.
Fazit
Nostalgie alleine genügt nicht
Das Nokia 3210 kann und will nicht mit aktuellen Smartphones mithalten. Stattdessen konzentriert es sich auf Basisfunktionen: Telefonieren und SMS. Diese erledigt es dank 4G und einer langen Akkulaufzeit sehr gut. Für die einen gibt es als Bonus nostalgische Erinnerungen. Andere müssen sich dagegen erst in die Bedienung ohne Touchscreen einarbeiten.
Das FM-Radio und die Möglichkeit, Kopfhörer per Bluetooth zu verbinden, erweitern die Möglichkeiten des Handys. Die Spiele jenseits von Snake hätte es aber nicht gebraucht und auch Facebook würde ich gerne gegen eine Messenger-App eintauschen. Auch die Kamera hätte HMD von mir aus zugunsten eines günstigeren Preises einsparen können – wie beim Original-3210.
Am Ende bleibt das Nokia 3210 ein Feature Phone mit Nostalgie-Faktor. Die erwähnten Basisfunktionen bekommst du bei anderen Geräten günstiger, die sind bisher allerdings kaum auf USB-C umgestellt.
Pro
- Lange Akkulaufzeit
- integriertes FM-Radio
- Snake
- USB-C
Contra
- Miese Kamera
- Internet nur schwer nutzbar
- Messenger- oder Chat-App wäre sinnvoller als Facebook
Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus.