Hintergrund

OnePlus drosselt 9er-Phones: «Wir wollten gute Performance ohne grossen Stromverbrauch»

Das OnePlus 9 und das OnePlus 9 Pro werden vom Betriebssystem künstlich gedrosselt. Die «beliebtesten Apps, inklusive Chrome» werden von den schnellen Prozessoren des Snapdragon 888 ferngehalten.

OnePlus gibt zu, dass das One Plus 9 und OnePlus 9 Pro von der Software gedrosselt werden. Oder wurden. Und der Konzern schiebt den schwarzen Peter den Nutzern zu. Das berichtet das Branchenportal xdadevelopers.

Die Kurzfassung: User hätten sich über hohe Temperaturen im Phone beschwert und über hohen Stromverbrauch. Daher habe OnePlus softwareseitig das Problem behoben. Sie haben die aktuellen Flaggschiffe der 9er-Serie gedrosselt, wenn «die beliebtesten Apps, inklusive Chrome» benutzt werden.

Mit dem Ansatz, die Experience über die Leistung zu stellen, steht OnePlus nicht alleine da, hat aber heuer Ärger damit.

AnandTech entdeckt Drosselung

OnePlus macht vor allem mit seinen Kameras – in der neuesten Version mit Hasselblad-Software-Konfiguration – und seinen Displays Werbung. Aber auch der Rest der Phones kann sich sehen lassen: Snapdragon 888 und 12 GB RAM, unter anderem. Diese zwei Specs alleine lassen massiv Leistung zu. Ausser natürlich, wenn diese Leistung vom Betriebssystem gedrosselt wird.

Andrei Frumusanu, Autor des Tech-Portals AnandTech hat entdeckt, dass das OnePlus 9 und das 9 Pro eine Blacklist hat. Apps wie Chrome werden es nicht erlaubt, die schnellsten Prozessorkerne des Phones zu nutzen. Benchmark Apps – Apps, die die Leistung des Phones ausreizen und in Zahlen messen – hingegen bekommen vollen Zugriff auf alle Systemressourcen.

Diesen Schluss zieht Andrei nachdem er die Performance des Snapdragon 888 der OnePlus-Geräte mit anderen Smartphones mit demselben System-on-a-Chip (SoC) verglichen hat. Denn er war sich nach ersten Versuchen sicher: Da stimmt etwas mit dem Browser nicht. Seine Erkenntnisse nach Tests, die er in Videoform festgehalten hat: Insbesondere Chrome darf nur auf die kleinen A55-Prozessorkerne des Phones zugreifen. Denn, als er weitere Tests mit dem Vivaldi Browser gemacht hat, stellt sich heraus, dass dieser weit bessere Performance zeigt. In Zahlen ausgedrückt:

  • Chrome: 61.5 Runs per Minute beim ersten Durchlauf
  • Vivaldi: 105 Runs per Minute beim ersten Durchlauf

Weitere Durchläufe produzieren eine tiefere Zahl, da zu dem Zeitpunkt das Smartphone durch die Anstrengung aufgewärmt wurde und so die Leistung drosselt, damit das Phone nicht überhitzt.

Am Ende seiner Tests hatte Andrei eine Serie Resultate, die eine klare Sprache sprechen: Da stimmt etwas nicht.

Ein Blick in den Code der Phones hat dann bewiesen, was er vermutet hat.

I/OPPerf: perfAcquire # SPerfInfo{com.android.chrome 160 cpu_bouncing_02 0}

Sobald Chrome gestartet wird, passiert etwas, das sich cpu_bouncing_02 nennt. Das ist ein Modifikator, die die Performance einer App verändert. Sobald Chrome gestartet wird, greift cpu_bouncing_02 ein. Wenn Vivaldi gestartet wird, wird der Browser ohne Modifikator gestartet. Nicht nur Chrome ist betroffen von dieser Drosselung seitens des Herstellers. Und da ist ein zweiter Modifikator: cpu_bouncing_01. Andrei hat eine Serie Apps getestet, bis er sich sicher war, dass da tatsächlich Seltsames vor sich geht. Darum ist die folgende Liste nicht vollständig.

cpu_bouncing_02

  1. us.zoom.videomeetings
  2. com.whatsapp
  3. com.facebook.katana
  4. com.zhiliaoapp.musically (TikTok)
  5. com.instagram.android
  6. com.snapchat.android
  7. com.google.android.youtube
  8. com.chrome.beta
  9. com.android.chrome

cpu_bouncing_01

  1. com.android.settings
  2. net.oneplus.launcher
  3. net.oneplus.forums
  4. net.oneplus.weather
  5. com.oneplus.backuprestore
  6. com.oneplus.filemanager
  7. com.oneplus.note
  8. com.oneplus.gallery
  9. com.oneplus.camera
  10. com.reddit.frontpage
  11. com.twitter.android
  12. com.amazon.mShop.android.shopping
  13. com.android.vending
  14. com.dropbox.android
  15. org.mozilla.firefox
  16. com.google.android.dialer
  17. com.google.android.gm
  18. com.google.android.documentsui
  19. com.google.android.apps.docs.editors.docs
  20. com.google.android.apps.photos
  21. com.google.android.apps.meetings
  22. com.google.android.apps.messaging
  23. com.linkedin.android
  24. com.discord
  25. com.netflix.mediaclient
  26. com.king.candycrushsaga
  27. com.adobe.lrmobile
  28. com.adobe.reader
  29. tv.twitch.android.app
  30. com.microsoft.emmx
  31. com.brave.browser
  32. com.nianticlabs.pokemongo
  33. com.microsoft.teams
  34. com.adobe.scan.android
  35. org.videolan.vlc
  36. com.strava
  37. com.amazon.avod.thirdpartyclient
  38. com.airbnb.android
  39. com.ubercab
  40. com.ubercab.eats
  41. com.microsoft.office.outlook
  42. com.microsoft.office.excel
  43. com.microsoft.office.powerpoint
  44. com.microsoft.office.officehubrow
  45. com.microsoft.office.word

Andrei schliesst daraus: «Was offensichtlich ist, ist dass das kein Mechanismus ist, der nur eine Handvoll Apps betrifft. So ziemlich jede App, die auch nur ansatzweise im Play Store beliebt ist, ist betroffen.»

OnePlus antwortet

Andrei stellt im späteren Verlauf seiner Untersuchung eine philosophische Frage: Wie wird subjektive Performance gemessen. Die OnePlus-9-Serie sei nun schon einige Monate auf dem Markt und niemand habe sich öffentlich beschwert. Offensichtlich seien die User mit dem Phone und seiner Leistung zufrieden.

OnePlus 9 (8GB) (128 GB, Arctic Sky, 6.55", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)
Smartphone

OnePlus 9 (8GB)

128 GB, Arctic Sky, 6.55", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

OnePlus 9 Pro (256 GB, Pine Green, 6.70", Dual SIM, 48 Mpx, 5G)
Smartphone

OnePlus 9 Pro

256 GB, Pine Green, 6.70", Dual SIM, 48 Mpx, 5G

  • Produkttest

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Trotzdem ist so eine künstliche Limitierung der Leistung ein Aufreger. Denn wenn du Besitzer eines OnePlus 9 Pro bist, dann willst du die volle Leistung deines 1000-Franken-Phones ausnutzen können.

Vor allem aber fragt Andrei öffentlich nach den Gründen der Drosselung. Warum hat sich OnePlus die Mühe gemacht, Apps künstlich zu verlangsamen. Die Antwort liefert OnePlus selbst. In einem Statement auf xdadevelopers schreibt OnePlus:

«Unsere Haupt-Priorität war es immer, eine grossartige User-Experience mit unseren Produkten zu liefern, teilweise basierend auf einer schnellen Reaktion auf User Feedback. Nach dem Launch des OnePlus 9 und dem 9 Pro im März haben uns einige User Hinweise gegeben, in welchen Bereichen wir die Batterielaufzeit und das Temperaturmanagement der Phones verbessern könnten. Als Resultat dieses Feedbacks hat unser R&D Team in den vergangenen Monaten an der Optimierung der Performance der Geräte während der Nutzung der beliebtesten Apps, inklusive Chrome, gearbeitet, indem die Prozessoranforderungen der Apps der passendsten Leistung des Phones angepasst wurden. Das hat geholfen, eine reibungslose Performance zu liefern und den Stromverbrauch zu senken. Selbst wenn das die Performance in einigen Benchmarking Apps beeinträchtigen kann, so liegt unser Fokus wie immer darauf, was wir tun können, um die Performance der Geräte für die User zu verbessern.»

Das in umständlichem Englisch formulierte Statement impliziert einige Dinge:

  • Die User sind schuld
  • Die Drosselung wurde nach dem Launch der Phones eingeführt
  • OnePlus priorisiert nicht die Leistung, sondern die Experience

Vor allem mit letzterem Punkt steht OnePlus nicht alleine da. Apple macht das seit Jahren erfolgreich. Dort scheint zu gelten, dass Specs nur so gut sind, wie die Performance des Gesamtproduktes am Ende. Deshalb sind iPhones technologisch nie einsame Spitze, laufen dafür aber jahrelang problemlos. Es ist aber nicht bekannt, ob diese Philosophie bei Apple zur aktiven App-Drosselung geführt hat.

OnePlus hat nicht bekanntgegeben, was sie in Zukunft tun werden. Wird die Drosselung wieder ausgebaut? Hält der Konzern daran fest?

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