Pflanzenlust statt Baumarkt-Frust: Das macht Feey anders als die Konkurrenz
Hintergrund

Pflanzenlust statt Baumarkt-Frust: Das macht Feey anders als die Konkurrenz

Auf Galaxus sind seit Kurzem Feey-Pflanzen erhältlich. Ich habe die Firma besucht, ihre Pflanzendoktoren auf die Probe gestellt und erfahren, warum die Grünlinge aus Uzwil länger leben als solche aus Baumärkten und Möbelhäusern.

Leere Kühltheken, verlassene Regale, alte Leuchtröhren. Sie und das verblichene Migros-Logo sind die letzten Zeugen des ehemaligen Supermarkts im Herzen Uzwils. Drei Jahre lang stand er leer und verwandelte sich in einen «Lost Place». Doch nun erobern Pflanzen die verwaisten Flächen zurück. Oder besser gesagt: Feey. Der wohl bekannteste Schweizer Online-Pflanzenshop hat hier vor fünf Monaten Wurzeln geschlagen. Tausende Pflanzen spriessen und ranken, wo bis 2021 Kundschaft ein- und ausgegangen ist.

Pflanzen statt Fasnachtschüechli: Wo einst die Migros hauste, breitet sich nun Feey aus.
Pflanzen statt Fasnachtschüechli: Wo einst die Migros hauste, breitet sich nun Feey aus.
Quelle: Christian Walker

Auch ich trete durch die Schiebetür des einstigen Eingangs. Ich bin nicht alleine gekommen – kränkelnde Pflanzen meiner Arbeitsgspändli begleiten mich. Für Jil Claire Schulz, Head of Communications von Feey, ist das ein bekanntes Phänomen: «Viele Leute sind überfordert mit der Pflanzenpflege. Kaufen sie ihre Pflanzen in Baumärkten oder Möbelhäusern, erhalten sie zu wenig Hilfe und sind überfordert. Nach ein paar Monaten sterben die Pflanzen. Genau das wollen wir verhindern.»

Jil Claire (r.) erklärt mir, wie Feey das Leben von Zimmerpflanzen verlängern will.
Jil Claire (r.) erklärt mir, wie Feey das Leben von Zimmerpflanzen verlängern will.
Quelle: Christian Walker

Jedem Pflänzchen sein Pläsierchen

Um mir zu zeigen, wie das gelingt, führt mich Jil Claire durch zahlreiche Pflanzenregale. Auf jedem Gestell stehen Exemplare ein und derselben Art. Sie werden von Pflanzenexpertinnen und -experten je nach Bedarf gegossen und gepflegt. «Das ist ein entscheidender Unterschied zu Baumärkten. Wir können und wollen uns die Zeit nehmen, jede Pflanze gemäss ihren individuellen Bedürfnissen zu versorgen», sagt Jil Claire.

Die Pflanzen von Feey werden nach Sorte getrennt gegossen und gepflegt.
Die Pflanzen von Feey werden nach Sorte getrennt gegossen und gepflegt.
Quelle: Christian Walker

An einem grossen Tisch bleibt Jil Claire stehen. Eine der 35 festangestellten Mitarbeitenden zieht gerade eine Yucca aus einem Anzuchttopf. Die Pflanze stammt aus den Niederlanden, wie der Grossteil der Feey-Pflanzen – und auch der Konkurrenz. Was Feey anders macht: Das Team ist regelmässig selbst vor Ort und sucht für jede Pflanzenart die geeignete Gärtnerei aus. Ausserdem überprüft es die Qualität jeder einzelnen Pflanze.

Strenge Prüfung, keine Kompromisse

Treffen die Pflanzen in Uzwil ein, checken die Mitarbeitenden zuerst die Wurzeln. Sind sie zu lang, kürzen sie sie. Sind sie zu kurz und schwach, sortieren sie die Pflanze aus. Viele Grünlinge mögen auf den ersten Blick gleich aussehen, doch es herrschen grosse Unterschiede in der Qualität. Das Geheimnis liegt laut Jil Claire in den Wurzeln. «Nur Pflanzen, die genug Zeit zum Anwurzeln bekommen haben und nicht mit ‹Doping› hochgezogen wurden, wachsen auf Dauer schön», erklärt sie. Feey topft alle Pflanzen von Hand um und verzichtet auf das häufig verwendete staubfeine Kokossubstrat. Stattdessen kommt die hauseigene Erde in den Topf.

Auch das Feey-Substrat unterscheidet sich von Baumarkt-Erde.
Auch das Feey-Substrat unterscheidet sich von Baumarkt-Erde.
Quelle: Christian Walker

Und diese Erde hat es in sich. Jil Claire nimmt eine Hand voll aus dem Trog. Das Substrat aus Rindenhumus, Holzfasern, Gestein und nährstoffreichem Kompost ist bröckelig und ungleichmässig. Mit gutem Grund: Durch die heterogene Beschaffenheit lässt es Sauerstoff und Wasser besser durch. Pflanzen werden so weniger leicht überwässert. Genau das ist einer der häufigsten Fehler, der «Pflanzeneltern» unterläuft.

Notfallpaket gegen den Pflanzenkollaps

Für Jil Claire ist das wenig überraschend. «Bei Pflanzen aus dem Baumarkt wird man mit der Auswahl und Pflege allein gelassen. Die meisten Leute wissen nicht, welche Sorte wo in ihre Wohnung passt und wie sie mit den Pflanzen umgehen sollen. Die aufgedruckten Pflegehinweise sind oft verwirrend», sagt Jil Claire. Feey bietet gleich mehrfach Unterstützung:

  • Pflanzenfinder: Über einen Fragebogen zu Lichtverhältnissen, Luftfeuchtigkeit, Haustieren und Co. wird eine passende Pflanze empfohlen. Alternativ berät Feey auch per Videocall.
  • Augmented Reality: Wunschpflanzen können via Smartphone oder Tablet ins Wohnzimmer projiziert werden, um zu sehen, wie sie im Raum wirken.
  • Pflegeanleitung: Mit der Pflanze wird eine einfach verständliche Pflegeanleitung mitgeliefert.
  • Pflanzenlexikon: Ein Online-Lexikon liefert zusätzliche Pflegehinweise.
  • Pflanzendoktoren: Bei Krankheiten und Schädlingen können Fotos an die Pflanzenprofis geschickt werden. Sie helfen kostenlos.

Dutzende Anfragen gehen täglich bei den Pflanzendoktoren ein. An diesem Tag erhöhe ich die Zahl um weitere neun. Ich packe die kränkelnden Pflanzen meiner Arbeitskolleginnen und -kollegen aus und lege sie auf den Behandlungstisch. Die Pflanzendoktoren strecken die Köpfe zusammen.

Deboras Blätterproblem

Von Debora stammen gleich sechs Patienten. Die Goeppertia warscewiczii kräuselt sich trotz regelmässiger Sprüh-Benebelung. Die grosse Flamingoblume bekommt immer wieder braune Blätter. Und dann gibt’s noch die Blätter des köstlichen Fensterblatts, die sich genauso gelb färben wie diejenigen der Friedenslilie «Spathiphyllum cochlearispathum». Letztere hat Debora kürzlich umgetopft, doch die eingewickelten Blätter wollen sich nicht entwirren. Auch die Dieffenbachie «Tropic Snow» ist frisch umgetopft. Doch ihre Wurzeln wollen nicht wachsen und an den neuen Trieben bilden sich trockene, braune Stellen.

Der Goeppertia warscewiczii gefällt Deboras Hydropflege nicht.
Der Goeppertia warscewiczii gefällt Deboras Hydropflege nicht.
Quelle: Debora Pape
Die Blätter der Flamingoblume wachsen knusprig.
Die Blätter der Flamingoblume wachsen knusprig.
Quelle: Debora Pape
Nix mit friedlich: Die Friedenslile steht mit ihrer Pflege auf Kriegsfuss.
Nix mit friedlich: Die Friedenslile steht mit ihrer Pflege auf Kriegsfuss.
Quelle: Debora Pape

Was meinen die Profis dazu? Jil Claire sagt, gelbe Blätter könnten viele Ursachen haben. In Kombination mit jungen Blättern, die schon zu Beginn braun seien, lohne sich ein Blick auf die Wurzeln. «Die Erde scheint relativ dicht und staubig. Es handelt sich wohl um eine homogene Masse ohne Steinchen und Co. Darum: Pflanze aus dem Innentopf ziehen und mal schauen, was sich im Topf rumtreibt. Beige, feste Wurzeln dürfen bleiben, schwarze, matschige Wurzeln werden abgeschnitten. Und dann am besten in durchlässige Erde einpflanzen.»

Auch ein Blick auf die Blätter und insbesondere deren Unterseiten lohnt sich laut Jil Claire. Seien die Blätter gelblich gesprenkelt, könnten Spinnmilben am Werk sein. Das sind klitzekleine Schädlinge, die leicht mit Staub zu verwechseln sind. «Sie machen feine Netze, so können sie am einfachsten entlarvt werden. Und ein rein kosmetischer Tipp: Gänzlich braune Blätter dürfen weg. Die werden leider nicht mehr grün.»

Davides letzte Überbleibsel

Bei Davide sind zwei Patienten ganz übel dran. Mehr als trockene Stängel sind von seiner Monstera und einer nicht mehr identifizierbaren Palme nicht übrig geblieben. Haben sie noch eine Überlebenschance?

Die Pflanzendoktoren meinen: nein. Oft können sehr mitgenommene Pflanzen noch gerettet werden, indem sie aus der Erde geholt und die Überbleibsel vermehrt werden. «Sind aber alle Triebe braun und keinerlei grüne Stellen mehr vorhanden, dann wird es Zeit, die Pflanzen liebevoll der Grüntonne zu übergeben», erklärt Jil Claire.

Das sieht ja monströs aus: Davides Monstera wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Das sieht ja monströs aus: Davides Monstera wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Quelle: Davide Arizzoli

Auch Davides Glücksfeder ist aktuell unglücklich. Die einst buschige Pflanze verliert immer mehr Blätter sowie ihre dunkelgrüne Farbe. Hier haben die Profis gleich zwei Tipps: Mehr Licht und weniger Wasser. Glücksfedern speichern in ihren dicken Wurzeln viel Wasser und brauchen darum nur wenig Aufmerksamkeit. Hier ist laut Jil Claire angesagt: Matschige Triebe auszupfen und dann eine strikte Wasserdiät in Kombination mit einem Standort, an dem die Blätter den blauen Himmel sehen können.

Die Lösung für komplizierte Pflanzen?

Einmal mehr zeigt sich: Aussergewöhnliche exotische Pflanzen sind zwar schön anzusehen, aber häufig zu anspruchsvoll für Laien. Und manchmal sogar für die Profis. «Es gibt immer wieder neue Züchtungen, die auf den ersten Blick fantastisch aussehen. Wir testen die Pflanzen und lassen sie eine Weile bei uns stehen. Es gibt immer wieder solche, die einfach nicht gedeihen wollen. Uns scheint es, als seien sie zum Sterben gezüchtet. Deshalb nehmen wir sie nicht ins Sortiment auf», erzählt Jil Claire.

Doch es gibt auch geglückte Versuche. Um die Pflege von Raritäten und ganz normalen Pflanzen zu erleichtern, tüftelt das Team gerade an einer eigenen Indoor-Farm in St. Gallen. Der Online-Pflanzenshop bezieht bereits einen Teil seiner Pflanzen daraus – und nach und nach sollen es mehr werden, dank Hydropflanzen.

Jil Claire zeigt auf ein Gestell mit einem Wasserbecken, in dem Philodendren und Calatheas in Töpfen mit braunen Kügelchen stehen. «Blähton gibt den Wurzeln Halt und macht die Pflege in Kombination mit einer Wasserstandsanzeige kinderleicht. Ein Blick auf die Anzeige und schon ist klar, ob ein Griff zur Giesskanne sinnvoll ist», sagt Jil Claire. Das erhöht die Überlebenschancen erheblich.

Ein Blick ins «Versuchslabor»: Die Philodendron ‹Ring of Fire› bei ihrer Entwicklung zur Hydropflanze.
Ein Blick ins «Versuchslabor»: Die Philodendron ‹Ring of Fire› bei ihrer Entwicklung zur Hydropflanze.
Quelle: Christian Walker

Keine toten Produkte

Über Jahrzehnte herrschte reges Treiben in der einstigen Migros in Uzwil. Wie ein uralter Baum überdauerte sie Jahre des Regens und der Dürre. Jil Claire wünscht sich, dass auch den Feey-Pflanzen ein langes Leben bevorsteht und aus ihren Töpfen keine «Lost Places» werden. «Zimmerpflanzen sind keine Blumensträusse, die verdorren. Sie sind keine toten Produkte. Sie sollen leben. Dafür tun wir alles.»

Wo einst Melectronics zu Hause war, wuchern nun Feey-Pflanzen.
Wo einst Melectronics zu Hause war, wuchern nun Feey-Pflanzen.
Quelle: Christian Walker

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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.


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