«Pokémon TCG Pocket» bringt endlich die Tauschfunktion – aber auch mehr problematische Inhalte
Drei Monate nach dem Release von «Pokémon TCG Pocket» erscheint die zweite Erweiterung. Sie bringt unter anderem endlich die Tauschfunktion ins mobile Sammelkartenspiel. Das ist der perfekte Einstiegspunkt – wenn du dir der Suchtgefahr bewusst bist.
Mit «Pokémon TCG Pocket» ist am 30. Oktober 2024 die neuste App des weltweit erfolgreichsten Medien-Franchises erschienen. Bis Ende 2024 haben über 46 Millionen Menschen das Mobile-Game heruntergeladen. Das machte «TCG Pocket» in kürzester Zeit zur am meisten heruntergeladenen Pokémon-App des letzten Jahres.
Wo wir schon bei beachtlichen Zahlen sind: Auch die Einnahmen der App können sich sehen lassen. Nachdem «TCG Pocket» die 100-Millionen-Umsatzgrenze nach nur 17 Tagen knacken konnte, waren es Ende 2024 bereits 400 Millionen US-Dollar. Bei einem Free-to-Play-Spiel eine absurd hohe Zahl. Mit Geld kannst du zusätzliche Boosterpäckchen kaufen.
Sammelspass neu auch mit Tauschfunktion
Der grösste Reiz des Spiels ist das Sammeln von (seltenen) Pokémon-Karten. In«TCG Pocket» kommst du an neue Exemplare, indem du Boosterpackungen öffnest oder die «Wunderwahl»-Funktion benutzt. Alle zwölf Stunden kannst du ein neues Päckchen öffnen, also zwei pro Tag. Kaufst du für 10 CHF monatlich den Premium-Pass, sind es täglich insgesamt drei. Die Wunderwahl ist ein weiteres Feature, bei dem du aus Päckchen, die andere Spieler bereits geöffnet haben, eine von fünf Karten zufällig auswählst.
Ich spiele «Pokémon TCG Pocket» seit dessen Veröffentlichung und habe jeden Monat vom Premium-Pass Gebrauch gemacht, also täglich drei Päckchen geöffnet. Dadurch besitze ich über 2000 Karten und beinahe von jedem Exemplar zumindest eines. Kurz vor der neuen Erweiterung geht mein Fortschritt nur langsam voran, denn genau diese letzten Schritte dauern am längsten.
Im Gegensatz zum schleppenden Fortschritt im Endgame wirst du zu Beginn des Spiels mit Kartenpäckchen zugeschüttet, um hoffentlich genug für die Duelle gegen andere Trainer mitzubringen. Die machen neben dem Sammeln den grössten Reiz von «TCG Pocket» aus.
Der Tausch wird mit dem neuesten Update zur dritten Option, mit deren Hilfe du an neue Karten gelangst. Damit kannst du Exemplare bis zu einer bestimmten Seltenheitsstufe mit deinen Freundinnen im Spiel tauschen. So kommst du am schnellsten an spezifische Exemplare. Vor der neuen Erweiterung hat es etwa 400 Karten, danach dürfte die Anzahl bei rund 550 liegen.
Leider ist die Tauschfunktion entgegen erster Erwartungen doch nicht so nutzerfreundlich. Auf Reddit lese ich kurz nach Release erste Berichte darüber, dass die Kosten über Ingame-Währungen und eigenen Karten doch etwas happig sind. Nach drei Monaten des Sammelns kann ich damit wohl gut meine Lücken füllen. Als Starthilfe für Neueinsteiger scheint die neue Funktion dann doch weniger zu taugen als erhofft. Die Entwicklerinnen bestätigen meine Vermutungen mit ihrem Statement, laut dem sie die Funktion nochmals überarbeiten möchten.
Ein «Sammel»kartenspiel, das den Fokus endlich aufs Sammeln setzt
Das Besondere an «Pokémon TCG Pocket» gegenüber den meisten anderen mobilen Kartenspielen wie etwa «Pokémon TCG Live» ist, dass du regelmässig Boosterpackungen öffnen und Karten sammeln kannst, ohne dich in Duelle zu stürzen. Ein spielbares Deck ist schnell erstellt, aber nicht notwendig für den Sammelspass. Für Sammlerinnen und Sammler ein Traum.
Wenn du ähnliche Spiele wie «Yu-Gi-Oh!», «Magic: The Gathering» und Co. magst, dann kennst du den Reiz. Die physische oder virtuelle Sammlung mit niedlichen, coolen, starken oder besonders seltenen Exemplaren zu ergänzen, hinterlässt ein befriedigendes Gefühl. Insbesondere, wenn es sich um ein goldenes «Pikachu-ex» mit der Kronen-Seltenheit handelt, bei dem die Zieh-Chance schlappe 0,16 Prozent beträgt.
«TCG Pocket» hat dabei dem herkömmlichen Sammelkartenspiel etwas voraus: Neu sind die Immersionskarten der Drei-Sterne-Seltenheitsstufe, deren schönes Artwork bei längerem Anschauen zu einem kurzen, ja immersiven, Video wird.
Karten-Duelle sind kein Muss, machen aber trotzdem Spass
Da mir das Sammeln allein nicht genügt, bestreite ich auch im echten Leben regelmässig Duelle gegen andere Spielerinnen. Dass die Matches in einer App, die vor allem über den Sammelfaktor Werbung machte, ebenfalls richtig unterhaltsam sind, hat mich trotzdem überrascht.
Die Regeln sind gegenüber dem physischen Pokémon-Sammelkartenspiel leicht abgeändert und vereinfacht. Pro Runde bekommst du eine Pokémon-Typ-Energie, die du an deine Taschenmonster anlegen kannst. Deren Attacken benötigen eine bestimmte Anzahl Energie und haben neben einer fixen Schadensanzahl teilweise auch weitere Effekte.
Deine Strategie verfeinerst du mit Item- und Unterstützer-Karten, die beispielsweise deine Pokémon stärker machen, dich mehr Karten ziehen lassen oder per Münzwurf entscheiden, ob du zusätzliche Energien bekommst.
Das System ist nach dem gut erklärten, aber langweiligen Tutorial schnell verinnerlicht. Mit den unterschiedlichen Münzwürfen übernimmt «TCG Pocket» die Glückselemente der physischen Vorlage und lässt kein Duell dem nächsten gleichen. Du kannst dem Glücksfaktor zumindest in deinem Deck entgehen, indem du Pokémon wie Mottineva meidest. Du kannst den Glücksfaktor aber auch annehmen.
Mottineva schläfert mit seiner Attacke «Pulverschnee» das gegnerische Pokémon ein. Jeweils am Rundenanfang wirft der Besitzer des schlafenden Pokémons eine Münze. Zeigt sie Kopf, wacht es auf und das Spiel geht wie gewohnt weiter. Zeigt sie hingegen Zahl, schläft das Pokémon weiter und der Zug ist grösstenteils verschenkt. Schläft mein Pokémon vier Runden hintereinander, will ich mir die Haare rausreissen – passiert das der Gegnerin und entscheidet damit das Duell für mich, freue ich mich über das angerichtete Unheil.
Innerhalb der letzten drei Monate habe ich viele Kartenduelle gespielt und die ganze Bandbreite an Gefühlen erlebt. Obwohl ich mich oft über aggressive Elektro-Decks mit «Pikachu-ex» aufgeregt habe, kehre ich immer wieder zurück. Ich freue mich auch schon auf die vielen Decks, die ich mit der neuen Erweiterung «Kollision von Raum und Zeit» bauen kann.
Dabei behalte ich eine bestimmte Gefahr stets im Auge.
«Pokémon TCG Pocket», Gacha-Games und die Gefahren von Spielsucht
Beginnst du das Spiel neu, erhältst du massenweise Items geschenkt, die dir das Sammeln erleichtern – unter anderem Pack-Sanduhren, Wunder-Ausdauer und Shop-Tickets. Das wird wahrscheinlich auch auf die neue Währung zutreffen, die gleichzeitig mit dem frischen A2-Set und der Tauschfunktion ins Spiel eingeführt wird.
Ganz gefahrlos ist «TCG Pocket» leider nicht. Das Prinzip des Sammelkartenspiels eignet sich perfekt für Gacha-Elemente, die dann auch reichlich zum Einsatz kommen. Damit sind etwa die Kartenpackungen mit ihren zufälligen Inhalten oder die unzähligen Ingame-Währungen gemeint, die das Spiel bewusst verkomplizieren und zum Ausgeben von Echtgeld locken.
Zwar gibt es eine Obergrenze, wie viel Spielerinnen pro Tag ausgeben können, das kann die Natur von «TCG Pocket» aber nicht verstecken. Auch mich hat es in den Fingern gejuckt, mehr Päckchen für ein paar Franken zu kaufen, um zum Release der Erweiterung «Mysteriöse Insel» schneller an die praktische Star-Karte «Mew-ex» zu kommen. Zum Glück bin ich aber gegen solche Käufe resistent.
Das sind längst nicht alle Spieler. Erst recht nicht die Hauptzielgruppe des Pokémon-Franchises: Kinder. Wenn dich das Spiel also neugierig macht oder deine Kleinen von diesem neuen Pokémon-Mobile-Game fasziniert sind, sind eine Auseinandersetzung mit den Themen Glücksspiel, Spielsucht sowie ein bewusster Umgang das A und O.
In den drei Monaten, in denen ich das Spiel aktiv mitverfolge, konnte ich mich erfolgreich durch den Währungs-Dschungel wühlen und hatte eine gute Zeit, ohne viel Geld ins Spiel zu stecken.
Konkret habe ich für dreimal Premium-Pass 30 CHF innerhalb von drei Monaten bezahlt. Das ist ein Bruchteil eines Boosterpack-Displays des physischen Kartenspiels und weniger als die Hälfte eines Vollpreis-Games, das mich meist kürzere Zeit beschäftigt. Die einmalige Ausgabe pro Monat ist überschaubar und als Fan will ich mir die zusätzlichen Goodies leisten.
Der «Pokémon»-Charme ist unwiderstehlich
Als Fan der ersten Stunde habe ich schon viel rund um das beliebte Franchise mitgemacht. Vom ersten Game-Boy-Spiel «Gelbe Edition», das mitunter meine Liebe für Videospiele weckte, über eines meiner absoluten Lieblingsspiele mit der «Diamant Edition» bis hin zu den ernüchternden modernen Releases von «Schwert und Schild». Dass mich eine Gacha-App wie «Pokémon TCG Pocket» so sehr abholen kann, hat mich dennoch überrascht.
Das beweist in meinen Augen, dass die Entwickler von Creatures Inc. und DeNA ihre Hausaufgaben gemacht haben. Natürlich tun die vielseitigen Designs der beliebten Taschenmonster ihr Übriges.
Die Zukunft des Mobile-Games sieht rosig aus. Wie andere Spiele seiner Art bekommt «Pokémon TCG Pocket» laufend neue Karten-Sets und hält seine Spieler mit besonderen Sammel- oder Duell-Events auf Trab.
Deswegen empfehle ich dir, zusammen mit der frischen Erweiterung «Kollision von Raum und Zeit» und der Tauschfunktion in «Pokémon TCG Pocket» einzusteigen. Vor allem, wenn du nach einem Spiel suchst, das deinen möglicherweise eingeschlafenen Sammelkartenspiel-Nerv trifft.
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.