«Reka» angespielt: Ich klaue Baba Jagas Hexenhaus
Das Indie-Game «Reka» versetzt mich in die slawischen Mythen Osteuropas. Mein Haus kann laufen und ich unterhalte mich mit Waldgeistern. Trotz der düsteren Atmosphäre hinterlässt das Spiel ein warmes Gefühl.
Gechillt sitze ich auf meinem Vogelskelett-Sessel vor dem Ofen. Der Stuhl ist mein Pilotensitz. Ich spreche vor mich hin: «Hütte, Hütte, geh, wohin ich sage». Ein tiefes, gackerndes Glucksen ertönt um mich herum und meine bescheidene Hütte erhebt sich in die Lüfte. Nun kann ich mein Haus steuern. Auf zwei stämmigen Hühnerbeinen lasse ich es durch die Wälder stapfen und genieße den Ausblick von hoch über den Bäumen.
Klingt komisch? Ist aber so. «Reka» nimmt mich mit auf eine Reise in die Wälder Osteuropas. Dort ist die Legende von Baba Jaga, einer Hexe im Wald, weit verbreitet. Baba Jaga soll in einem Haus auf Hühnerbeinen leben und Menschen fressen. Die stehen in «Reka» aber zum Glück nicht auf dem Speiseplan. «Reka» erschien am 12. September 2024 im Early Access und habe rund sechs Stunden ins Spiel reingeschaut.
Hexen-Azubi im Einklang mit dem Wald
Ich schlüpfe in die Rolle des Mädchens Reka, das im Wald auf eine alte Dame trifft, eben jene Baba Jaga. Die droht mir, mich in die Suppe zu werfen, wenn ich ihr nicht helfe, ein dunkles Ritual zur Wiederbelebung ihres vor langer Zeit verstorbenen Hühner-Hexenhauses durchzuführen. Und weil ich offenbar eine so wichtige Rolle im Ritual übernehme, hört das Haus fortan auf mich statt auf Baba Jaga. Die alte Kratzbürste verbanne ich auf einen Schaukelstuhl am Kamin und mache mich daran, das Haus nach meinen eigenen Vorstellungen auszubauen.
Eine zusammenhängende Hintergrundgeschichte ist in den ersten Spielstunden bislang nicht zu finden. Wer Reka ist und warum sie im Wald herumirrt, weiß ich nicht. Baba Jaga hat jedenfalls offenbar lange Zeit auf mein Erscheinen gewartet und überlässt mir sogar ihren Raben als kleinen Helfer. Auch einen Stapel Holz bekomme ich von ihr als Startkapital. Damit kann ich erste Wände, Türen und Fenster auf meinen fahrbarenlaufbaren Untersatz bauen.
Um an mehr Holz zu kommen, muss ich aber erst die Abholz-Erlaubnis des Waldwächters erhalten. Das ist ein Hirschgeist, der den Wald und seine Einwohner vor den Menschen beschützt. Dazu stapfe ich mit meinem Haus an den Rand der Karte und betrete dadurch eine neue Region des Waldes. Den Wächter mache ich auf mich aufmerksam, indem ich Tieren und anderen Waldwesen helfe. Rehe bekommen Himbeeren, Waldgeister einen frischgebackenen Pfannkuchen. Als ich zufällig einen Käfig mit einem eingeschlossenen Hasen mitten im Nirgendwo sehe, befreie ich das Tier mithilfe meines Raben – und siehe da: Der Waldwächter erscheint und sagt mir, dass ich mich bewährt habe. Den Hasen auf meinem Arm freut’s ebenfalls.
Trotzdem muss ich noch entscheiden, ob ich im Namen des Wächters übereifrige Holzfäller für das Abholzen bestrafe oder sie laufen lasse. Ich bin gnädig, sie müssen ja auch irgendwie überleben. Die Lizenz zum Kahlschlagen bekomme ich trotzdem. Dass der Waldwächter wegen Baum-mordenden Holzfällern vor Wut im Achteck springt und mir gleich darauf erlaubt, selbiges zu tun – darüber schaue ich mal hinweg.
Neuer Beruf als Hühnerhaus-Innenarchitektin
Jedenfalls kann ich jetzt ungestraft Bäume umhauen und mit dem Holz meine Hütte weiter aufhübschen. Sie bekommt neue Stockwerke und ein schickes Dach. Meiner Fantasie sind beim Bau kaum Grenzen gesetzt und je verwinkelter das Haus wird, desto hexiger sieht es aus. Auf meinen Streifzügen durch die Wälder habe ich bereits einige Möbel und Dekogegenstände eingesammelt. Dazu zählen auch gerettete Tiere: Ich habe eine Katze und einen kleinen Vogel gefunden, die es sich jetzt in meinem Hexenhaus gemütlich machen.
Der Hausbau und vor allem dessen heimelige Einrichtung ist ein elementarer Bestandteil des Spiels. Ich kann alle Oberflächen mit Büchern, Vasen, Schädeln, Kerzen, Tellern und sogar Essen vollstellen. Es ist also kein Problem, Bücher aufeinander zu stapeln und oben drauf noch einen Totenkopf und eine Kerze zu setzen.
Als angehende Hexe rühre ich zwar nicht in Zaubertrank-Kesseln herum, aber ich nutze meinen Ofen zum Kochen und Backen. Dazu kombiniere ich jeweils drei Zutaten, die, wenn sie zusammenpassen, ein neues Rezept in meinem Journal ergeben. Zum Herstellen der Speise benötigt der Ofen Brennholz.
Das Essen brauche ich nicht für mich selbst: «Reka» ist kein Survival-Spiel und mein Charakter hat keinen Hunger. Aber ich kann die Gerichte auf einem Tisch schön anrichten. Oder ich koche, um die Speisen zu verkaufen und mir dafür weitere Möbel beim fahrenden Händler zu gönnen. Manchmal werden sie auch für Quests benötigt. Die Aufgaben, die mir Dörfler stellen, sind übrigens eher von der simplen Sorte: Hole die Honigwaben aus drei Bienenstöcken, hilf beim Einsammeln von Kürbissen oder finde eine entlaufene Ziege. Letzteres ist wirklich sehr niedlich – die Ziege war nur ums Hauseck gelaufen und ich folgte einfach dem Klingeln des Glöckchens am Halsband. Das kleine Zicklein konnte ich dann auf den Arm nehmen und es zurücktragen. Herzerwärmend!
Düster und schön – technisch aber verbesserungswürdig
Die Wälder und Sümpfe, in denen ich mich bewege, wirken wild und bedrohlich – aber auch wunderschön. Die untergehende Sonne wirft verästelte Schatten auf den Boden und ihr Licht glitzert im Wasser, Dunst wabert am Boden. Manchmal finde ich alte Grabstätten oder mystische Zirkel im Wald, an denen es etwas zu entdecken gibt. Auch die musikalische Untermalung passt sehr gut zur Atmosphäre. Ja, «Reka» ist definitiv etwas Besonderes.
Mir gefällt auch die Shop-Interaktion beim fahrenden Händler: Ich nehme mir von seinem Verkaufstisch, was ich haben möchte, und bezahle dann dafür. Zum Verkaufen öffne ich die Waage auf dem Tisch und platziere dort meine Gegenstände zum Verkauf. Der Verkäufer nennt mir dann den Preis. Das wirkt immersiver als ein schnödes Handelsmenü, mit dem es sich auch AAA-Titel immer wieder einfach machen.
Dass die Texturen von Möbeln aus der Nähe eher grob wirken und manche Bäume aus der Ferne flach wie eine Flunder – geschenkt. Es ist ein Indie-Game und der Early Access hat gerade erst begonnen. Der frühe Zustand des Spiels zeigt sich auch in Menüs und im fummeligen Baumodus. Das Journal ist zwar an den Rändern hübsch verziert, aber die Darstellung der Menüpunkte darin muss noch verbessert werden. Die Schriften sind teilweise viel zu klein, die Icons sind nicht gut zu erkennen.
Der Baumodus funktioniert zwar im Wesentlichen ganz gut, aber auch hier gibt es noch Raum zur Verbesserung. So werden Wandsegmente oft nicht direkt auf bestehende Segmenten ausgerichtet, sondern ich muss sie von Hand noch drehen. Das funktioniert auch nicht mit dem Mausrad, sondern per Ziehen mit gedrückter Maustaste, was oft nicht ganz präzise ist. Auch die Symbole im Baumenü und die Baukategorien sind sehr rudimentär. Alles wirkt etwas ungeschliffen und teilweise umständlich.
Mein Fazit zu «Reka»
Indie-Entwicklerstudios kommen immer wieder auf interessante Ideen, so auch hier. Die Mischung aus Hausbau und -einrichtung sowie Erkundung und Rollenspiel gefällt mir gut. «Reka» hat bei mir ein entspanntes Gefühl hinterlassen: Es gibt keine Feinde und ich bin auch keine grausame Hexe, sondern versuche, Gutes zu tun. Trotz der teilweise eher einfach gehaltenen Grafik zeigt das Spiel, dass Liebe darin steckt.
Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass noch eine übergreifende Geschichte implementiert wird, die mich gerade am Anfang besser abholt und meiner Hexenkarriere einen tieferen Sinn verleiht. Auch etwas Feinschliff an Menüs und Icons würde dem Spiel gut tun.
«Reka» erschien am 12. September 2024 im Early Access auf Steam. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Fireshine Games zur Verfügung gestellt.
Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.