Produkttest

Retro-Big-Tower-CPU-Upgrade: Endlich Headshots mit 1024 × 768 Pixel

Martin Jud
24.6.2021

CPU-Upgrade für den Late-Nineties-Retro-Gaming-PC: Ein AMD-K6-2-Prozessor mit 550 MHz soll zwei 3dfx-Voodoo-2-3D-Beschleuniger zum Fliegen bringen. Ob das klappt, zeigen Benchmarks wie 3DMark 99 Max Pro und die FPS beim Zocken.

Einen Shooter ohne konstante 30 Frames per Second (FPS) spielen? Ende der 1990er war das kein Unding. Wobei es auch damals eine Schmerzgrenze gab. Und die ist heute bei meinem Retro-Gaming-PC mit Windows 98 SE erreicht. Beim Zocken des Hardware-hungrigen Shooters Unreal von 1998 bekomme ich mit dem Intel-Pentium-MMX-233-Prozessor und meinen zwei Voodoo-2-3D-Beschleuniger im SLI-Verbund je nach Auflösung eine durchschnittliche FPS von 20 bis 25. Begleitet von gelegentlichen Einbrüchen bis auf sieben Bilder pro Sekunde. Das reicht nicht, um ohne Frust der Lust zu frönen. Damit werden Kopfschüsse zum Glücksspiel.

  • Hintergrund

    Big Tower mit Voodoo Power – Retro Gaming PC Build

    von Martin Jud

Im Big-Tower-AT-Gehäuse steckt folgende Hardware: Super Socket 7 Motherboard Tyan S1590 Trinity 100 AT, Intel Pentium MMX 233 Prozessor, 384 MB RAM, Matrox Millennium II Grafikkarte, 2 × Gainward Dragon 3000 (3dfx Voodoo 2), Creative Sound Blaster AWE32 PNP CT3670, 2 × Festplatte Maxtor DiamondMax VL 40 30.7 GB, CD-ROM-Laufwerk Sony CDU77E, 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk, 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerk Teac FD-55GFR, Super Disk Drive Panasonic LKM-F934-1, Iomega Zip Drive, Netzteil Seasonic Prime PX-450 Fanless.

Das höchste der Gefühle, unter Verwendung der Grafikschnittstelle Glide von 3dfx, sind mit der jetzigen Konfiguration ein mit 40 FPS butterweich spielbares Quake 2 in 1024 × 768, das aber Kopfschüsse nicht speziell belohnt. Und Games wie Need for Speed II SE oder Diablo in 640 × 480. Doch Diablo II bei 800 × 600 ruckelt mir zu sehr. Wobei das Game aus heutiger Sicht auch in flüssig anfangs etwas gewöhnungsbedürftig aussieht, da es von Haus aus mit maximal 25 FPS läuft. Und ja, ich will Headshots in Unreal, weshalb ein stärkerer Prozessor her muss. Ein AMD K6-2 soll den Voodoo-2-Karten als Nachbrenner dienen.

Dass ich erst jetzt auf eine stärkere CPU wechsle, liegt daran, dass ich ursprünglich einen Retro-Gaming-PC für DOS- und Windows-Games der 1990er bauen wollte. Jedoch laufen einige DOS-Games nur rund, wenn die CPU-Taktung 233 MHz oder weniger beträgt. Allerdings habe ich nicht bedacht, dass ich eine CPU auch mit entsprechender Software heruntertakten kann. Somit ist der Weg frei für mehr Power.

Umso mehr, da ich vor kurzem den 3D-Beschleunigern eine Kühllösung spendierte:

  • Ratgeber

    85 Grad Celsius... Wie ich meine Voodoo-2-3D-Beschleuniger runterkühle

    von Martin Jud

Prozessor-Upgrade

Die Leistung der Voodoo-2-Karten, genauer der beiden Gainward Dragon 3000, soll erheblich mit derjenigen des Prozessors skalieren. Dies bis hin zu einer CPU-Taktfrequenz von ungefähr 800 MHz. Soviel kann ich leider nicht bieten, da mein Motherboard aus dem letzten Jahrtausend, aus 1998, stammt. Mein Super Socket 7 Motherboard Tyan S1590 Trinity 100 AT lässt mit neuestem BIOS von 1999 einen CPU Clock Multiplier bis 6× und eine CPU Bus Speed bis 100 MHz zu. Eine CPU mit Taktfrequenz bis 600 MHz also.

AMD K6-2 550AGR
AMD K6-2 550AGR

Entschieden habe ich mich für einen über 20 Jahre auf den ersten Einsatz wartenden Prozessor von AMD. Den stärksten K6-2, den es je gab – einen mit 550 MHz. Ich habe ihn für 17 US-Dollar auf eBay ersteigert. Plus 33,61 US-Dollar für den Versand. Das war das zum Kaufzeitpunkt günstigste Angebot – trotz der Abzocke beim Versand.

Vor dem Upgrade stelle ich beim Motherboard die Jumper für CPU Bus Speed und Clock Multiplier auf 100 MHz und 5.5× sowie die Core Voltage auf 2,3 Volt. Dann entferne ich den bisherigen Lüfter, Kühler und die Intel-CPU, setze die von AMD ein und gebe einen Klecks «Ultra-Hochleistungs-Wärmeleitpaste» von Kryonaut auf den Prozessor. Den Klecks verstreiche ich mit einem Kunststoffspachtel gleichmässig zu einem dünnen Film.

Der Noiseblocker NB-BlackSilentPro PR-2 tanzt als aktuelle Hardware aus der Reihe.
Der Noiseblocker NB-BlackSilentPro PR-2 tanzt als aktuelle Hardware aus der Reihe.

Dann setze ich einen grösseren Aluminiumkühler drauf. Bei der Intel-CPU habe ich auf einen 5 × 5 × 1,5 Zentimeter grossen Kühler gesetzt. Nun setze ich auf einen 6 × 6 × 4,5 Zentimeter grossen, den ich im Schrank gefunden habe. Obendrauf kommt ein passender Lüfter. Ich verbaue, wie bei jedem Lüfter im Big Tower, ein aktuelles Modell. Einen, der mit 16,8 dB bei geschlossenem Gehäuse kaum zu hören ist; einen Noiseblocker NB-BlackSilentPro PR-2.

Voodoo-2-SLI-Benchmarking und Gaming: Wie viel mehr Leistung liegt drin?

Die Leistung mit neuem Prozessor teste ich als erstes mit Diablo II, inklusive Expansion Set «Lord of Destruction», was mir ein langanhaltendes Lächeln aufs Gesicht zaubert. Sehr cool, es ruckelt nicht und läuft mit den maximal möglichen 25 FPS bei 800 × 600 Pixel. Rund zwei Stunden später hat mein Nekromant, dem ich nur Beschwörungszauber beibringe, Level 9. Ich bin in Begleitung von vier Skeletten, einem Golem und einem NPC mit Bogen.

Diablo II macht sofort süchtig – insbesondere beim Spielen auf dem alten 21-Zoll-CRT-Monitor (Fujitsu Siemens 21P4) mit einer maximalen Helligkeit von nur 115 Nits.
Diablo II macht sofort süchtig – insbesondere beim Spielen auf dem alten 21-Zoll-CRT-Monitor (Fujitsu Siemens 21P4) mit einer maximalen Helligkeit von nur 115 Nits.

Um sicherzugehen, dass mein neuer Kühler und Lüfter genügend Power bringen, werfe ich während dem Spielen auch immer wieder einen Blick in die Software SiSoft Sandra 99, die mir die CPU-Temperatur anzeigen kann. Der neue AMD-Prozessor wird bei einer Umgebungstemperatur von 23 Grad Celsius maximal 54 Grad warm. Das beruhigt mich, stellt mich zufrieden. Damit dürfte vielleicht sogar eine Übertaktung der CPU auf 600 MHz drin liegen. Beim Intel-Prozessoren waren es unter Dauerbelastung bei gleicher Umgebungstemperatur bis 52 Grad Celsius.

Um akkurate Vergleiche zu ermöglichen, will ich mich nicht nur aufs Spielen verlassen. Daher teste ich auch mit Benchmarks – mit 3DMark 99 Max Pro und mit Time Demos von Quake 2 und Unreal. Das alles passiert unter Verwendung des letzten offiziellen Voodoo-2-Treibers (v3.03) von 3dfx. Zusätzlich teste ich die beiden Konfigurationen auch mit jeweils nur einem 3D-Beschleuniger. Womit die Auflösung allerdings auf 800 × 600 Pixel beschränkt ist – erst mit zwei Voodoo-2-Karten ist eine Auflösung von 1024 × 768 Pixel möglich. Fürs Testen mit einer Voodoo 2 muss ich keine Karte ausbauen, da sie auch simpel mit einem Mausklick in den Grafikeinstellungen von Windows 98 SE deaktiviert werden kann. Auf Windows 98 SE setze ich übrigens, da ich unter Windows 2000 Probleme mit der Bildwiederholfrequenz habe. Sie beschränkt sich dort mit meinen Voodoo-2-Karten auf 60 Hertz. Die Bildwiederholrate lässt sich zwar manuell in der Registry auf den korrekten Wert anpassen, jedoch führt das zu einem schwarzen Bildschirm.

3DMark 99 Max Pro

Vor über zwei Jahrzehnten stand mein Mund weit offen, als ich zum ersten Mal den Demo Mode von 3DMark 99 sah. Den gibt es auch bei heutigen 3DMark-Benchmarks noch, jedoch ist er im Unterschied zu damals ein eher uninteressantes Video mit Werbeplatzierungen. Damals war er nicht zuletzt auch dank Demoszene-angehauchtem Sound ein Highlight.

Der Demo Mode von 3DMark 99 Max Pro.

Abgesehen vom Demo Mode kann 3DMark 99 die vorliegende Hardware auf ihre Gaming-Performance testen. Und die Software vergibt im Gegensatz zum Nachfolger 3DMark 2000 nicht nur einen Graphic Score, sondern auch eine gesonderte Wertung für die CPU. Insgesamt werden in ca. sieben Minuten 26 Tests absolviert. Gespannt lasse ich 3DMark 99 Max Pro mit jeder Konfiguration und Auflösung laufen.

Bei der Auflösung von 640 × 480 Pixel ist beim Graphic Score zwischen einer und zwei Voodoo-2-Karten (SLI) im Einsatz nur ein relativ kleiner Unterschied auszumachen. Das bedeutet unter Verwendung des AMD-Prozessors eine Leistungssteigerung von 5,1 Prozent, mit der Intel-CPU sind es 8,3 Prozent.

Krasser fällt die Leistungssteigerung beim Vergleich der beiden Prozessoren aus. Beim SLI-Betrieb erreicht der 550 MHz taktenden K6-2 einen um 127,71 besseren Graphic Score von 2917. Beim CPU Score sind’s sogar 303,03 Prozent mehr Leistung. Das ist in Anbetracht der bei AMD um 317 MHz höheren Taktfrequenz, einem doppelt so grossen L1 Cache von 64 Kilobyte (32 KB Code / 32 KB Data) und der Unterstützung der Multimedia-Befehlssatzerweiterung 3Dnow! nicht verwunderlich.

Bei 800 × 600 ist erstmals ein grösserer Unterschied zwischen Einzelbetrieb und SLI auszumachen. Zumindest mit dem K6-2. Da ist der Graphic Score mit SLI um 54,05 Prozent besser. Bei der Intel-CPU hingegen sinkt die Differenz bei dieser Auflösung (gegenüber 640 × 480) auf 7,5 Prozent.

Beim Prozessorenvergleich im SLI-Betrieb sind es nun mit 2961 Grafik-Punkten 129,53 Prozent mehr Leistung bei AMD. Und auch die Differenz des CPU Scores ist mit 310,24 Prozent noch ungefähr gleich gross (1591 zu 6527 Punkte).

Bei der dem SLI-Verbund vorbehaltenen Auflösung von 1024 × 768 hole ich beim Graphic Score mit dem neuen Prozessor ein Plus von 96,32 Prozent heraus. Beim CPU Score sind es 285,09 Prozent mehr.

Quake 2 Time Demo und Gameplay

Quake 2 bietet als einer der ersten Shooter ein Art Built-in Benchmark. Über die Konsole kann eine Time Demo mit zwei unterschiedlichen Maps gestartet werden. Bei der Demo siehst du den Computer automatisch Gegner schnellstmöglich abknallen. Schnellstmöglich ist dabei wort-wörtlich zu verstehen; du siehst das Spiel quasi im Zeitraffer. Am Schluss, nach 20 bis 30 Sekunden, zeigt dir das Game dann die durchschnittliche FPS an. Die entspricht allerdings nicht der FPS beim Spielen – da liegen mit beiden CPUs bei allen Auflösungen rund zehn FPS mehr drin.

Die Time Demo starte ich mit jeder Konfiguration dreimal pro Map – also sechsmal – und nehme dann davon die durchschnittliche FPS als Resultat.

Die Resultate bestätigen die Tests von 3DMark 99 teilweise: Bei 640 × 480 bringen zwei Voodoo 2 gegenüber nur einer lediglich einen kleinen Leistungszuwachs. Bei 800 × 600 profitiert SLI zumindest mit dem neuen Prozessor und holt ein Plus von 20,2 Frames, von 55,04 Prozent mehr Leistung, heraus.

Beim Prozessorenvergleich erhalte ich mit AMD bei 1024 × 768 mit 48,6 FPS 49,07 Prozent mehr Power.

Wende ich mich vom Benchmark ab und sehe mir das Zocken an sich an, hatte ich vor dem Prozessor-Upgrade bei 1024 × 768 gute 40 FPS. Jetzt sind es bessere 58 FPS.

Unreal Time Demo und Gameplay

Der futuristischen Ego-Shooter Unreal brachte 1998 eine 3D-Evolution. Dank der Unreal Engine 1.0 ist das Spiel nicht nur voller schönster Polygone, auch atmosphärisch weiss es zu überzeugen. Und es fordert die Hardware wie kein Game zuvor.

Auch bei Unreal gibt es einen Time Demo Benchmark. Eine Kamerafahrt über eine grosse Map. Allerdings nicht wie bei Quake 2 im «Zeitraffermodus», sondern in Echtzeit. Die sieht so aus:

Unreal Time Demo eines Youtubers.

Auch die 57 Sekunden pro Durchgang dauernde Time Demo in Unreal fordert die Hardware etwas mehr, als wenn ich die FPS-Messungen beim normalen Spielen vornehme. Beim normalen Zocken mit der Intel-CPU habe ich bei allen Auflösungen rund drei Frames und mit der AMD-CPU fünf bis sieben Frames mehr pro Sekunde als in den untenstehenden Resultaten. Die Time Demo fahre ich jeweils in drei Durchgängen pro Konfiguration und Auflösung, und nehme von den Resultaten den Schnitt. Weiter passieren sämtliche Tests unter Verwendung der höchsten Qualitätseinstellungen.

Mit Blick auf die minimalen FPS vor dem Prozessor-Upgrade wird klar, warum Headshots bisher kaum möglich waren. Das Zielen fühlt sich bei unter zehn Frames an, wie wenn du in der Disco einen über den Durst getrunken hast und das Tanzbein bei Strobolicht schwingst.

Mit dem AMD-Prozessor spielt es sich eher nüchtern. Ich bekomme im SLI-Betrieb beim Test durchschnittlich 37,3 FPS bei 1024 × 768, was ein Plus von 92,26 Prozent ist. Messe ich bei gleicher Auflösung die FPS beim Spielen, waren's mit der Intel-CPU noch 22 FPS, nun erreiche ich mit AMD im Schnitt 43 FPS. Die Bilder pro Sekunde sinken dabei nie unter 19,5.

Damit sind Kopfschüsse zu schaffen, endlich. Die Antagonisten in Unreal bekommen jedoch eine Gnadenfrist. Vorerst dürfen sie ihre Köpfe behalten, da mein Totenbeschwörer in Diablo II nach mir ruft.

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.

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