Review: Gleich zwei «Deus Ex»-Games buhlen um eure Aufmerksamkeit. Welches darf es sein?
Im vierten Teil des dystopischen Sci-Fi-Action-Adventures wird wieder gehackt, geschlichen und geballert. Dabei macht man eifrig Gebrauch von seinem cybernetisch frisierten Körper. Wem die PC- und Konsolen-Version zu teuer ist, für den gibt es eine günstigere und teilweise fast bessere Alternative.
Deus hä? Worum geht's?
Schon der 2000 erschienene erste Teil spielte in einer düsteren Cyberpunk-Zukunft mit politischen Intrigen, Verschwörungstheorien und Überwachungsstaaten. «Mankind Divided» zählt das Jahr 2029 und spielt damit zwei Jahre nach «Human Revolution». Ein grosser Teil der Menschheit besitzt durch Nanotechnik gepimpte Körper. Die sogenannten Augs sind nach einem Vorfall im letzten Teil kurzzeitig unfreiwillig ausgetickt und werden als Folge davon nicht mehr als Heilbringer der Menschheit angesehen. Stattdessen ist eine Art neue Apartheid entstanden. Im ebenfalls mächtig frisierten Körper von Spezialagent Adam Jensen kämpft man im Prag der Zukunft gegen augmentierte Cyber-Terroristen und was sich einem sonst noch so in den Weg stellt.
Gibt das Teil optisch was her?
«Deus Ex Mankind Divided» sieht richtig scharf aus. Die knackige Grafik glänzt mit einer Palette von beeindruckenden Effekten und präsentiert ein lebendiges Prag, vollgepackt mit Details. Leider beschränkt sich das Sightseeing bis auf wenige Ausnahmen ausschliesslich auf die tschechische Hauptstadt. Das ist nach dem Jet-setting der letzten Teile zwar etwas enttäuschend, aber die Stadt ist gross genug und die Schauplätze überraschend abwechslungsreich, dass selten Langeweile aufkommt.
Die fette Grafik hat leider ihren Preis – zumindest auf dem PC. Um «Mankind Divided» mit allen Details spielen zu können, braucht ihr eine ziemliche Höllenmaschine. Ich zock auf zugegeben verhältnismässig hoher Auflösung von 3440x1440 Pixel. Meine beiden GTX 980er hatten dabei so ihre Mühe. Willensschwach wie ich bin, hab ich umgehend auf eine GTX 1080 aufgerüstet und damit flutscht das Spiel sehr ordentlich. Nur MSAA und Contact Hardening Shadows hab ich ausgestellt.
Und was tut man den lieben langen Tag?
Da Jensen ein ganz fleissiger Pfadfinder ist, erledigt er nicht nur Missionen für seinen Arbeitgeber Interpol, sondern optional auch für diverse andere bedürftige Zeitgenossen. Dabei sei gesagt, dass die Nebenaufgaben meist sogar etwas spannender sind als die Hauptquest. Da das Spiel auch mit Nebenquests nicht übermässig lang ist (ca. 30 Stunden), lohnt es sich, keine davon auszulassen.
Missionen lassen sich «Deus Ex»-typisch auf unterschiedliche Arten lösen. An die Freiheit des ersten Teils reicht zwar auch «Mankind Divided» nicht heran, aber man ist dennoch sehr flexibel. Wie immer darf man sich auf Wunsch mit Waffengewalt durch die Levels kämpfen – einfacher wird es dadurch nicht unbedingt. Spannender sind die alternativen Lösungswege, die sich oft erst ergeben, wenn man mit offenen Augen spielt und aufmerksam den Gesprächen lauscht.
Ein zentrales Element des Spiels ist neben Schiessen und Schleichen das Hacken. Dazu gibt es ein unterhaltsames Minigame. Wer sich gerne an fremden Computern zu schaffen macht, sollte unbedingt die E-Mails lesen. Nicht nur findet man dabei nützliche Informationen, häufig stösst man auf äusserst unterhaltsame Unterhaltungen.
Was kann dieser Roboter-Typ so?
«Deus Ex» wäre nicht «Deus Ex», wenn man nicht eine Reihe spassiger Augmentierungen zur Verfügung hätte. Freigeschaltet werden sie mit neuen Erfahrungspunkten. Neben besseren Hackingfähigkeiten gibt es zahlreiche Augmentierungen, die ganz individuelle Spielstile freischalten. Brachiale Spieler wählen die Titanium-Rüstung, mit der man sich wie ein Panzer aufführen kann. Auf der anderen Seite kann man das Spiel auch beenden, ohne eine einzige Person zu töten. Dazu setzt man auf elektrische Helferchen wie PEPS. Damit schiesst Jensen eine Energiewelle aus seinem Arm, die Gegner ausknockt. Praktisch ist auch der Icarus Dash, mit dem man sich sozusagen teleportieren kann. Oder man macht sich einfach unsichtbar und läuft unbemerkt an den Gegnern vorbei.
Wer doch lieber zur Knarre greift, der wird sich über das neue Upgrade-System freuen, mit dem sich Waffen aufrüsten lassen. Aus dem dafür benötigten Material lassen sich auch Healthpacks, Munition oder Energiezellen basteln.
Jetzt mal ehrlich: Ist nicht alles Gold, was glänzt?
Leider nicht und dabei wurde nicht mit goldener Farbe gespart – im wahrsten Sinne des Wortes. Die ganze Welt besteht gefühlt ausschliesslich aus Schwarz und Gold. Mich persönlich hat das jedoch nicht gestört.
Zäher fand ich den Einstieg. Die erste Mission ist mässig spannend und auch danach brauchte ich eine Weile, bis mich das Spiel so richtig gepackt hat.
Daneben gibt es viele kleinere Unstimmigkeiten wie die störende Schwarzblende. Immer wenn Jenson einen Dialog beginnt oder einen Schleichangriff ausführt, wechselt die Kamera in die dritte Person und reisst einem so aus dem Spiel heraus.
Das Spiel nimmt sich zudem etwas zu ernst, geht dann aber bei der Darstellung der Diskriminierung der Augs viel zu wenig weit. Da wäre mehr rauszuholen gewesen.
Was mich in solchen Spielen auch immer stört, sind NPCs, denen man die komplette Hütte ausräumen, ihren Computer nach Nacktbildern durchsuchen und die Toilette verstopfen kann, ohne dass sie auch nur mit der Wimper zucken.
Praktisch, aber völlig unglaubwürdig sind auch die überall verstreuten Lüftungsschächte. Ausser als geheime Transportwege für die Heinzelmännchen macht ihre Positionierung null Sinn.
Die letzte Kritik, die ich anbringen möchte, betrifft Jenson. Der Cyber-Agent, der auch in der Nacht eine Sonnenbrille trägt und mit seinem spitzen Ziegenbärtchen Augen ausstechen könnte, ist etwa so spannend wie ein Glas Wasser. Wenigstens ist er zumindest im Englischen erstklassig vertont – wie auch bis auf wenige Ausnahmen der Rest der Protagonisten.
Fazit: Abwechslungsreicher Sci-Fi-Krimi in einer glaubhaften Welt
«Deus Ex: Mankind Divided» fördert unterschiedliche Spielweisen, liefert eine interessante und detailreich geschmückte Welt und bietet genug Spieltiefe für Rollenspielfans. Nach dem zähen Einstieg hat mich das Spiel enorm gut unterhalten und besonders die spannenden Nebenquests machen Laune. Wer auf Science-Fiction-Games vollgepackt mit technischem Schnickschnack steht, der wird mit dem Spiel eine gute Zeit haben.
«Deus Ex: Mankind Divided» wurde uns von Koch Media zur Verfügung gestellt. Getestet wurde die PC-Version. Das Spiel ist ausserdem für PS4 und Xbox One erhältlich.
Noch mehr Cyberpunk mit «Deus Ex GO»
Ein fast noch besseres und deutlich billigeres «Deus Ex»-Erlebnis kriegt man mit «Deus Ex GO» für Android und iOS. Es ist nach «Hitman» und «Lara Croft» das dritte Spiel in der GO-Serie. Das Gameplay wurde laufend weiterentwickelt, basiert aber immer noch auf dem gleichen Prinzip. Die Levels sind kleine Dioramas in denen Jensen versuchen muss, unbeschadet ans andere Ende zu kommen.
Das Spielfeld erinnert etwas an Mühle und im gleichen Stil verschiebt man auch Jensen entlang der Linien. Immer wenn Jensen einen Zug macht, sind auch die Gegner dran. Sie verhalten sich jedoch ganz unterschiedlich. Wachleute stürmen gepanzert Schritt für Schritt auf einen zu und geben Jensen eins auf die Rübe, wenn er nicht vorher ausweicht. Geschütztürme spucken Blei, wenn man sich ihnen in den Weg stellt. Dabei gilt immer das Prinzip des Sichtkontakts. Wenn sich Jensen von der Seite an eine Wache schleicht, kann er sie unschädlich machen. Zusätzlich gibt es Terminals, an denen sich Energiezufuhr verstellen lässt. Damit bringt man Geschütztürme in seine Gewalt oder schaltet zuvor versperrte Wege frei. Auch unsichtbar machen kann man sich für kurze Zeit. Um die immer schwieriger werdenden Levels zu meistern, braucht es viel Hirnschmalz und Taktik. Das Beste: Man kann mit der App Fähigkeitspunkte für «Mankind Divided» freischalten.
«Deus Ex GO» kostet CHF 5 und ist erhältlich für Android und iOS.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.