Review «Mafia 3»: Enorm stimmungsvolles Gangster-Spektakel mit etwas eintönigen Missionen
Lange haben wir auf die Fortsetzung des Gangster-Epos gewartet. Sechs Jahre nach dem letzten Teil dürfen wir in einer neuen Stadt, einem neuen Jahrzehnt und einem neuen Protagonisten wieder das Gesetz missachten und eine neue Mafia-Dynastie gründen.
«Mafia 1» und 2 gehören trotz ihren Mängeln zu meinen absoluten Lieblingsspielen. Gesetzlose Mafiosi, Intrigen und wilde Schiessereien zu Orchestermusik ergeben einen hervorragenden Cocktail. «Mafia 3» schlägt in die gleiche Kerbe, spielt nun aber Ende der Sechzigerjahre inmitten von Rassenunruhen und Vietnamkrieg-Problematik. Passend dazu ist der Hauptcharakter kein italienischer Mafioso mehr vom Schlage des Paten, sondern ein schwarzer Kriegsveteran, der auf Rache sinnt. Perfekte Voraussetzung für ein explosives Gangster-Spektakel.
Story: Bewährte Kost, spannend erzählt
«Mafia 3» erzählt eine klassische Rachestory. Nachdem Freunde und Familie des Protagonisten Lincoln Clay brutal abgemurkst werden, schwört er Rache. Dazu schart er eine Reihe von anderen Kriminellen um sich – darunter Vito Scaletta aus dem letzten Teil – und macht sich auf, Mafia-Don Sal Marcanos Herrschaft Stück für Stück zu zerpflücken. Rassismus, Vietnamkrieg und Kommunismus sind allgegenwärtig und sorgen für ein äusserst spannendes Szenario.
Atmosphäre: Dichter als der Rauch im Flughafenfumoir
Das Game spielt 1968 im fiktiven New Bordeaux, welches New Orleans nachempfunden worden ist. Das Gebiet erstreckt sich über zehn Stadtteile von der Sumpflandschaft mit Alligatoren über die blühende Innenstadt bis zu heruntergekommenen Blechhüttenvierteln. Die liebevoll gestaltete Stadt ist enorm facettenreich und wirkt im Vergleich zu den Vorgängern deutlich lebhafter. Die Atmosphäre ist einzigartig. Das Flair der Sechzigerjahre wurde perfekt eingefangen und es ist ein Genuss, wenn Spieler in den schicken Boliden durch die unterschiedlichen Gebiete rasen. Apropos Autofahren: Endlich hat mal jemand ein intelligentes Navigationssystem erfunden. Statt ständig auf die Minimap zu starren, um zu sehen, wo man hin muss, poppen regelmässig Verkehrsschilder auf, die zeigen wo es lang geht. Man kann sich also auf den Verkehr konzentrieren, die Landschaft geniessen und verpasst dennoch keine Abzweigung. Ebenso geschmeidig wie die Fahrzeuge bewegen sich die Figuren, was ebenfalls für Glaubwürdigkeit sorgt.
Die Texturen könnten dagegen etwas schärfer sein, aber durch die hübschen Lichteffekte und das hervorragende Leveldesign ist der Aufenthalt in New Bordeaux trotzdem eine Reise wert. Wer auf dem PC spielt und eine passende RGB-Tastatur besitzt, darf sich ausserdem über situationsbedingte Leuchteffekte freuen. Wenn man beispielsweise von der Polizei verfolgt wird, blinkt die ganze Tastatur in Rot-Blau.
Stimmung entsteht auch durch die zahlreichen Magazine und Album-Covers, die man sammeln kann. Von original Playboy-Ausgaben (inklusive Nacktbilder, uiuiui) zu Autozeitschriften über ikonische Plattencovers tritt man jedes mal auf die Bremse, wenn auf der Karte ein blaues Sammel-Symbol auftaucht.
Soundtrack: Ein Ohrwurm jagt den nächsten
Für die ganzen Rechte dürfte Publisher 2K einiges hingeblättert haben. Über 100 lizenzierte Klassiker sorgen dafür, dass man ständig mit den Füssen wippt und mitsummt. Trägt massiv zur Stimmung des Spiels bei. Wie bei «GTA V» werden James Brown, Creedence Clearwater Revival oder die Rolling Stones regelmässig von Radio-Moderatoren unterbrochen, die auf unterhaltsame Weise über aktuelle Geschehnisse und Themen berichten.
Das Gangsterleben: Hab ich das nicht eben schon gemacht?
«Mafia 3» ist ein Openworld-Spiel. Man hat also ein riesiges Gebiet mit verschiedenen Tätigkeiten zur Verfügung. Nachdem man seine eigene Gangsterfamilie um drei Lieutenants erweitert hat, wird man von diesen regelmässig mit neuen oft optionalen Missionen versorgt. Durchs Erledigen erweitert man sein Einflussgebiet und erhöht gleichzeitig den Einfluss auf die jeweilige Person. Dadurch erhält man neue Boni wie mehr Lebenspunkte, Verstärkung wenns brenzlig wird oder die Möglichkeit, Telefon-Leitungen zu unterbrechen – praktisch wenn mal wieder jemand die Bullen rufen will. Man kann selber entscheiden, an welchen seiner Untergebenen man ein Gebiet übertragen will.
Leider laufen praktisch alle Missionen streng genommen aufs Selbe hinaus. Man fährt irgendwo hin, erledigt alle Gegner und klaut oder zerstört irgendetwas. Zwar wird drumherum eine interessante Geschichte erzählt, etwas abwechslungsreicher hätten die Aufgaben aber schon sein können. Besonders, weil das Spiel nicht zu den kürzesten zählt. Immerhin: Die Hauptmissionen werden im späteren Verlauf etwas origineller und da die Nebenmissionen freiwillig sind, sucht man sich einfach die aus, die Spass machen. Mir persönlich ist die Spielmechanik auf nach etlichen Stunden nicht verleidet. Sogar das Anbringen von Wanzen, wodurch man mehr Informationen über ein Gebiet erhält und das etwas an die Beschäftigungstherapie von Ubisoft-Titeln erinnert, hat mich nicht gestört.
Und Action!: Schiess auf alles, was sich bewegt
Das Problemlösungsverfahren in «Mafia 3» ist simpel. Gegner murkst man so lange leise ab, bis man entdeckt wird und dann ballert man in bester Wildwest-Manier um sich, bis sich nichts mehr bewegt. Schleichen ist fast etwas zu einfach und man kann teilweise sogar Feinde unschädlich machen, während ein zweiter daneben steht – ein extremerer Fall von Scheuklappen ist mir noch nicht untergekommen. Spassiger als Nahkampf sind sowieso die zahlreichen Schiesseisen von Schrotflinten über Scharfschützengewehre bis zum Granatwerfer. Das Handling der Ballermänner ist sehr gelungen und macht richtig Laune. Hier sollte erwähnt werden, dass «Mafia 3» ganz schön blutig ist. Besonders, wenn man im Nahkampf mit dem Messer neue Nasenlöcher verteilt.
Ein Heidengaudi sind auch die Verfolgungsjagden mit dem Auto. Vor allem, wenn man sich mal wieder mit der Polizei anlegt. Wie in «The Blues Brothers» dauert es nicht lange und man hat einen ganzen Schwarm heulender Sirenen hinter sich, die zunehmend schwieriger abzuhängen sind. Das dürfte für die meisten auch der Moment sein, wo man das Fahrverhalten von Simulation zurück auf Normal stellt.
Fazit: Trotz offensichtlicher Mängel ein grosser Spass
Mir hat «Mafia 3» enorm viel Spass gemacht. Die Atmosphäre der Sechzigerjahre wurde perfekt eingefangen und die Mischung aus Gangster-Story, Rassismusthematik und Vietnamkrieg hat mir sehr gut gefallen. Die Grafik hätte noch etwas detaillierter sein können und das Missionsdesign etwas kreativer. Trotz dieser nicht unbedeutenden Mängel, kann ich «Mafia 3» jedem empfehlen, der sich im Amerika der Sechziger mal so richtig austoben will.
«Mafia 3» wurde uns von 2K zur Verfügung gestellt. Getestet wurde die PC-Version. Das Spiel ist ausserdem für die PS4 und die Xbox One erhältlich.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.