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Schau mal, was da krabbelt: Ein Besuch im Zofinger Tropendschungel
2500 Reptilien, Amphibien, Insekten und Krebstiere schleichen und kriechen unter dem Dach von Lorica, der grössten Reptilienzuchtstation der Schweiz. Simone Piovan hat mich durch ihre faszinierende Welt geführt – und gibt damit den Auftakt zur Serie «Exot, ledig, sucht…»
Sand raschelt und Schalen knacken in der warmen Brutkammer der Zofinger Reptilienzuchtanlage Lorica. Es ist Schlüpfzeit für die etwa 900 Tropentiere, die hier jährlich zur Welt kommen. Sie stehen unter Obhut von «Exotenvater» Simone Piovan. 2011 gründete der damals 32-Jährige die Firma mit Fabian Boffa, dem heutigen CEO der Qualipet AG. Ihr Ziel: Gegen das Leid von importierten exotischen Tieren vorgehen. «80 Prozent der Wildfänge, die in die Schweiz eingeführt wurden, starben. Das wollten wir nicht akzeptieren. Also begannen wir, selbst zu züchten», erklärt Simone Piovan.

Quelle: Christian Walker
Der Kampf gegen Wildfänge
Jahrelang waren Piovan und Boffa auf Mission in Schweizer Zoofachgeschäften, um über die schlechten Haltungs- und Transportbedingungen gewisser Importeure aufzuklären. «Sie liessen die Tiere in den Herkunftsländern oft ohne Wasser und Futter auf die Abholung warten und muteten ihnen wochenlange Transportwege zu. Das überlebten viele nicht, auch wenn sie offiziell eingeführt wurden», so Simone Piovan.
Dass er und sein damaliger Geschäftspartner auf die Missstände aufmerksam machten, war nicht immer ganz ungefährlich, wie er verrät, als er an seltenen Buschagamen vorbeigeht. «Es gab damals zwei grosse Anbieter von Wildfängen, denen wir natürlich das Geschäft erschwerten. Ich erhielt sogar Morddrohungen.» Davon liess er sich aber nicht abschrecken. Mit Erfolg. Mittlerweile sind die Anbieter nicht mehr am Markt und Wildfänge im Schweizer Terraristik-Fachhandel so gut wie verschwunden.

Quelle: Christian Walker

Quelle: Christian Walker
«Tierwohl ist nicht lukrativ»
Macht Simone Piovan – mittlerweile alleiniger Inhaber und Geschäftsführer – nun das grosse Geschäft mit seinen jährlich rund 1000 verkauften Tieren sowie den Terrarien, Futtersorten und Substraten aus eigener Produktion? «Nein, wer in dieser Branche Geld verdienen möchte, ist am falschen Ort», sagt er, «Tierwohl ist nicht lukrativ, aber für uns steht es an erster Stelle.»
Dass er auch meint, was er sagt, wird deutlich, als er eine Bartagame aus dem Terrarium nimmt. Als sich die Echse nervös zwischen seinen Fingern windet, säuselt er sanft: «Na, hast du heute keinen guten Tag?» und setzt sie wieder ab. Langsam und behutsam berührt er ein anderes Tier, wartet ab, wie es reagiert und nimmt es auf die Hand. «Reptilien spüren noch besser als Hunde und Katzen, wie es uns geht. Also sollten wir auch ihre Bedürfnisse respektieren.»

Quelle: Christian Walker
Kein Modeaccessoire
Weiter geht der Rundgang an einem Terrarium vorbei, in dem «pensionierte» Zuchtechsen ihren ruhigen Lebensabend verbringen. Ich möchte von Simone Piovan wissen, welches Tropentier am einfachsten zu halten sei. «Gar keines», antwortet er. Als ich ihn überrascht anschaue, erklärt er, dass die Bezeichnung «einfach» heikel sei, da die Halter und Halterinnen dann dazu neigen, sich nicht ausreichend um die Tiere zu kümmern.

Quelle: Christian Walker
Es gibt laut Simone Piovan aber durchaus Exoten, die eher Fehler verzeihen, so wie der Leopardgecko oder die Zwergbartagame. Dennoch verkauft der Inhaber und Geschäftsführer diese Tiere nicht jeder Person. «Wenn ich spüre, dass jemand nicht am Tier interessiert ist oder nur einem Trend folgt, dann schicke ich ihn weiter. Will man etwas Modisches, soll man sich eine Kette kaufen.»
Mit vielen krabbeligen Eindrücken verlasse ich Lorica (nach dem militärischen Schutzpanzer der Römer benannt) wieder. Während ich die Tür hinter mir zuziehe, geschieht unter dem Schutzpanzer eines Reptilieneis ein klitzekleines Wunder: Ein Bartagamenbaby durchbricht die Schale und erblickt das Licht der Welt.
Wie stehst du zu Reptilien, Amphibien und Insekten? Verrate es mir in einem Kommentar. Und falls du mehr über die Bewohner von Lorica wissen willst: Bald startet meine dreiteilige Serie «Exot, ledig, sucht…», in der sich jede Woche zwei aussergewöhnliche Tropentiere vorstellen. Folge meinem Profil und verpasse nichts!

Quelle: Christian Waker
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
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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.