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Katzenadoption, Folge 3: die turbulenten ersten 24 Stunden
Der Entscheid ist gefallen: Mein Mann und ich haben zwei Tierheim-Katzen ausgewählt. So aufregend verlaufen die Ankunft und die erste Nacht bei uns.
«Der Fall ist klar: Haru und Olly» – «Einer wird sicher Lorenzo». So uneinig wie nach unserem Tierheim-Besuch waren mein Mann und ich uns noch selten. Er liebäugelte mit einem stämmigen, roten Kater plus Gspändli, ich hatte mich in ein zierliches Liebespärchen verguckt.
Ich will jetzt nicht sagen, ich hätte mich durchgesetzt. Aber nach ausgiebigen Diskussionen sind wir, aufgrund ihrer zutraulichen und harmonischen Art, schliesslich bei meiner Wahl gelandet: Haru und Olly. Oder – wie sie bei uns heissen – Jasper und Joy.
Der taktische Rückzug
Eine knappe Woche später ist es so weit: Die JJ’s treffen bei uns ein. Die erste Schnauze, die aus der Transportbox ragt, ist orange. Es ist Joy, das (eigentlich) zurückhaltende Weibchen. Sie beginnt, unser Wohnzimmer akribisch abzulaufen und zu beschnuppern. Dann geht’s schon unter das Sofa. Jasper, das (eigentlich) zutrauliche Männchen, folgt ihr.

Quelle: Darina Schweizer
Das kenne ich bereits von Katzen: In neuen Umgebungen ziehen sie sich an einen sicheren Ort zurück, von wo sie das Geschehen beobachten können. Was sie sehen, sind unsere Augen, mit denen wir immer wieder unter das Sofa blinzeln: ein Zeichen, dass sie uns vertrauen können.
Wirklich vertraut sind aus Katzensicht aber erst die Fressnäpfe, die wir hinstellen. Gemäss Ratgebern sollten Katzeneltern neuen Tieren das Futter in die Nähe ihres Versteckes bringen. Genauso das Katzenklo. Das Sofa wird also zur Festung. Aber werden wir wirklich als Feinde gesehen?
Zuerst fühlt es sich so an. Obwohl Jasper und Joy im Tierheim wahnsinnig verschmust waren, schrecken sie in unseren vier Wänden bei jedem Knacken zurück und lassen sich nicht streicheln. Fast schon macht sich Enttäuschung breit, würden wir nicht einen langsamen Prozess beobachten …
Die Festung bröckelt
Mit jeder Stunde, die verstreicht, verschiebt sich die Front unter dem Sofa. Statt sich in die Ecke zu zwängen, nähern sie sich der Sofakante. Dann wird das erste Mal gefressen und eine Runde um den Esstisch gedreht. Schliesslich dient der Stuhl als bequemere Sitzmöglichkeit und Streicheln liegt auch drin. Was schon jetzt ins Auge fällt: Joy interessiert die Aussenwelt. Immer wieder springt sie auf das Fenstersims und verfolgt Autos und Raben. Natürlich räumen wir dafür sämtliche Pflanzen beiseite. Das ist nun kätzisches Territorium.

Quelle: Darina Schweizer
Dieses expandiert schneller als das Mongolische Reich. Nach und nach richten wir es ganz nach felinen Wünschen aus. Auf Sessel und Sofa drapieren wir Decken, davor stellen wir Kartonkisten auf, zerbrechliche Deko-Figürchen verstauen wir im Schrank. Unseren Lichterkettenbaum lassen wir vorerst funkeln.
Das gefällt Jasper. Sofort springt er auf das TV-Möbel und beginnt, mit den beweglichen Ästen zu spielen. Lassen oder wegnehmen? Schimpfen oder ignorieren? Wir sind im Clinch, lassen ihn aber vorerst überall hin – abgesehen vom Esstisch und Herd. Diese haben wir zu den einzigen Sperrzonen erklärt.
Die Eroberung fremder Gebiete
Egal wie hoch, beladen oder eng ein Möbel ist: Geht nicht, gibt’s nicht bei Jasper. Joy ist die Vorsichtige im Schlepptau. Die Dynamik zwischen den beiden wird schnell klar: Wo er auch hingeht, sie steht drei Schritte hinter ihm. Ist er ausser Sichtweite, ruft sie nach ihm. Und traut sie sich doch mal alleine irgendwohin, gurrt beziehungsweise spricht sie sich selbst Mut zu. So hören sich wohl Affirmationen für Katzen an.

Quelle: Darina Schweizer
Jasper hat diese nicht nötig. Völlig unbekümmert inspiziert er Zimmer um Zimmer, die wir gemäss Empfehlungen nacheinander öffnen. Natürlich hüpft Joy überall wieder aufs Fenstersims. Weder die Aussenwelt noch Jasper lässt sie aus dem Blick. So entgeht ihr auch nicht, als er sich der Hauptkommandozentrale nähert – dem Raum, in dem aus Katzensicht die wichtigsten Portionen serviert Operationen koordiniert werden: der Küche.
Hier öffnen wir das erste Feuchtfutter. Jasper stürzt sich darauf, als stünde er unmittelbar vor dem Hungertod. Joy kommt kaum vom Fleck – und wird nach 15 Sekunden zur Seite gestossen, als sich Jasper von seinem leeren Futternapf an ihren noch halbvollen drängt. Beim Essen hört die Liebe auf.
Bereits ahne ich: Das könnte ein Problem werden. Genauso wie Joys Buddelfreude. Das Katzenstreu liegt nach ihrem Toilettengang über den ganzen Boden verteilt. Wenn bloss die Nacht ruhig wird.

Quelle: Darina Schweizer
Der nächtliche Aufstand
Die ruhige Nacht bleibt ein Wunschtraum. Als wir die Schlafzimmertür schliessen, ist es ruhig. Unheimlich ruhig. Die Fantasie geht mit mir durch. Habe ich das Fenster aufgelassen? Ein trotziges Miauen beruhigt mich: Die JJ's sind noch da. Daran erinnern sie uns auch um 3 und 4 Uhr morgens. Zwischendurch knackt und knallt es abwechslungsweise. An Schlafen ist kaum zu denken. Fast lache ich laut auf: Da habe ich Probleme mit nächtlichen Geräuschen, und schaffe mir ausgerechnet eine vierbeinige Sirene und einen haarigen Häcksler an.

Quelle: Darina Schweizer
Eines vorweg: Die kommenden Nächte werden deutlich ruhiger. Das erste Miauen erklingt erst um 9 Uhr – vielleicht, weil wir aus Prinzip nicht direkt nach dem Aufstehen füttern, oder vielleicht einfach nur, weil wir Glück haben. Aber mal ehrlich, welcher Katzenhaushalt hat das nicht? Schliesslich heisst es nicht umsonst: «Ohne Katze ist ein Zuhause bloss ein Haus.»

Quelle: Darina Schweizer
In Zukunft werde ich hier über alles berichten, was frischgebackene Katzeneltern wissen müssen: Welche Spielzeuge, Kratzbäume, Futter und Katzenklos etwas taugen, welche Katzennetze Balkone sicher machen, wie du Katzen vom Schlingen abhältst und, und, und. Folge mir und verpasse nichts! Und falls du auch eine erste Nacht mit Katzen hinter dir hast, erzähle doch in einem Kommentar davon.
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Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.