Schutz der Privatsphäre: Volla Phone X23 im Test
Mit dem Volla Phone X23 hat das deutsche Unternehmen Volla Systeme ein besonders robustes Gerät erarbeitet. Hauptsächlich ist das Smartphone aber für den Erhalt deiner Privatsphäre konzipiert.
Das Volla Phone X23 ist das Nachfolgemodell zum ebenfalls auf Robustheit ausgelegten Volla Phone X. Während das X23 keine spannende Hardware verbaut hat, zahlt sich der Blick auf die Software aus. Das Volla Phone X23 ist darauf ausgerichtet, deine persönlichen Daten auch als solche zu behandeln. Das hauseigene Betriebssystem Volla OS und diverse Opensource-Programme sollen das möglich machen. Mir stellt sich die Frage, auf was ich dafür verzichten muss.
Übrigens ist die erste Charge des Volla Phone X23 bereits vergriffen. Das Modell soll jedoch als günstigere, etwas abgespeckte Variante namens Volla Phone X23E auf den Markt kommen. Alternativ gibt es das Volla Phone 22, mit gleichem Datenschutzkonzept, nur etwas filigraner.
Ein Blick aufs Äussere: wasserfest mit Stil
Aktuell sehen die meisten Smartphones ziemlich ähnlich aus. Das Volla Phone X23 punktet hier: Das robuste Gehäuse in Schwarz mit roten Akzenten und rückseitiger Riffelung sagt mir zu. Das Kameramodul ist in einen LED-Ring gefasst, der je nach Statusinformation und Ladestand leuchtet. Ein nettes Gimmik, das mich an das Nothing Phone erinnert.
Allerdings ist das Phone für meine kleine Hand ein ziemlicher Klotz. Es misst mit seinem 6,1-Zoll-Display 16 × 8 × 1,2 Zentimeter, und wiegt stolze 270 Gramm. Es kommt meinem Oppo Find X5 mit Hülle ziemlich nahe (16 × 7,2 × 0,9 cm, 6,6”, 196g), wiegt jedoch merklich mehr.
Die Auflösung des IPS-Displays liegt bei 1560 × 720 Pixeln. Fürs Videoschauen reicht das gerade noch. Mit einer Helligkeit von 550 Nits ist es nicht besonders hell, macht das aber mit einem kontrastreichen Design wett.
Das Volla Phone X23 ist mit Gorilla Glass 5 geschützt und nach IP68 staub- und wasserdicht. Das bedeutet, es hält einen 30-minütigen Tauchgang bis zu 1,5 Meter Tiefe in Süsswasser aus. Und das trotz fehlender Abdeckung bei USB-C-Anschluss und Kopfhörerbuchse.
Die Software: eigenes Betriebsystem und Bedienkonzept
Du erhältst das Volla Phone X23 wahlweise mit Volla OS 12 auf Android-Basis (wie bei meinem Testgerät) oder mit dem auf Linux basierenden Ubuntu Touch. Über die Multiboot-Funktion lädst du bei der zweiten Variante nach Wunsch ein Betriebssystem deiner Wahl aufs Phone. Hast du zwei Konti, weist du diese jeweils dem gewünschten Betriebssystem zu. Das ist praktisch, wenn du beispielsweise Privates und Geschäftliches trennen willst.
Etwas Eingewöhnung braucht der Schnellzugriff von Volla OS namens «Sprungbrett». Das ist ein intelligentes Textfeld auf dem Startbildschirm, bei dem du direkt Befehle eingeben kannst. Beginnst du beispielsweise mit einem @-Zeichen, zeigt dir das Textfeld Namensvorschläge aus deiner Kontaktliste an. Tippst du auf einen Namen, kannst du jenen Kontakt anrufen. Schreibst du nach einem Absatz einen Text, sendest du an den Kontakt wahlweise eine Textnachricht oder Mail. Eine weitere Möglichkeit ist die Stichworteingabe für Suchanfragen im Internet.
Bei mir hat das nicht immer funktioniert. Das Phone hat mir jeweils nicht die gesuchten Kontakte angezeigt oder keine Unterscheidung zwischen SMS und Mail gemacht. Sagt dir das Sprungbrett weniger zu, findest du unten rechts einen roten Punkt, den du berühren kannst. Dieser zeigt dir eine Auswahl an Aktionen, wie Kontakte, SMS oder Anrufe. Möchtest du lieber direkt über Apps agieren, wischst du auf dem Sprungbrett nach rechts und erhältst alle installierten Programme. Oder du setzt dir die Appübersicht gleich als erste Wahl auf den Startbildschirm.
Das Volla Phone X23 soll mit mindestens zwei Jahren Sicherheitspatches versorgt werden. Auf Nachfrage meint Geschäftsleiter Jörg Wurzer, Volla sei darauf bedacht, möglichst lange Updates zu ermöglichen. Beim Volla Phone von 2020 mit Volla OS 9 wurde bereits auf Volla OS 12 aktualisiert. Für das Volla Phone X 23 sei Volla OS 13 gerade in der Fertigstellung. Volla OS 14 schliesse daran an.
Apps und Datenschutz: lass Google einfach weg
Das Volla Phone X23 kommt von Haus aus ohne Google-Dienste. Ob du dafür auf gewisse Apps verzichten musst? Nicht unbedingt. Dafür muss ich etwas mehr ins Detail gehen.
Du hast zwei verschiedene Stores zur Verfügung. Bei F-Droid findest du quelloffene Apps, die deine Privatsphäre wahren. Damit bist du auf der sicheren Seite. Mehr Recherchearbeit benötigt der Aurora Store. Dieser spiegelt die Apps aus dem Google Play Store. Das Gute: Du bekommst so ausnahmslos alle Apps, die du im Google Play Store erwerben kannst. Noch besser: Du brauchst dafür keinen Google-Account und bleibst anonym.
Beachte: Die Nutzung des Aurora Store ist zwar erlaubt. Allerdings greift er als App, die nicht offiziell von Google ist, auf deren Store zurück. Deshalb liegt er in einer Grauzone, sobald du kostenpflichtige Apps herunterladen möchtest. Denn dafür erstellt Aurora einen Fake-Google-Account – und das verstösst gegen die Richtlinien von Google. Mit Gratis-Apps bleibst du auf der sicheren Seite.
Hier befinden sich auch Apps wie Instagram, Facebook oder X (Twitter), welche, wie bisher, auf deine Daten zurückgreifen können. Möchtest du das nicht, nutzt du allenfalls die mobilen Webseiten. Diese kannst du für einen Schnellzugriff wie eine App auf deine Startseite packen. Äusserst praktisch.
Alternativen für Google-Dienste
Ich habe versucht, generell auf Apps von Google zu verzichten und zu schauen, wie gut ich damit durchkomme. Folgende Programme sind beim Volla Phone als quelloffene Alternativen bereits an Bord:
- G-Mail: K-9-Mail
- Maps: OsmAnd+
- Chrome: Fennec mit Suchmaschine DuckDuckGo
- Google Music: MaxFour
- Google Notizen: einfache Notizapp
- Google Drive: keine
K-9-Mail ist die vorinstallierte Mail-App. Sowohl Gmail- als auch Microsoft-Konti lassen sich damit verbinden. Hier bemerke ich keinerlei Einschränkungen.
Statt Google Maps ist OsmAnd+ vorinstalliert. Die App basiert auf dem Kartenmaterial von OpenStreetMap. Um auf eine Karte zuzugreifen, lade ich die gewünschte Karte als Paket herunter. Nach der Standortaktivierung lädt es mir das passende Datenpaket herunter. Die App ist übersichtlich und zeigt mir gesuchte Punkte wie bei Google Maps auch mit ÖV- oder Autorouten an. Läden präsentiert die App inklusive Öffnungszeiten, Website und anderen Details.
Statt Google Chrome steht mir Fennec zur Verfügung. Das ist ein mobiler Webbrowser, der auf Firefox basiert. Hier wähle ich in der Suchleiste meine bevorzugte Suchmaschine. Eingestellt ist vorab DuckDuckGo. Möglich ist auch die Google Suche oder Ecosia.
Als solider Mediaplayer dient MaxFour. Er gibt die auf dem Smartphone oder der Speicherkarte abgelegten Musikdateien wieder. Ansonsten hast du nicht viele Einstellungsmöglichkeiten bis auf einen einfachen Equalizer. Für einen wirklich guten Klang empfehle ich das Verbinden von Kopfhörern per Bluetooth oder noch besser über die 3,5mm-Klinkenbuchse. Bevorzugst du Funktionen von Youtube, wäre Newpipe eine Alternative mit Online-Zugriff und Videos.
Für Notizen habe ich eine simple, gleichnamige App zur Verfügung. Mir persönlich ist sie zu schlicht. Sie bietet nur die Möglichkeit, lose Texte auf neutralem Hintergrund zu verfassen. Hier empfehle ich eine quelloffene, ebenfalls sichere App namens Joplin.
Apropos Cloud: Statt Google Drive empfehle ich dir Nextcloud. Frei zur Verfügung, Open-Source und auf Sicherheit bedacht, kannst du hier deine Dateien vor Verlust schützen.
Textnachrichten und Finanzen
Als webbasierte Nachrichtendienste stehen Whatsapp und Telegram in Verruf, was deine Privatsphäre betrifft. Mögliche, sichere Alternativen sind Signal und, falls es etwas kosten darf, auch Threema.
Einige Nachrichtendienste laufen aber über eine Google-Schnittstelle. Bei diesen musst du auf Push-Benachrichtigungen verzichten und deine Nachrichten manuell einsehen. Persönlich fand ich es angenehm, nicht dauernd abgelenkt zu werden.
Finanz-Apps kannst du über Aurora herunterladen. Ich habe allerdings keine entdeckt, die ohne Aktivierung der Google-Dienste auskommt. Das gilt beispielsweise für die Deutsche Bank, Schweizer Kantonalbanken, Raiffeisen, aber auch für Paypal.
Auch andere, getestete Programme, wie Adobe-Apps oder Microsoft Teams sind nur mit Google-Play-Diensten möglich. Diese Abhängigkeit ist jeweils in den App-Beschreibungen vermerkt. Schade, aber immerhin hast du die Wahl, ob du die Dienste aktivieren willst, oder lieber eine sichere Alternative suchst.
Hardware: tut, was sie soll
Das Volla Phone X23 entstand, wie auch die bisherigen Volla-Modelle, in Zusammenarbeit mit Gigaset. Die Hardware entspricht einem Unterklasse-Smartphone Der SoC Mediatek Helio G99 lässt sich ebenfalls hier einordnen und erbringt dementsprechend keine überragende Leistung.
Beim Websurfen reagiert das Phone träge, manche Apps brauchen merkbar längere Ladezeiten. Auch zum Zocken eignet sich das Smartphone nur bedingt. Im Quervergleich schneidet das Fairphone 5 bei Geekbench 6 um einiges besser ab, während das Fairphone 4 etwa gleichauf ist.
Kamera: die grosse Überraschung
Bei den Fotos war ich zuerst stark enttäuscht. Die Spezifikationen klingen eigentlich gut. Verbaut ist eine 48-Megapixel Hauptkamera, eine 8-Megapixel-Ultra-Weitwinkelkamera sowie eine 16-Megapixel-Selfiekamera. Die Ergebnisse auf dem Smartphone sehen aber plump aus. Beim Hochladen auf den Computer dann die Überraschung: Die Bilder sind ganz ordentlich und teilweise sogar ausserordentlich. Auf dem Bildschirm des Volla Phone X23 kommt das leider zu wenig zur Geltung.
Um in den Ferien ein paar schöne Schnappschüsse zu erstellen, würde es gut reichen, die Bilder lassen sich aber nicht auf dem Smartphone auf die Qualität prüfen. Nahaufnahmen sind auch ganz in Ordnung.
SIM, eSIM oder gleich beides
Das Volla Phone X23 punktet in Sachen Flexibilität: mit zwei zusammen nutzbaren SIM-Karten-Slots. Die 128 Gigabyte Speicher lassen sich mit einer zusätzlichen MicroSD-Karte erweitern. Die SIM-Karten hab ich zwar leicht in die beiden Slots bekommen, das Herausnehmen war dafür fummelig. Nach längerer Observation habe ich einen kleinen Hebel entdeckt, der sich mit einer Nadel oder Pinzette nach unten schieben lässt. Nervt dich das Gefummel so wie mich, kannst du auch eine eSIM registrieren.
Ausdauernder Akku zum Austauschen
Der 5000-mAh-Akku lässt sich problemlos austauschen und hält lange. Persönlich nutze ich das Volla Phone X23 allerdings anders, als ich mein Smartphone sonst nutze. Also ohne Social Media, mit wenig Zocken und ich höre nur Musik, die ich direkt aufs Handy geladen habe. Diese Dinge schonen den Akku natürlich, aber auch die Standby-Zeit scheint das Phone gut wegzustecken. Angenehm also, wenn ich das Volla Phone X 23 nur alle paar Tage für knapp zwei Stunden an mein 22-Watt-Netzteil anschliessen muss.
Fazit: robuste Mittelklasse punktet mit guten Ansätzen und viel Privatsphäre
Das Volla Phone X23 erscheint teuer für die mittelmässige Hardware. Es ist ein ziemlicher Klotz und der Chipsatz schwächelt im Alltag. Gewöhnungsbedürftig ist das «Sprungbrett», ein Startbildschirm für Kurzbefehle. Allerdings kannst du auf eine Kurzwahlliste oder deine App-Übersicht zurückgreifen.
Dafür ist das Smartphone robust, wasserdicht und hat einen austauschbaren, ausdauernden Akku. Neben dem Gerät ist auch deine Privatsphäre gesichert. Diverse, quelloffene Software ist dafür zuständig und im Preis inbegriffen. Mit zwei SIM-Karten kannst du zudem Privates von Beruflichem trennen. Und die beiden App Stores bieten alles, was du an Software brauchst.
Ist dir Privatsphäre wichtig und möchtest du deine Daten nicht von Google und diversen Apps abzapfen lassen, ist das Volla Phone X23 eine gute Wahl. Das günstigere und handlichere Volla Phone 22 ist eine Alternative, die im Gegensatz zum X23 aktuell auch erhältlich ist.
Kennst du dich mit dem Booten von Betriebssystemen und anderen Smartphone-Hacks aus, kannst du beispielsweise auch auf ein nachhaltiges Fairphone 4 oder 5 zurückgreifen. Ersteres ist eine etwas günstigere und nachhaltige Alternative. Zweiteres kostet dich zwar mehr, dafür bekommst du einen stärkeren Chipsatz und kannst neben dem Akku auch andere Teile bei Bedarf selbst austauschen.
Kennst du weitere, quelloffene Apps, die du empfehlen kannst? Oder Smartphones, die sich zum Booten eignen?
Titelbild: Michelle BrändleSeit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los.