Sennheiser Momentum 4 Wireless: im Mainstream angekommen und trotzdem gut
Ein komplett neues Design, besseres Noise Cancelling, toller Sound, viel Akku und eine zuverlässige Bedienung. Das ist der neue Sennheiser Momentum 4 Wireless – ich habe ihn getestet.
Designtechnisch macht Sennheiser neu Einheitsbrei. Der Momentum 4 Wireless sieht aus wie beinahe alle Over-Ear-Kopfhörer. Das typische Retro-Design der Ohrmuscheln ist bei der vierten Generation nicht mehr dabei, Sennheiser geht einen anderen Weg. Der Kopfhörer sieht damit durchschnittlich, aber gleichzeitig schick aus.
Auch technisch hat Sennheiser einiges am neuen Kopfhörer geändert: Der Akku läuft 60 Stunden, das aktive Noise Cancelling ist besser und die App hat neue Funktionen gekriegt – und der Sound lässt kaum Wünsche offen. Nachfolgend erfährst du, wie der Kopfhörer sich in meinem Alltagstest schlägt.
Weiche, aber gewöhnungsbedürftige Polsterung und kein Einklappen mehr
Wie die Modelle aus dem Hause Sony und Bose besteht der Momentum 4 aus Kunststoff. Einzig der Kopfbügel ist mit grauem Stoff überzogen. Auf der Innenseite ist der Kopfbügel deutlich weicher als der Vorgänger gepolstert. Zudem war beim Vorgänger die Polsterung mit einer Naht in der Mitte unterteilt, weshalb mir der Kopfhörer nach langem Tragen auf den Kopf drückte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, ich kann den Momentum 4 stundenlang tragen und bemerke ihn kaum. Auch die Ohrmuscheln sind sehr weich gepolstert, bequem und passen wie angegossen über meine Ohren. Trage ich eine Brille, drückt bei mir nichts und die Polster dichten dennoch fast gleichermassen ab.
Nur das Material der Innenpolsterung ist gewöhnungsbedürftig – es fühlt sich wie das weiche Silikon eines Sextoys an. Alle, denen ich den Kopfhörer zur Überprüfung dieser These in die Hand drücke, finden die Beschaffenheit des Kunstleders speziell. Dafür ist die Polsterung weich, fein und rutschfest. Auch bekomme ich trotz Kunststoff keine heissen Ohren.
Einen offensichtlichen Nachteil hat das neue Sennheiser-Design jedoch: Die Ohrmuscheln lassen sich nicht mehr einklappen. Im Rucksack braucht der neue Momentum mehr Platz als der alte. Sennheiser macht es damit Sony, Bose und Bang & Olufsen gleich, die alle nicht mehr klappbare Modelle auf den Markt bringen.
Die Grössenverstellung des Kopfbandes erfolgt neu mit einem herausziehbaren Plastikteil. Dieses ist überall gleich gross, was schick aussieht. Für Leute mit kleinem Kopf ist das neue, stufenlose System vorteilhafter, da nichts mehr übersteht.
Die Ohrmuscheln lassen sich zum Transportieren eindrehen. Damit kannst du den Momentum 4 auch bequem um den Hals tragen. Beim Vorgänger drückten mir die Ohrmuscheln auf das Schlüsselbein, was schmerzte.
Der Sound ist wie immer gut
Vom Hals zurück auf den Kopf, fällt der gute Sound des Momentum 4 auf. Als die Schweizer Unternehmensgruppe Sonova die Kopfhörersparte Sennheisers übernahm, fragten sich Sennheiser-Fans, ob die Klangqualität gleich bleibt. Die Sennheiser-Momentum-Reihe ist bekannt für ihren guten Klang.
In meinen Ohren klingt der Momentum 4 nicht massgeblich anders als sein Vorgänger. Der Sound gefällt mir aber etwas besser. Im direkten Vergleich empfinde ich das neue Modell als etwas klarer mit mehr Bass. Dabei sind die tiefen Frequenzen stets kontrolliert und nehmen nicht überhand. Die Mitten hören sich präzise an und im Gegensatz zu anderen Kopfhörern sind sie präsent. Die Höhen sind klar und detailreich – so wie ich mir das wünsche.
Kollege David Lee wird demnächst mit seinem neuen Messgerät, dem MiniDSP Ears, den Momentum 3 und den Momentum 4 vermessen – dann werden wir schwarz auf weiss sehen, ob der Neue wirklich besser ist als der Alte.
Wer mit dem Momentum 4 noch mehr Bass, Mitten oder Höhen möchte, kann mit dem Equalizer in der Sennheiser-App am Klang herumschrauben und damit hörbare Änderungen erreichen. Das eigens erstellte Preset kann abgespeichert werden. Zudem gibt’s ein Preset, bei dem der Bass angehoben wird und ein Podcast-Modus für bessere Sprachverständlichkeit.
Zusammengefasst klingt der Momentum 4 Wireless sehr gut. Leute, die guten Sound aus Bluetooth-Kopfhörern wollen, werden mit ihm höchstwahrscheinlich glücklich.
Sehr gut ist die Akkulaufzeit des neuen Kopfhörers: Ganze 60 Stunden bei mittlerer Lautstärke. Zum Vergleich: Ein Grossteil der Over-Ear-Kopfhörer hat 20 bis 30 Stunden Akku. Der Momentum 3 bietet 17 Stunden, Sonys neuer WH-1000XM5 30 Stunden. In meinem Test kommt die angegebene Akkulaufzeit von Sennheiser hin, ich musste den Momentum 4 nur einmal aufladen. Und falls du doch mal keinen Akku mehr haben solltest: Du kannst auch während dem Laden Musik hören.
Noise Cancelling und Transparenzmodus: Die richtige Stille
Bereits der Vorgänger hatte eine aktive Geräuschunterdrückung. Diese funktionierte nicht so gut wie bei der Konkurrenz. Hier hat Sennheiser deutlich nachgelegt: Das Brummen im Zug höre ich kaum mehr und im Grossraumbüro kann der Momentum 4 den grössten Teil des Geplappers rausfiltern. Nur hohe Töne – zum Beispiel das Quietschen einer Türe oder hohe Stimmen – kommen noch durch.
Der Klang verändert sich durch das Einschalten des aktiven Noise Cancellings (ANC) nicht und ohne Musik ist kaum Grundrauschen hörbar. Beim Podcast-hören hat mich dieses nicht gestört. In der Sennheiser-Connect App kannst du die Stärke des ANC nach Ort einstellen. Du kannst das ANC aber auch am Hörer selbst verstellen.
Willst du das Gegenteil von Active Noise Cancelling, also den Transparenzmodus, kannst du diesen auch am Kopfhörer einschalten. In dem Modus werden Aussengeräusche mit den Mikrofonen aufgenommen und über die Hörer abgegeben, sodass du sie trotz passiver Abdichtung hörst.
Ich bin mit dem Transparenzmodus in der Stadt Velo gefahren. Ich habe knapp genug gehört, um nicht zum Sicherheitsrisiko zu werden, wohl war mir dabei aber nicht. Vor allem tiefere Frequenzen kommen im Transparenzmodus leiser durch – also zum Beispiel ein herannahendes Auto. Das ist mit dem Velo nicht vorteilhaft. Dafür höre ich hohe Geräusche – wie das Quietschen meiner alten Velokette – lauter. Willst du gegen den vorherrschenden Knigge verstossen, kannst du den Momentum 4 auch während einem Gespräch auf dem Kopf lassen, im Transparenzmodus wirst du dein Gegenüber genügend deutlich hören.
Bedienung mit zuverlässigem Touch
Die einen lieben sie, die anderen hassen sie: die Bedienung mittels Touch-Gesten. Der Vorgänger hatte noch fünf haptische Knöpfe an der Ohrmuscheln, jetzt ist nur noch ein Ein- und Ausschaltknopf zu finden. Die restliche Steuerung hat Sennheiser komplett überarbeitet, sie erfolgt neu über Gesten am Ohrhörer.
Ich mag Touch-Steuerungen, wenn sie zuverlässig und ohne Verzögerungen funktionieren. Ansonsten treiben sie mich in den Wahnsinn. Beim Momentum 4 funktioniert die Steuerung akkurat und zuverlässig. Zudem kannst du alles Wichtige am Kopfhörer selbst einstellen: Einmal Tippen stoppt und startet die Musik, Rauf- und Runterwischen regelt die Lautstärke. Mit Wischen gegen vorne oder nach hinten geht’s zum vorherigen oder nächsten Song. Tippst du doppelt, wechselst du zwischen dem Active Noise Cancelling oder dem Transparenzmodus. «Zoomst» du mit zwei Fingern rein und raus, stellst du die Stärke des ANCs ein.
Einzig, dass der Kopfhörer jede Touch-Berührung mit einem Piepton quittiert, stört mich. Damit weiss ich zwar, dass der Kopfhörer den Befehl erhalten hat, mich nerven die Töne aber. Bis zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Reviews lassen sich die Töne auch nicht in der App deaktivieren. Gleiches gilt für die Stimme, die dir zusätzliche Informationen zum Kopfhörer-Status gibt. Das ist schade, denn wenn die Sennheiser-Stimme mir mitten im Song verkündet, dass ich die maximale Lautstärke erreicht habe, rollen sich bei mir jedes Mal beinahe die Zehennägel hoch.
Die Sprachqualität: ohne Musik okay
Sennheiser ist für gute Klangqualität bekannt, bei der Sprachqualität mangelte es in der Vergangenheit jedoch. Wie gut du verstanden wirst, ist beim Telefonieren nicht nur vom Kopfhörer selbst, sondern auch von weiteren Einflüssen abhängig. Der Empfang kann die Qualität stark beeinflussen. Ich zeichne deshalb in verschiedenen Settings lokal an einem Laptop mit Windows 11 via Bluetooth auf. Zuerst kannst du dich in einer ruhigen Umgebung von der Sprachqualität überzeugen:
Der Umgebungslärm beeinflusst die Gesprächsqualität. Ich lasse deshalb im Hintergrund ein Techno-Stück auf mittlerer Lautstärke laufen. Insbesondere mit den Tiefen hat der Momentum 4 beim Herausfiltern Mühe, diese sind durchgehend in der Aufnahme zu hören.
Als dritten Vergleich gibt’s noch die Aufnahme mit dem Vorgängermodell. Die Qualität ist nicht wirklich überzeugend, der Unterschied zum neuen Modell ist hörbar.
App und Verbindungsmöglichkeiten
Nicht nur den Kopfhörer, auch die Smart Control-App hat Sennheiser mit dem Launch überarbeitet. Neu gibt’s die bereits erwähnten Soundzonen, in denen die Stärke des ANCs eingestellt werden kann, sowie die Funktion «Sound-Check», in der die App die besten Presets für dich vorschlägt. Für beide Funktionen muss ein Konto erstellt werden. Ansonsten kannst du die App ohne Registrierung nutzen.
Zuoberst in der App kannst du die aktiven Verbindungen verwalten. Dank Multipoint hält der Kopfhörer mit zwei Geräten gleichzeitig eine aktive Bluetooth-Verbindung aufrecht. Kommt ein drittes Gerät hinzu, kannst du dieses in der App zu- und abschalten.
Nebst den erwähnten Soundzonen kannst du die aktive Geräuschunterdrückung auch in der App anpassen oder wählen, so dass diese sich automatisch der Umgebung anpasst. Mit der Funktion «Sidetone» hörst du deine Stimme während einem Telefonat natürlicher.
Etwas störend an der App ist, dass sie manchmal den Kopfhörer nicht erkennt, obwohl dieser bereits via Bluetooth verbunden ist. Ich musste dann jeweils den Kopfhörer entkoppeln oder die App beenden und neu starten. Davon abgesehen funktioniert sie aber gut.
Verbunden wird der Kopfhörer mittels Bluetooth 5.2 und den Codecs SBC, AAC, aptX sowie aptX Adaptive. Dabei hatte ich – im Gegensatz zu Sennheisers älteren True-Wireless-Modellen – keine Verbindungsprobleme. Die Verbindung ist stabil und reicht etwa 25 Meter weit
Auch die Verbindung zum Laptop unter Windows 11 funktioniert schnell und zuverlässig. Nach einem Teams-Anruf kann ich einfach wieder aufs Handy wechseln. Nur: Wenn der Computer nicht stumm geschaltet ist, kommen alle Benachrichtigungstöne auch auf den Kopfhörer. Dabei stoppen sie jedes Mal die Musik für ein paar Sekunden – auch wenn die Musik vom Handy her abgespielt wird. Die Benachrichtigungstöne am Kopfhörer ausschalten geht nicht.
Zum Kopfhörer kommt ein schickes Hardcase in neuer Form – das Case des Momentum 3 erinnert mich immer an eine Hutschachtel. Dafür ist das ältere Case etwas kleiner, da sich der Vorgänger-Kopfhörer gefaltet im Case unterbringen lässt.
Fazit: In der breiten Masse angekommen, um zu bleiben
Sennheiser hat beim vierten Momentum-Modell vieles verändert und verbessert. Um das Wichtigste nochmals zu nennen: das Design, die Steuerung, die Akkulaufzeit, das Active Noise Cancelling und die App. Über das Design lässt sich streiten – mir hat das Retro-Flair gefallen. Ein klarer Nachteil ist jedoch, dass der neue Momentum nicht mehr zusammenklappbar ist. Er braucht mehr Platz.
Im Vergleich zu Sonys WH-1000XM5 ist das ANC gefühlt nicht ganz so gut und bei Sony funktioniert die App verlässlicher. Der Momentum 4 hebt sich vor allem mit seinem hervorragenden Klang und der ausserordentlichen Akkulaufzeit von anderen Over-Ear-Kopfhörern ab – also zwei sehr wichtigen Eigenschaften eines Kopfhörers.
Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.