Ratgeber

So nimmst du Musik auf Kassette auf

David Lee
27.6.2023

Du hast noch nie oder schon sehr lange nicht mehr Musik auf Kassette aufgenommen? Mit diesem Leitfaden kannst du bei null beginnen.

Muss man das wirklich erklären? Ich habe schon als Kind auf Kassette aufgenommen und fand das einfach. Aber damals war alles vorhanden und eingerichtet. Heute musst du (wieder) ganz von vorne beginnen, also zuerst mal Kassetten und einen Kassettenrecorder auftreiben, danach die Geräte anschliessen und die Aufnahme einstellen. Dabei kannst du eine Menge falsch machen. Also ja: Es gibt einiges zu erklären, nicht nur für die Generation Z. Falls dir das alles viel zu ausführlich ist, gibt es am Ende des Texts eine Kurzzusammenfassung.

Besorg dir Kassetten

Audio-Kassetten kannst du auch heute noch neu kaufen. Allerdings ist die Auswahl im Vergleich zu früher arg limitiert und beschränkt sich weitgehend auf Kassetten vom Typ I. Das sind Bänder, die Eisenoxid als Magnetisierungsschicht verwenden. Typ I ist der günstigste, aber auch der schlechteste Typ.

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Audio Kassette

Die wohl beste neu erhältliche Kassette ist das RTM Fox Tape. Auch sie ist vom Typ I. Du bekommst sie beispielsweise bei Thomann.

Es gibt von ATR eine neue Kassette vom Typ II, aber sie schneidet in Tests mies ab. Für Typ II solltest du dich eher auf Online-Börsen umschauen. Dort findest du Kassetten aus früheren Produktionen, oft noch unbenutzt in der Originalverpackung. Auch bereits bespielte Exemplare können interessant sein: Sie sind günstiger und die Aufnahmequalität leidet durch erneutes Überspielen kaum.

Eine alte Typ-II-Kassette. Der Vorbesitzer hatte wohl eh im Sinn, sie neu zu bespielen.
Eine alte Typ-II-Kassette. Der Vorbesitzer hatte wohl eh im Sinn, sie neu zu bespielen.
Quelle: David Lee

Typ II erkennst du auch an den Bezeichnungen «high position» und «CrO2». Bei diesen Kassetten besteht die Aufzeichnungsschicht aus Chromdioxid. Sie sind etwas teurer, rauschen aber weniger. Die Preise variieren stark. Es gibt Sammlerobjekte für Liebhaber zu dreistelligen Preisen, aber auch Typ-II-Kassetten für deutlich unter 10 Franken oder Euro.

Es lohnt sich, alte Typ-II-Kassetten aufzustöbern, denn sie klingen meist noch gut. Es kann allerdings zu kurzen Aussetzern kommen, wie hier bei 5936 zu hören. Ansonsten ist die Klangqualität in der Testaufnahme erstaunlich gut für ein so altes Medium. Es handelt sich um eine BASF CR-S II, die vermutlich aus dem Jahr 1985 stammt und bereits mindestens einmal überspielt worden ist.

Noch besser und teurer sind Kassetten vom Typ IV. Typ III war eine Totgeburt und existiert in der freien Wildbahn nicht. Typ IV war schon immer selten und ist es heute erst recht. Manche Verkäufer fordern astronomische Preise. Zum Einstieg empfehle ich dir das nicht. Es können auch nicht alle Geräte Typ IV korrekt abspielen und aufnehmen. Und auch hier bist du vor Aussetzern nicht gefeit.

Die billigste Art, an viele Kassetten zu kommen: Du erwirbst eine alte Sammlung. Denn auch vorbespielte Kassetten lassen sich neu überspielen. Dazu musst du die Löcher an den Oberkanten mit Taschentuch stopfen oder mit Klebeband überdecken. Bei vorbespielten Kassetten weisst du allerdings nicht, wie viel Kapazität sie haben. Und qualitativ siedeln sie sich eher im unterdurchschnittlichen Bereich an.

Besorg dir ein Kassettendeck

Für einen guten Klang ist das Kassettengerät noch wichtiger als die Kassette. Das gilt sowohl für die Aufnahme als auch fürs Abspielen. Was aber ist ein gutes Kassettengerät? Kauf dir kein portables Gerät, sondern ein richtiges Kassettendeck, sprich eine Hifi-Komponente. Oder leih dir eines aus.

Neue Kassettendecks gibt es leider nur noch ganz wenige. Zudem bietet ein hochklassiges gebrauchtes Deck mehr. Es ist für eine Einsteigerin oder einen Einsteiger aber schwer abzuschätzen, ob ein konkretes Gebrauchtangebot wirklich gut ist. Mehr zum Thema gebrauchtes versus neues Deck findest du in diesem Vergleich:

  • Produkttest

    Altes vs. neues Kassettendeck: Was ist besser?

    von David Lee

Dazu noch einige Ergänzungen:

  • Achte darauf, dass das Gerät nicht als defekt oder ungeprüft verkauft wird. Die Gummiriemen sollten ersetzt worden sein. Die leiern mit der Zeit aus, und nicht immer ist das Auswechseln so einfach wie in meinem Fall.
  • Auto-Reverse ist zwar praktisch, weil die Kassette für die B-Seite nicht gedreht werden muss. Die Funktion macht das Gerät aber anfällig für falsch ausgerichtete Tonköpfe. Das klingt dann sehr dumpf.
  • Drei statt zwei Tonköpfe sowie Dolby S sind Dinge, die du nicht brauchst, aber ein Zeichen dafür, dass es sich um ein qualitativ hochwertiges Gerät handelt.

Bring den Rekorder in Schuss

Vor der ersten Aufnahme solltest du die Tonköpfe reinigen. Dafür brauchst du Wattestäbchen und Isopropanol. Das ist ein Alkohol, der keine Rückstände hinterlässt. Reinige auch den Rest des Kassettenfachs. Gummirollen solltest du allerdings nicht mit Alkohol reinigen.

Ich habe ein spezielles Gerät, um Tonköpfe und andere Metallteile zu entmagnetisieren. Für viele Kassettenliebhaber gehört das Entmagnetisieren zur Wartung, doch ich bin nicht sicher, ob es notwendig ist. Ich habe noch nie einen positiven Effekt herausgehört. Andererseits kostet das Gerät auch nicht viel.

Schliesse alles korrekt an

Das traditionelle Setup sieht so aus: Das Kassettendeck wird mit zwei Cinch-Kabeln an einen Hifi-Verstärker angeschlossen. Das eine Kabel spielt den Sound vom Deck zum Verstärker, um Musik zu hören. Das andere vom Verstärker zum Deck, um Musik aufzunehmen. Diese Anschlüsse sind manchmal mit «Rec» und «Play» beschriftet, manchmal mit «Line In» beziehungsweise «Line Out», je nachdem ob der Ton beim Gerät ein- oder ausgeht.

Anschlüsse eines Kassettendecks.
Anschlüsse eines Kassettendecks.
Quelle: David Lee

Nun musst du noch die Quelle an den Verstärker anschliessen. In meinem Fall ist das ein iPad. Hier verbinde ich den Kopfhörerausgang mit dem Line-In- oder Rec-Anschluss des Decks. Falls deine Quelle einen Line out hat, benutze diesen statt des Kopfhörerausgangs.

Mit diesem Kabel kann ich das iPad über den Kopfhörerausgang mit dem Kassettendeck verbinden – direkt oder via Verstärker.
Mit diesem Kabel kann ich das iPad über den Kopfhörerausgang mit dem Kassettendeck verbinden – direkt oder via Verstärker.
Quelle: David Lee

Falls du keinen Verstärker mit Line-Out hast, kannst du die Quelle auch direkt mit dem Kassettendeck verbinden. Über den Kopfhörerausgang des Decks solltest du dennoch in der Lage sein, die Musik mitzuhören.

Aufnahme planen

Da eine Kassette eine vorgegebene Länge hat, solltest du im Voraus ein paar Überlegungen anstellen. Auf einer leeren Kassette steht ihre Gesamtkapazität: meist sind es 60 oder 90 Minuten. Eine Seite umfasst dementsprechend 30 oder 45 Minuten. Mindestens. Tatsächlich sind es oft eine oder zwei Minuten mehr.

Willst du ein Album aufnehmen, musst du dessen Gesamtlänge kennen und schauen, dass es auf die Länge der Kassetten passt. Playlists, etwa in Spotify, sind dafür gut geeignet. Natürlich passt die Länge nie genau, aber du kannst sie passend machen. Etwa, indem du ein Stück, das dir nicht gefällt, auslässt. Oder nur ein Teil davon mit Ein- oder Ausblenden aufnimmst. Umgekehrt kannst du dein Lieblingsstück ganz oder teilweise noch einmal aufnehmen, um die Lücke am Ende des Bands zu füllen.

Für ein Mixtape gehst du ähnlich vor. Dazu liest du am besten diesen Beitrag.

  • Hintergrund

    Das erste Mixtape seit 30 Jahren

    von David Lee

Die richtige Aufnahmelautstärke

Sowohl zu laute als auch zu leise Aufnahmen mindern die Tonqualität. Eine zu leise Aufnahme rauscht mehr als nötig, eine zu laute klingt verzerrt.

An deinem Kassettendeck hast du einen Regler – vielleicht auch zwei für links und rechts – um die Aufnahmelautstärke anzupassen. Drückst du auf die Record-Taste, ist die Aufnahme zuerst pausiert. Du siehst nun aber, wie laut aufgezeichnet wird, wenn du an der Quelle Ton abspielst. Der Pegel darf in den roten Bereich ausschlagen, sollte aber nicht dauerhaft dort sein. Kassetten vom Typ IV dürfen etwas lauter bespielt werden.

Der Rec-Regler steuert die Aufnahmelautstärke.
Der Rec-Regler steuert die Aufnahmelautstärke.
Quelle: David Lee

Dolby-Rauschunterdrückung

Wichtig bei der Aufnahme ist, ob die Dolby-Rauschunterdrückung ein- oder ausgeschaltet ist. Viele Decks bieten die Wahl zwischen Dolby B und C, selten auch Dolby S. Alle Verfahren mindern das natürliche Rauschen der Kassette.

Wenn mit Dolby aufgenommen wird, muss auch mit Dolby abgespielt werden. Bei Dolby C muss dann auch das Abspielgerät auf Dolby C eingestellt sein. Deshalb musst du auf die Kassette und die Hülle schreiben, ob und mit welcher Rauschunterdrückung du sie aufgenommen hast.

Einfache Wiedergabegeräte haben gar keine Dolby-Funktion oder nur Dolby B. Je nach Verwendungszweck ist es daher besser, ohne Dolby aufzuzeichnen. Ausserdem muss dein Rekorder in einem tadellosen Zustand sein, damit Dolby wirklich gut funktioniert. Das gilt vor allem für Dolby C und S, Dolby B ist weniger fehleranfällig. Hier kommt es zu Pumpgeräuschen und anderen unerwünschten Nebeneffekten, wenn die Tonköpfe nicht perfekt ausgerichtet sind. Und selbst wenn die Aufnahme auf deinem Gerät okay klingt, kann sie auf einem anderen Gerät falsch klingen.

Daher empfehle ich als Faustregel: Aufnahmen für dich selbst kannst du mit Dolby machen. Welcher Typ, hängt von deinem Deck ab. Eine Kassette, die du verschenkst, würde ich hingegen ohne Dolby aufnehmen oder allenfalls mit Dolby B.

Aufnahme!

Wenn alles richtig eingestellt ist, spulst du das Band an die Stelle, wo die Aufnahme starten soll. Anfang und Ende eines Bands haben eine andere Farbe als braun – dieser Teil kann nicht bespielt werden. Um sicher zu sein, dass die Aufnahme erst startet, wenn sich das Band im aufnahmefähigen Teil befindet, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du weisst, wie lange du warten musst und startest erst dann mit der Wiedergabe. Oder du drehst das Band von Hand an den Beginn dieses Teils.

Ab dieser Stelle ist das Band aufnahmefähig.
Ab dieser Stelle ist das Band aufnahmefähig.
Quelle: David Lee

Setz vor der Aufnahme den Counter auf null. Dann weisst du später, wo die Aufnahme startet, falls du sie wiederholen musst.

Und nun ist es tatsächlich ein Kinderspiel: Du drückst beim Kassettengerät auf Record (und dann auf Pause) und bei der Quelle auf Play.

tl;dr für Halbinteressierte

  • Besorg dir Kassetten.
  • Leih dir einen Recorder aus.
  • Reinige die Tonköpfe mit Wattestäbchen und Isopropanol.
  • Verbinde deine Tonquelle (CD-Player, iPod etc.) mit einem passenden Kabel.
  • Drücke beim Rekorder auf «Rec».
  • Spiel die Quelle testweise ab und pass die Aufnahmelautstärke an, geh dann an den Ausgangspunkt zurück.
  • Drücke beim Rekorder auf «Pause». Dies startet die Aufnahme.
  • Spiel sofort die Quelle ab.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 

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