Solo-Schlafen: Warum getrennte Betten nichts über die Liebe aussagen
Hintergrund

Solo-Schlafen: Warum getrennte Betten nichts über die Liebe aussagen

Muss man wirklich gemeinsam schlafen, um einander zu lieben? Meine Antwort darauf ist eindeutig: Nein. Für mich ist eine nächtliche Trennung kein Gradmesser für die Liebe – sondern für die Qualität meines Schlafes.

Es ist kein Novum, dass sich nicht alle Liebenden auch ein gemeinsames Bett teilen: Schon das Intellektuellen-Paar Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir schlief und lebte den größten Teil ihrer leidenschaftlichen Liaison getrennt voneinander. Misstrauisch beäugt vom kleinbürgerlichen Milieu zwar, aber die beiden blieben ihrem Pakt treu, den sie sehr jung fürs Leben geschlossen hatten. «Ich bin, ob nah oder fern, ganz die Ihre», schrieb Beauvoir in einem ihrer berühmten Liebesbriefe. Nun. Ich bin selbst nicht offen für eine offene Beziehung wie das französische Paar es war. Aber ich bin ausgesprochen offen für «LAT», das Lebensmodel «Living apart together». Und wenn das aus irgendwelchen, sehr wahrscheinlich finanziellen Gründen nicht geht, bevorzuge ich persönlich das Model «SAT», also «Sleeping apart together», auch locker «Sleep Divorce» genannt.

Getrennte Betten: Kein Symbol für abhanden gekommene Liebe

«Sleep Divorce» – diese Formulierung implementiert allerdings, was getrennte Betten für viele Menschen bedeuten: Das geht nicht lange gut. An die Blicke, die ich für diese Lebensentscheidung ernte, habe ich mich gewöhnt. Meine subjektive Wahrnehmung: Wer lieber allein schläft, dem wird der Anspruch auf die große, die wahre, die einzig gültige Liebe gerne abgesprochen. Räumliche Distanz wird emotionaler Distanz gleichgesetzt.

Ich habe nichts gegen Löffelchen-Liegen, Kuscheln und Händchenhalten im Bett, ich habe nichts gegen gemeinsame Serien-Marathons, ich habe nichts gegen Sex am Abend oder morgens. Aber dazwischen, da will ich einfach nur schlafen. Tief und fest. Ohne die Zwangsberieselung des Fernsehers, die manche brauchen, um Ruhe zu finden. Ohne mir eine Blähung zu verkneifen, ohne schlechtes Gewissen, wenn ich schnarche, ohne Genervtheit, wenn ich beschnarcht werde, ohne wechselseitigen Deckendiebstahl. Ohne Einschlafprobleme, wenn mein Partner neben mir bis in die Puppen seinen Krimi liest, ohne Durchschlafprobleme, wenn er unruhig rotiert, im Traum spricht, mit den Zähnen knirscht oder viel früher aufsteht als ich. Für mich ist das Bett kein Symbol für die Liebe. Oder für die Qualität des Sexlebens. Es ist nur ein Bett. In dem man schläft. Wenn möglich um die acht Stunden lang ohne Unterbrechung.

Gemeinsam schlafen: Frauen wachen leichter auf

Seit 2007 bereits weiß ich, dass mein Bedürfnis nach nächtlicher Ruhe nichts mit Herzenskälte zu tun hat. Es ist evolutionsbiologisch bedingt, besagt eine Studie des Verhaltensbiologen John Dittami von der Universität Wien aus jenem Jahr. Untersucht wurde das Schlaf-Verhalten von kinderlosen, unverheirateten, heterosexuellen Paaren, und zwar durch Messgeräte und Befragungen. Das Ergebnis: Frauen schlafen in Anwesenheit von Männern deutlich schlechter als umgekehrt. Vermutet wird: Frauen schlummern nicht so tief, da sie in grauer Vorzeit wachsamer sein mussten, was Gefahren betrifft. Die Natur sorgt mit einem niedrigen Schwellenwert für Umgebungsgeräusche dafür, dass Frauen etwa nachts schneller hören, wenn ihr Kind unruhig wird. Und heute? Sorgen auch unruhige Männer für Umgebungsgeräusche. Außerdem braucht das weibliche Köpfchen mehr nächtliche Erholung als das männliche: Eine Untersuchung des renommierten britischen Loughborough Sleep Research Centre belegte, dass Frauen ihr Gehirn intensiver nutzen und darum längere Erholungsphasen benötigen.

Gefühle sind nicht an ein Bett gebunden

2007 war ich übrigens 32 Jahre alt. Vor mir sollte noch eine kurze Ehe mit einem intensiv schnarchenden Mann liegen. Ich war andauernd gereizt, übermüdet, fahrig und schlecht im Job. Ich habe sogar einen Autounfall verursacht. Nicht gut. Heute bin ich 47 Jahre alt, ein Alter, in dem Menschen im Durchschnitt schlechter schlafen als in der Jugend. Mit einem Mann dauerhaft das Bett zu teilen – Urlaube oder Sleepovers sind hier ausgenommen – kommt mir nicht mehr in den Sinn. Ich brauche meinen Schlaf, um das Leben genießen und mein Arbeitspensum bewältigen zu können. Ich will nichts mehr ausprobieren, ich weiß, was mir guttut. Und damit auch meiner Beziehung. Dieser Hedonismus entwickelte sich allerdings nicht von einer Nacht auf die andere: Im Zuge meiner Scheidung konsultierte ich eine Therapeutin – und zehre bis heute von ihren weisen Sätzen. Bei mir sei alles in bester Ordnung, meinte sie. Pluralistische Paarmodelle würden mittlerweile die individuellen Freiheiten mehr in den Mittelpunkt stellen. Sprich: Da es kein einheitlich verbindliches Referenzsystem fürs große Glück mehr gibt, trauen sich die Menschen nun viel öfter, auszuwählen, was am besten zu ihrem persönlichen Glück passt.

Eigene Spielregeln für das Bedürfnis nach Nähe entwickeln

Es gilt nun, aus der Fülle der Möglichkeiten auszuhandeln, was für beide Partner passt. Natürlich gilt das auch für die Wahl des Nachtlagers. Paare, die nicht miteinander im selben Bett schlafen oder gar nicht in derselben Wohnung leben, müssen ihre eigenen Spielregeln entwickeln, wie sie ihre Bedürfnisse nach Nähe ausleben wollen. Und Paare, die gerne ein Bett miteinander teilen, können ebenso traumhaft glücklich werden.

War ich also einfach zu ungeduldig mit meinen Partnern? Egal. Ich schlafe gut, nur eben lieber allein. Wichtig für jeden von uns scheint mir die Möglichkeit zu wählen. Ohne schlechtes Gewissen, aber dafür mit umso mehr Erholungseffekt. Ich wünsche also eine gute Nacht – und würde zu gerne wissen, wie du am liebsten schläfst: solo oder zusammen?

Titelbild: unsplash.com/andisheha

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Janina Lebiszczak
Autorin von customize mediahouse

Lebe lieber ungewöhnlich: Ob Gesundheit, Sexualität, Sport oder Nachhaltigkeit, jedes Thema will entspannt, aber aufmerksam entdeckt werden. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie und niemals ohne Augenzwinkern.


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