Sony FE 50mm f/1.4 GM
Sony E, Vollformat
Die neue Festbrennweite von Sony ist lichtstark und trotzdem kein Klotz – ein Konzept, mit dem sich andere Hersteller schwertun. Ich habe das Objektiv im Vergleich mit zwei anderen Fünfzigern von Sony getestet.
Noch ein 50 Millimeter von Sony? Die haben doch schon vier, je nach Zählweise sogar fünf! Das ist wahr, Kollege David Lee hat die drei kompakten Varianten letztes Jahr in diesem Artikel verglichen. Wer mehr Qualität oder Lichtstärke sucht, musste bisher entweder zum ziemlich veralteten und schweren FE 50 mm F1.4 ZA von Zeiss greifen, oder gleich den Schritt zum FE 50 mm F1.2 GM machen. Das ist zwar gut, aber teuer und ebenfalls schwer. Nun hat Sony ein kompaktes Fünfziger auf dem aktuellen Stand der Technik vorgestellt.
Das FE 50 mm F1.4 GM ist mit 516 Gramm ein Drittel leichter als das F1.2. Dazu ist es wesentlich kompakter und auch günstiger. Das einzige, was du dafür aufgibst, ist ein klein wenig Lichtstärke. Der Fokus ist auf dem neuesten Stand: Die zwei linearen Motoren sind schnell und fast lautlos. Letzteres ist wichtig, wenn du filmst. Ansonsten verspricht Sony eine hervorragende Auflösung, wenig Bildfehler und ein schönes Bokeh. Ich habe getestet, ob das stimmt und wie sich das neue Fünfziger im Vergleich mit Sonys anderen zwei lichtstarken Optionen schlägt – dem FE 50 mm F1.8 und dem FE 50 mm F1.2 GM.
Zunächst betreibe ich etwas Pixel Peeping. Ich fotografiere die gleiche Buchseite mit allen drei Objektiven und verschiedenen Blenden. Um Fokusfehler auszuschliessen, stelle ich manuell scharf. In den Bildern, bei denen ich die Ecke vergrössere, liegt der Fokus auch genau auf dieser Stelle. Als Kamera verwende ich die Sony A1 mit 50 Megapixeln Auflösung.
Schon bei komplett offener Blende ist das neue FE 50 mm F1.4 GM sehr scharf in der Bildmitte. Auch das F1.2 löst schon komplett offen sehr gut aus, ich kann zwischen den zwei Linsen keinen Unterschied erkennen. Nur das F1.8 fällt völlig ab, doch das ist auch viel kleiner und kostet einen Bruchteil.
Ab Blende f/5.6 sind in der Bildmitte alle drei Objektive scharf. Das Kleinste im Bunde löst zwar auch hier noch ein wenig schlechter auf, doch dieser winzige Unterschied ist in der Praxis egal.
Am Bildrand wiederholt sich die Geschichte. Die Schärfe fällt sowohl beim 1.2 als auch beim 1.4 selbst bei Offenblende nur wenig ab.
Bei f/5.6 ist die Detailauflösung bei den zwei grossen Objektiven noch einen Hauch besser – doch im Alltag hätte das keinen Einfluss auf meine Wahl der Blende. Anders beim 50mm F1.8, hier ist der Schärfegewinn bei kleinerer Blende beträchtlich.
Das neue Objektiv fokussiert so schnell, wie ich es für den Preis erwarte. An meiner Sony A1 stellt es praktisch sofort scharf. Im Quervergleich scheint es die Schärfe sogar etwas schneller und lautloser zu finden, als das teurere F1.2. Die kleine Budget-Linse mit F1.8 spielt mehrere Klassen tiefer. Sie jagt hin und her, bis sie den Fokus findet. Dafür braucht sie lange und ist dabei laut. Für Videoanwendungen kommt das nicht infrage, bei Fotos nur für stationäre Objekte.
Elf Blendenlamellen hat das neue FE 50 mm F1.4 GM. Das soll für gleichmässige und runde Formen in den unscharfen Bildbereichen sorgen – kurz: ein schönes Bokeh. Dem würde ich nach meinem Test beipflichten. Ich sehe keine Zwiebel-Effekte und die Unschärfe wirkt harmonisch, wenn auch etwas nervös. Welche Art von Bokeh nun besonders ästhetisch ist, bleibt ohnehin Geschmacksache.
Vignettierung ist bei Offenblende eine Realität. Ich kann die abfallende Helligkeit in RAW-Konvertern wie Lightroom aber problemlos eliminieren, weshalb sie in der Praxis irrelevant ist. Ähnlich verhält es sich mit der Verzeichnung. Wie du schon oben an meinem völlig unbearbeiteten Buch-Foto siehst, werden gerade Linien mit dem neuen Fünfziger etwas kissenförmig. Der Effekt ist ähnlich stark wie beim F1.2. Auch er lässt sich in Lightroom korrigieren.
Chromatische Aberrationen – also Farbsäume an Kanten mit hohem Kontrast – sind hingegen sehr gut unter Kontrolle. Selbst an Ästen im Gegenlicht kann ich so gut wie gar keine grünen oder magentafarbenen Ränder erkennen.
Ebenfalls kein Problem im Gegenlicht: Linsenreflexionen, auch «Flare» genannt. Nicht mal bei Offenblende stelle ich störende Effekte fest und der Kontrast bleibt hoch.
Sonys neuestes 50 Millimeter ist ein sehr gutes Objektiv. Es ist optisch nahe an der Perfektion, auch Fokusgeschwindigkeit und Verarbeitung passen. Einzig den Preis zum Marktstart finde ich etwas sportlich: 1700 Franken sind zwar 775 weniger als das grössere FE 50 mm F1.2 GM kostet, aber günstig ist das nicht.
Das FE 50 mm F1.4 GM ist viel kleiner und leichter als der grosse Bruder. Wenn du nicht unbedingt das letzte Bisschen an Lichtstärke willst, ist es die viel bessere Wahl. Der Vergleich mit der Budget-Linse FE 50 mm F1.8 ist ohnehin unfair, da spielt das G-Master in einer völlig anderen Liga. Sony hebt sich mit dem neuen Objektiv aber auch von der Konkurrenz ab: Weder bei Canon noch bei Nikon gibt es für spiegellose Kameras vergleichbare Kombinationen aus moderatem Gewicht und guter Abbildungsleistung.
Unter dem Strich ist das Sony FE 50 mm F1.4 GM deshalb mein neuer Liebling unter den Festbrennweiten – genau die richtige Balance zwischen Lichtstärke, Qualität und Grösse.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.