
EA Games Split Fiction
«Split Fiction» bietet eines der besten Koop-Erlebnisse, die ich je hatte. Die Fülle an Gameplay-Ideen hätte locker für 20 Games gereicht und genau das macht es besonders.
Meine Erwartungen waren hoch. «Split Fiction» hat sie übertroffen. Studio Hazelight hat die Koop-Formel damit endgültig perfektioniert. Das Game bietet mehr Abwechslung und ein noch originelleres Gameplay als der Vorgänger «It Takes Two» aus dem Jahre 2021. «Split Fiction» überrascht bis zur letzten Minute. Obendrauf liefert es eine packende Geschichte mit zwei Charakteren, die mir von Anfang an sympathisch sind und mich nicht wie beim letzten Spiel mit ihren Nörgeleien in den Wahnsinn getrieben haben.
Das Spiel beginnt in einem futuristischen Tech-Labor. Eine Handvoll erfolgloser Autorinnen und Autoren ist einer Einladung gefolgt – in der Annahme, einen heiss ersehnten Buchvertrag zu erhalten. Dazu gehören auch Mio Hudson und Zoe Foster. Die beiden begegnen sich bereits im Aufzug, wo schnell klar wird, dass sie sehr unterschiedliche Persönlichkeiten besitzen. Statt die Karriereleiter hinauf fordert der Steve-Jobs-Verschnitt die Anwesenden auf, in geheimnisvolle, schwebende Blasen zu steigen. Mio ist die einzige, die das ganze hinterfragt. Als sie sich dagegen wehrt, an die Maschine angeschlossen zu werden, stolpert sie aus Versehen in Zoes Blase.
Über diese Blasen saugt die Maschine die Ideen der Teilnehmenden ab. Weil Zoe und Mio zu zweit in einer solchen gefangen sind, vermischen sich ihre beiden Welten. Fortan müssen sie gemeinsam versuchen, einen Weg aus der Misere zu finden. Ihre Geschichten an einen aalglatten Techguru zu verlieren, kommt für sie nicht in Frage. Damit beginnt die Geschichte in «Split Fiction» und wir dürfen endlich den Controller in die Hand nehmen.
«Wir», weil «Split Fiction» exklusiv zu zweit gespielt wird. Die zweite Person kann dank Friend Pass einfach eingeladen werden und muss das Spiel nicht zusätzlich kaufen. Sogar Crossplay ist möglich. Der Bildschirm ist dabei meist zweigeteilt, egal, ob du lokal oder online spielst. Oft ist es essenziell, dass du siehst, was dein Partner gerade macht.
Mio und Zoe haben sehr unterschiedliche Vorlieben. Mio steht auf Science Fiction und Zoe auf Fantasy. Das Spiel wechselt regelmässig zwischen den beiden Settings hin und her. Ein perfektes Mittel, um zwei völlig unterschiedliche Welten zu vereinen und damit für viel Abwechslung zu sorgen.
Eine der ersten Welten entspringt einer Geschichte Zoes, aus der die Maschine einen Level erschaffen hat. Darin werden die beiden Frauen zu Gestaltenwandlerinnen. Mio kann zwischen ihrer menschlichen Form, einem Affen und einer Art Otter hin und her wechseln. Zoe wiederum wird zu einem Baumwesen und einer Fee. Da ich mich für Mio entschieden habe, kann ich als Affe an bestimmten rosa eingefärbten Stellen klettern, Durchgänge aufbrechen oder als Otter durch unterirdische Flüsse schwimmen.
Zoe wiederum steuert als Baumwesen die Natur und lässt Plattformen wachsen, über die ich als Affe klettern kann. Als Otter wiederum spiele ich gelegentlich Taxi für Zoe und ziehe sie per Plattform durchs Wasser. Die Aufgaben werden konstant schwieriger und kombinieren immer mehr der gelernten Mechaniken. Ich klettere als Affe über ein Hindernis, verwandle mich im Luftsprung in den Otter und mache einen Kopfsprung ins Wasser. Danach tauche ich unter einem Staudamm hindurch, hechte auf der anderen Seite wieder hinaus und wechsle in der Luft in meine Menschenform, um direkt einer Wand entlangzurennen. Phuu.
Auch als Menschen beherrschen Zoe und Mio einige Tricks. Neben dem Wallrun wie in «Prince of Persia» verfügen sie über einen Doppelsprung und können dashen, um noch grössere Distanzen zu überwinden oder Hindernissen auszuweichen. Diese Fähigkeiten kommen über das gesamte Spiel hinweg zum Einsatz.
In jeder neuen Welt ändert sich nicht nur das Setting, sondern auch die grundlegende Spielmechanik. Aus fast allen Welten könnte man eigenständige Games machen. «Split Fiction» wechselt sie so schnell, dass sie nie langweilig werden. Generell legt das Spiel ein ungeheuerliches Tempo vor. Es geht immer vorwärts. Und auch wenn es der Schwierigkeitsgrad in sich hat, sind wir nie stecken geblieben. Das liegt auch an den grosszügig verteilten Checkpoints. Solange nur eine Person stirbt, geht das Spiel fliessend weiter und du spawnst meist direkt neben deinem Partner. Selbst in Bosskämpfen musst du nie von vorne beginnen. Das Spiel katapultiert dich konstant vorwärts. Es kommt nie das kleinste bisschen Langeweile oder Frust auf.
Während Zoes Level in traumhaften Märchenwelten voller Fabelwesen angesiedelt sind, erkunden wir in Mios Gedanken als Cyberninjas grelle, neonfarbene Scifi-Welten. Mal liefern wir uns wilde Verfolgungsjagden auf Lightbikes, die direkt aus «Tron» stammen könnten. Oder wir kontrollieren «Metroid»-artige Metallkugeln, um durch Schächte zu rollen, Terminals zu hacken und Energiefelder zu aktivieren. Viele der Spielideen sind offensichtlich von existierenden Spielen und Filmen abgekupfert. Das passt aber einerseits zu den Autorinnen, die wohl nicht zuletzt mangels Talent vergeblich auf einen Buchdeal warten, andererseits hebt sich das Gameplay dann doch deutlich von der Vorlage ab.
So besteht Mios «Metroid»-Kugel aus einzelnen Drohnen. Diese können sich in ein kleines Schiff verwandeln, mit dem ich Zoes Kugel transportieren kann. Oder sie setzen sich zu einem Gleitschirm zusammen und schweben über rauchende Kamine, die mein Kumpel im richtigen Moment aktiviert, um mir Auftrieb zu verschaffen.
Nicht nur die Spielmechaniken wechseln sich ständig ab, sondern auch die Perspektive. Mal steuern wir das Spiel aus der dritten Person, dann von der Seite, dann von oben oder es wechselt mittendrin hin und her. Das ist erfrischend und macht auch spieltechnisch Sinn. Für die zusätzliche Portion Mindfuck hängt in einigen Leveln die Schwerkraft mit der Perspektive zusammen. So muss ich mich auch mal kopfüber bewegen, um eine zuvor versperrte Stelle zu umgehen.
Es wird zuweilen echt wild. Immer, wenn ich das Gefühl hatte, alles gesehen zu haben, überraschte mich «Split Fiction» mit einer neuen verrückten Idee. Das gilt besonders für den Schluss, der einige der abgedrehtesten Abschnitte bereithält, die ich je in einem Spiel gesehen habe. Selten hatte ich so oft ein Grinsen im Gesicht wie in diesem Spiel und hörte mich sagen: «so eine geile Idee».
Selbst die Geschichte überzeugt. Etwas, das im letzten Teil mein grösster Kritikpunkt war. Das zankende Ehepaar ging mir so unfassbar auf die Nerven, dass ich die Zwischensequenzen skippen musste. In «Split Fiction» sind mir die Autorinnen von Anfang an sympathisch. Die Geschichte um das Techunternehmen, das sich mit einer Maschine die Ideen anderer klauen will, ist zwar in Zeiten des KI-Hypes aktuell, aber auch nicht sonderlich originell. Dafür sind die persönlichen Traumata, die Zoe und Mio in ihren Geschichten verarbeiten, umso spannender. Auch wenn die Wendungen vorhersehbar sind, habe ich mitgefühlt, weil mir die beiden Mädels ans Herz gewachsen sind. Nur Zoes exzessiver Einsatz von Onelinern würde selbst bei Schwarzenegger für Augenrollen sorgen.
Visuell legt «Split Fiction» im Vergleich zu «It Takes Two», das auch schon hübsch aussah, noch eine mächtige Schippe drauf. Man merkt deutlich, dass der letzte Teil ein riesiger Erfolg war und Publisher EA wohl einen Blankoscheck ausgestellt hat. Es gibt gigantische Drachenhöhlen, versunkene Städte und schwebende Industriekomplexe. Alles ist voll mit liebevollen Details, weitläufigen Landschaften und imposanten Bauwerken. Sowohl die Fantasy-Abschnitte als auch die Sci-Fi-Level haben uns regelmässig den Atem verschlagen. Was du hier teilweise beim Vorbeifliegen zu sehen bekommst, wäre in anderen Spielen das visuelle Highlight.
Auch der Soundtrack trägt seinen Teil dazu bei, dass wir richtig in die Welt abtauchen können. Mal wummert ein fetter Technobeat, während wir uns Tanzduelle mit einem Partyaffen liefern, dann begleitet uns ein Streichorchester auf einem Rundflug mit einem Drachen.
Noch mehr Abwechslung bieten die optionalen Nebenquests. Sie sind kaum zu verfehlen und sind immer in der jeweils anderen Welt angesiedelt. Sie dauern meist nur wenige Minuten und sind der perfekte Snack zwischen den längeren Hauptmissionen. Wir haben uns keine einzige entgehen lassen. Mal haben wir eine «Harry Potter»-artige Magiewelt angetroffen und haben uns zum Spass ein Rennen auf Schnecken geliefert. Die Zauberhut-tragenden Maulwürfe rundeten das kurze Erlebnis ab. Ein andermal lieferten wir uns einen Snowboard-Contest, dann wieder verwandelten wir uns in Regenbogen-furzende Schweine, respektive in eins mit Sprungfeder. Damit purzelten wir durch eine kunterbunte Bauernhof-Welt voller Riesenobst. Die Fantasie kennt keine Grenzen – genau wie der Spielspass.
«Split Fiction» ist ab dem 6. März erhältlich für PC, PS5, Xbox Series X/S. Ich habe die PC-Version getestet, die mir EA zur Verfügung gestellt hat.
Mehr über das Thema reden wir in der aktuellen Folge des Tech-telmechtel-Podcasts
Selten hat mir ein Spiel mehr Spass gemacht, mehr Abwechslung geboten und mich so konstant mit neuen Ideen überrascht wie «Split Fiction». Der gleichen Meinung ist auch mein Kumpel, mit dem ich es gespielt habe. Hazelight hat sich selbst übertroffen. Das Spiel begeistert auf allen Ebenen. Es sieht traumhaft aus, der Soundtrack ist mitreissend und der Tapetenwechsel aus Gameplay-Ideen und Weltendesign ist in seiner Kadenz fast unbegreiflich. Die Menge an Ideen hätte für zehn Spiele gereicht, wobei das Novum dann schnell verflogen wäre. Und genau das macht den Reiz des Spiels aus. Kaum hast du dich an eine Szene oder eine Mechanik gewöhnt, folgt schon die nächste. Es wird nie langweilig. Das Spiel legt ein unglaubliches Tempo vor.
Dass «Split Fiction» ausschliesslich zu zweit gespielt werden kann, kann sich als Nachteil erweisen, wenn du keinen Koop-Partner findest. Trotz grosszügiger Checkpoints ist es durchaus fordernd, was Gelegenheitsspieler vor Schwierigkeiten stellen könnte. Wenn du wie ich einen geeigneten Partner gefunden hast, dann wirst du doppelt belohnt. Mit einem einzigartigen Spiel und einem einzigartigen Erlebnis, das euch noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Pro
Contra
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.