«Star Wars Jedi: Survivor» im Test: Macht Lust, trotz «Star Wars»-Frust
Der erste Teil war ein Überraschungshit – trotz Ecken und Kanten. Die schleift Teil zwei rund und bietet ein munteres «Star Wars»-Abenteuer mit Herz – wenn die zahlreichen Bugs noch ausgebügelt werden.
Keine kosmetischen Gegenstände gegen Echtgeld, keine kostenpflichtigen DLCs, kein Multiplayer mit Pay to win, einfach nur eine solide Einzelspieler-Kampagne. Dass so ein Spiel von EA kommt, hätte vor «Star Wars Jedi: Fallen Order» niemand gedacht. Und dann war es erst noch richtig gut. So gut, dass 2021 bereits über 20 Millionen das Abenteuer von Jedi-Ritter Cal Kestis gespielt haben. Klar, dass da Studio Respawn Entertainment einen Nachfolger entwickeln durfte. Dieser lässt ein paar Jahre verstreichen, schliesst ansonsten nahtlos an die Geschichte des ersten Teils an.
Ich habe eine Vorabversion für PC gespielt.
Stimmungsvolle Geschichte ohne Tiefgang
«Star Wars» ist nicht bekannt für komplexe Stories – «Andor» mal ausgenommen. In «Jedi Survivor» passieren einfach viele Sachen, ohne dass ich wirklich weiss, was überhaupt mein Ziel ist. Nach 20 Stunden kann ich dir sagen, dass Cal eine neue, sichere Heimat sucht und dabei irgendeinem alten Jedi auf der Spur ist, der der Schlüssel dahin ist – vielleicht? Glaube ich? Dramatik ist bisher keine aufgekommen. Braucht es auch nicht. Die Story wird durch Cal und die vielen Charaktere, denen er begegnet, stimmungsvoll erzählt. Sie sorgt für die nötige Würze, um mich quer durch die Galaxie zu schicken. Ich mag es, mit dem rothaarigen Cal und dem knuffigen Droiden BD-1 rumzuhängen und Abenteuer zu erleben. Dabei bin ich durch die Dauerberieselung aus Filmen und Serien etwas «Star Wars»-müde. Aber solche Games spiele ich nicht für die Story, sondern für das Spektakel und das bietet «Jedi Survivor» in Hülle und Fülle.
Das Spiel beginnt auf Coruscant, dem dicht besiedelten Stadt-Planeten. Cal und seine neue Crew planen einen Überfall auf einen imperialen Senator. Dabei geht einiges schief und den mittlerweile etwas älter gewordene Jedi verschlägt es mit seinem beschädigten Schiff auf Koboh. Dort treffe ich auf meinen alten Bekannten Greez. Im ersten Teil sass er im Cockpit meines galaktischen Flitzers. Mittlerweile steht er hinter dem Tresen der hiesigen Cantina namens Pyloons Saloon.
Das verstaubte Wüstenkaff dient als Hub, von wo aus ich lokale Abenteuer bestreite oder den nächsten vielversprechenden Planeten anvisiere. Meinen Tagesablauf kann ich mehrheitlich selbst bestimmen. Entweder ich folge der Hauptquest, für die ich meist mein mittlerweile repariertes Raumschiff benötige, oder ich quatsche mit den Bewohnern und lasse mir von ihnen lokale Ausflugstipps geben.
Kämpfen, Klettern, Knobeln
Egal ob Haupt- oder Nebenquest, in der Regel beinhalten die Missionen die drei «K». Nein, nicht den Ku-Klux-Klan, ich rede von Kämpfen, Klettern und Knobeln. Ob ich mich auf einem zerstörten Mond durch Industrieanlagen kämpfe oder auf Koboh eine vermisste Touristengruppe suche – immer warten aufmüpfige Schergen darauf, mit meinem Laserschwert Bekanntschaft zu machen. Als wohlerzogener Jedi komme ich solchen Aufforderungen umgehend nach und entledige sie überflüssigen Gliedmassen oder verpasse ihnen neue Lüftungen im Brustkorb. Ein Jedi hilft, wo er kann.
Vor oder nach solchen Begegnungen heisst es meist, Magnesium-Säcklein auspacken, jetzt wird geklettert. Auch wenn ich es überdrüssig bin, in allen Spielen immer klettern zu müssen, geht es in «Jedi Survivor» wenigstens flott vonstatten. Cal angelt sich in Sekundenschnelle von Abgrund zu Abgrund und überwindet dank Doppelsprung gar senkrechte Wände – Einstein würden die Haare noch mehr zu Berge stehen. Cal kann auch Wände entlang rennen oder zwischen zwei Wänden hin und her springen, um enge Kanäle zu überwinden. Weil genug Tempo dabei ist und sich die Passagen nicht allzu lange erstrecken, gehen sie in Ordnung. Auch epische Momente kommen ab und zu vor. Wenn ich minutenlang vor einem gigantischen Bohrroboter flüchte und dabei keine Sekunde den Boden berühre, macht das ordentlich Spass. Vermissen würde ich die Klettereinlagen trotzdem nicht.
Positiver bin ich von den Knobeleien überrascht – ebenfalls etwas, das bei mir eigentlich nicht sehr hoch im Kurs steht. In den Hauptquests erfordern sie selten viel Gehirnschmalz. Sie dienen eher als Tutorial für die optionalen Schätze oder Herausforderungen in verborgenen Tempeln. In so einem muss ich mir meinen Weg an eine vermeintlich unerreichbare Stelle bahnen. Der Tempel besteht aus schwebenden Brücken, die ich mit einem Energieball aktivieren kann. Nur hat es davon zu wenige, damit ich ans Ziel komme. Auf den ersten Blick scheint es unmöglich. Mit ein wenig Experimentieren und einem guten Auge gelingt es mir schliesslich, die Schutzmechanismen zu überlisten. Das Ganze dauert vielleicht 15 Minuten, fühlt sich aber angenehm kurzweilig an. Nach ein paar Laserschwert-Einlagen bin ich wieder dafür zu haben.
Die Rätsel wiederholen sich auch nicht zu stark. Später kommen Elemente wie Portale und Wind hinzu, was zusammen mit Cals Akrobatikkünsten frischen, ähm Wind, ins Spiel bringt.
Komlexeres, aber nachsichtigeres Kampfsystem
Apropos Laserschwert. Das kommt noch häufiger zum Einsatz als das Magnesium-Säcklein. Wie schon bei «Star Wars Jedi: Fallen Order» ist das Kampfsystem von «Survivor» relativ anspruchsvoll. Wenn ich blind draufhaue, starte ich schnurstracks wieder vom letzten Meditationspunkt. Inspiriert von der «Dark Souls»-Reihe verliere ich beim Ableben meine aktuellen Erfahrungspunkte. Ich habe dann einen Versuch, meinen Vollstrecker oder meine Vollstreckerin zu besiegen, wenn ich die Punkte zurückhaben will. Zum Glück sind die Checkpoints meist gut verteilt, sodass ich selten längere Passagen wiederholen muss.
Da sich jeder Gegner und jedes Monster anders verhält, ist gutes Timing gefragt. Ohne Parieren komme ich nicht weit. Zum Glück habe ich als Jedi zahlreiche Tricks auf Lager wie den Machtwurf, um Gegner über die Klippe fliegen zu lassen. Oder ich verlangsame für ein paar Sekunden die Zeit. Cal steuert sich sehr präzise und agil, sodass ich schnell auf neue Situationen reagieren kann.
Aufgestockt wurden die Kampfstile. So kann ich meine Laserschwerter nun auf fünf verschiedene Arten benutzen. Das einzelne Laserschwert ist das ausgeglichenste, die Doppelklinge eignet sich gut zum Abwehren schneller Blasterschüsse und die Parierstange ist träge, dafür am stärksten. Neu ist die Kombination aus Laserschwert und Blaster. Da fühle ich mich an «Jedi Outcast» zurückerinnert, nur dass ich dort nicht beides gleichzeitig benutzen kann. Mit dem Blaster nehme ich nervige Fernkämpfer aufs Korn, die mein geworfenes Laserschwert nicht erreicht.
Jeder Stil verfügt über einen eigenen Fähigkeitenbaum und Spezialangriff. Zwei Stile können gleichzeitig ausgerüstet werden. Aktuell kämpfe ich mit Blaster und der Parierstange. Wobei ich mich auch nach 20 Stunden noch nicht gänzlich mit der Steuerung zurechtgefunden habe. Regelmässig vergesse ich im Kampf die Taste, um das Laserschwert zu werfen oder wie ich Gegner kurze Zeit für mich kämpfen lassen kann. Dass sich je nach Schwertstil auch die Tasten-Belegung leicht verändert, macht es nicht einfacher.
Im Vergleich zum Vorgänger wirken die Kämpfe eine Spur langsamer. Auch kann ich mir etwas mehr Fehler erlauben, ohne dass ich die Radieschen von unten sehen muss. Da ich das Ende noch nicht gesehen habe, kann ich aber nicht ausschliessen, dass sich der Schwierigkeitsgrad noch verändern wird.
Ein Jedi hat viel zu tun
Nach einer anstrengenden Mission gönne ich mir in Pyloons Saloon erstmal einen Drink. Wenn ich schon mal da bin, quatsche ich auch gleich mit den neuen Gesichtern, die sich hierher verirrt haben. Manchmal springen interessante Nebenaufgaben heraus. So hat mir ein Einheimischer von einer verlassenen Werkstatt in den Bergen erzählt, die ihren Besitzer ins Unglück gestürzt hat. Dort soll es wertvolle Funde geben. Bevor ich mich an den Weg mache, wage ich eine Runde «Holotaktik». Das ist ein Minispiel, bei dem sich Hologramme auf einem Spielbrett auf den Deckel geben.
Der Trick ist es, die richtigen Einheiten auszuwählen, mit denen ich die Truppen meines Gegners besiegen kann. Jede Einheit kostet Punkte und diese Anzahl ist beschränkt. Gebe ich nicht alle Punkte aus, kann ich sie in die nächste Runde mitnehmen. Holotaktik ist kurzweilig und spassig. Meine Truppenauswahl wächst zudem mit jedem Gegner, den BD-1 unterwegs scannt. Ausserdem gibt es kleinere Belohnungen zu gewinnen.
Vom Holotaktik-Raum führt eine Treppe zum Dach des Saloons. Ich könnte eigentlich kurz schauen, wie es meinen Pflänzchen geht. Samen, die ich auf meinen Streifzügen finde, kann ich hier einpflanzen. Bereits spriessen die ersten Feuerananas. Wenn ich sie ernte, kann ich sie bei Pili, einer Botanikerin, gegen Belohnungen eintauschen. Ähnliche Tauschgeschäfte kann ich mit gesammelten Datendisks, Schriftrollen oder Priorit-Klumpen machen. Ich erhalte dafür meist kosmetische Dinge wie Bärte für Cal. Jep, den Rotschopf kann ich nun auch im Gesicht umgestalten – Lichtschwert-Griffe oder Lackierungen für BD-1 gibt es ebenso. Die Anpassungsmöglichkeiten sind immens. Abgesehen von Cals Kleidern, Gesicht und der Lichtschwertfarbe sind sie während des Spiels aber kaum erkennbar.
Gelegentlich gibt es als Belohnung auch Fähigkeitsupgrades, beispielsweise für Kopfgeldpucks. Wie schon in «Fallen Order» haben es Kopfgeldjäger auf Cal abgesehen. In typischer Rollenspiel-Manier drehe ich den Spiess um und mache Jagd auf sie, um selber eine Belohnung zu kassieren.
Um mein nächstes Abenteuer zu planen, werfe ich meist einen Blick auf die Karte. Die ist deutlich übersichtlicher als im letzten Teil, perfekt ist sie aber immer noch nicht. Zwar ist eingezeichnet, was ich bereits entdeckt habe und welche Durchgänge noch versperrt sind. Durch die Dreidimensionalität ist es jedoch teilweise schwierig, genau zu erkennen, auf welcher Ebene sich etwas befindet. Zwar gibt es eine gepunktete Linie zur Navigation, aber auch die ist nicht immer klar verständlich.
«Jedi Survivor» verfügt über ein praktisches Schnellreisesystem von Meditationspunkt zu Meditationspunkt. Ab und zu darf ich auch auf verschiedenen Tieren reiten. Entweder, um schnell vorwärtszukommen oder um unwegsames Gelände zu überwinden.
Epische Inszenierung
Visuell ist «Jedi Survivor» zweifellos das schönste «Star Wars»-Abenteuer, das ich bisher gespielt habe.
Jeder Planet oder Mond sieht anders aus. Die Gegner und die Umgebungen stecken voller Details und bieten auch für Nicht-«Star Wars»-Fans einiges. Viele Level wirken zwar etwas künstlich und nicht wie natürliche Orte, aber sie sind abwechslungsreich gestaltet, sodass ich mich schnell ablenken lasse. Koboh, wo ich mich am häufigsten rumtreibe, ist ein charmanter, kleiner Ort, der zum Erkunden einlädt. Überall gibt es etwas zu bestaunen oder entdecken. Ich bin immer gespannt, an welchen fantastischen Ort mich die Geschichte als Nächstes verschlägt.
Mein visuelles Highlight ist bisher der Kampf in einem Sandsturm gegen einen AT-ST (Allterrain-Scouttransporter). Die Sicht ist schlecht. Alles ist in grelles rot getaucht. Der zweibeinige Kampfpanzer feuert leuchtende Projektile auf mich ab und am Horizont hängt die Sonne, die vom Sturm fast komplett verhüllt wird. Episch.
Vorabversion läuft sehr instabil
Die schönste Grafik kann nicht über schlechte Performance hinwegtäuschen. Die PC-Version, die mir zur Verfügung steht, läuft selbst mit dem aktuellen Day One Patch mehr schlecht als Recht. Die Bildrate schwankt meist zwischen 40 und 70 Bildern pro Sekunde. Ich spiele mit maximalen Details in 4K, allerdings auch mit einer RTX 4090. Zwischendurch bricht die Bildrate auch mal auf 20 fps ein oder das Spiel stürzt gleich komplett ab. Was mir unzählige Male passiert ist. Hinzu kommen Audioaussetzer oder Synchronisationsfehler zwischen Ton und Bild. Ein weiterer Patch kurz vor Release soll diese Probleme beheben. Testen konnte ich das noch nicht. Wie die Konsolenversionen performen, weiss ich ebenfalls nicht.
Fazit: (Fast) rundum gelungene Fortsetzung
«Star Wars: Jedi Survivor» bietet nichts, was ich nicht schon in anderen Spielen – oder dem Vorgänger gesehen hätte. Aber auch ein einfaches Rezept schmeckt, wenn es richtig zubereitet wird. Und das ist Respawn Entertainment auf jeden Fall gelungen.
Die Mischung aus Kämpfen, Klettern und Knobeln sorgt für einen angenehmen Spielfluss. Nie wird mir langweilig oder fühlt sich etwas repetitiv an. Zum ersten Mal einem Mogu, eine Art Yeti mit Hörnern, einen Arm abzulasern, um danach einem noch aggressiveren Gegner gegenüberzustehen, ist nur einer von vielen tollen Momenten. Durch die verschiedenen Kampfstile kann die Steuerung zwar etwas kompliziert werden, der Kampf fühlt sich aber immer fair an.
Und dass ich mich weder am Klettersystem noch an den vielen grossen und kleinen Rätseln gestört habe, ist ebenfalls bemerkenswert. Dank Cals wachsenden Akrobatik-Künsten steckt genug Tempo in der Fortbewegung, dass sich sogar die Kletterpassagen actionreich anfühlen. Die Umgebungsrätsel sind ebenfalls cleverer als der Genre-Standard.
Die Geschichte hat mich nach 20 Stunden hingegen nicht vom Hocker gehauen. Dafür sind Cal und seine Freunde eine sympathische Truppe, die meinen Weltraum-Abenteuern eine gewisse Bedeutung verleiht.
«Star Wars: Jedi Survivor» übertrifft den bereits hervorragenden Vorgänger in allen Belangen. Leider ist er in der aktuellen Version aber auch noch ähnlich verbuggt wie damals «Fallen Order». Sollten die Bugs noch ausgemerzt werden, darfst du dich auf ein rundum spassiges Action Adventure im «Star Wars»-Universum freuen.
«Star Wars: Jedi Survivor» ist ab 28. April für PC, PS5 sowie Xbox Series erhältlich und wurde mir von EA zur Verfügung gestellt.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.