«Star Wars Outlaws» angespielt: Munteres Halunken-Abenteuer statt Jedi-Drama
«Star Wars Outlaws» schafft es, die grössten Ubisoft-Openworld-Klischees zu vermeiden. Innovation suchst du dennoch grösstenteils vergeblich. Die sympathische Heldin und die stimmungsvolle Welt machen den Ausflug in die weit, weit entfernte Galaxis dennoch lohnenswert.
«Star Wars»-Serie hier, «Star Wars»-Film da und ein Jahr nach «Jedi Survivor» schon wieder ein neues Spiel. Die Müdigkeit gegenüber der einst für mich so faszinierenden Welt kann ich nicht ganz abschütteln. Dennoch freue ich mich vorsichtig, als der Review-Code zu «Star Wars Outlaws» im Postfach landet. Nicht zuletzt, weil das Openworld-Abenteuer von Massive Entertainment stammt, dem Studio hinter «The Divison». Nach rund zehn Stunden mit der PC-Version ziehe ich ein durchaus positives Fazit.
Han Solo, nur weniger selbstverliebt
Ich schlüpfe in die Rolle von Kay Vess. Nach einem misslungenen Einbruch hat sie einen der einflussreichsten Schurken der Galaxie im Nacken. Die logische Konsequenz? Eine Crew zusammenstellen und den grössten Coup aller Zeiten planen, um mit dem Geld alle Probleme zu lösen. Kay ist offensichtlich Han Solo nachempfunden, ich kann sogar seine ikonische schwarze Veste anziehen. Sie ist draufgängerisch, hat immer einen flotten Spruch parat und das Herz am rechten Fleck. Zeitlich ist das Spiel zwischen «The Empire Strikes Back» und «Return of the Jedi» angesiedelt.
Der grösste Unterschied zu Han Solo ist, dass ihr Begleiter Nix das deutlich kleinere Haustier ist als Chewbacca – und auch etwas unselbstständiger. Kay ist auch unerfahrener und weniger eingebildet als Han Solo.
Eine der ersten Verhandlungen für einen Auftrag verläuft in so:
Kay: «Ich will die Hälfte der Bezahlung im Voraus.»
Auftraggeberin: «Die Bezahlung folgt nach dem Job.»
Kay: «OK, das geht auch.»
Herrlich, das sagt mir alles über sie, was ich wissen muss.
«Star Wars Outlaws» erzählt die Geschichte einer liebenswerten Halunkin, die sich mit allen möglichen Aufträgen über Wasser hält. Im Englischen wird sie perfekt von Humberly González vertont. Ihr Antrieb ist das eigene und Nix’ Wohlergehen. Wenn sie dabei noch ein paar schrullige Charaktere kennenlernt, umso besser. Klingt bekannt? Das Spiel hat ähnliche Vibes wie die Serie «The Mandalorian». Mich erwartet lockere Wild-West-Action statt Universum-umspannendes Jedi-Drama. Sogar der Sound ist zum Verwechseln ähnlich. Sogar so ähnlich, dass ich mir wünschte, Ubisoft hätte direkt Ludwig Göransson rekrutiert. Aber der hat es offenbar nicht so mit Games.
Startschwierigkeiten
Der Anfang des Spiels ist allerdings alles andere als spannend. Ich wandere ziellos durch eine unspektakulär aussehende Siedlung, um 100 Credits zusammenzukratzen. Zuerst denke ich, ich habe aus Versehen das Intro oder Tutorial übersprungen. Aber der Einstieg scheint gewollt langsam zu sein. Auch visuell ist die erste Stunde enttäuschend. Das ändert sich, als ich die offene Welt von Toshara mit meinem Speeder erkunden darf. Die weiten Landschaften und die belebte Stadt Mirogana sehen einfach toll aus und sind vollgestopft mit kleinen Details.
«Star Wars Outlaws» schafft es dabei, die Karte nicht Ubisoft-typisch mit Symbolen vollzumüllen. Meist lasse ich mich von meinen Augen zum nächsten Abenteuer leiten. Mal erweckt der Landeanflug eines imperialen Transporters meine Aufmerksamkeit, ein andermal lässt eine verlassene Funkstation mich einen unplanmässigen Zwischenstopp einlegen.
Die Ausflüge belohnen mich mit Credits, Material, um meine Ausrüstung zu verbessern, oder Informationen zu neuen Beutezügen. Erfahrungspunkte gibt es in «Star Wars Outlaws» nicht. Es ist einer der wenigen Aspekte, in denen Massive Mut beweist. Neue Fähigkeiten erhalte ich stattdessen über meine wachsende Crew, indem ich bestimmte Aufgaben für sie erfülle oder Ressourcen sammle. Sonst setzt das Spiel auf bewährte Openworld-Kost.
Viele Freiheiten, viel Schleichen, aber teilweise zu altbacken
Wie in allen Ubisoft-Spielen ist mein Questlog schon nach wenigen Stunden zum Bersten voll. Ich kann der Hauptgeschichte folgen und neue Mitglieder für meine Crew rekrutieren. Das führt mich am schnellsten zu neuen Planeten wie Kijimi, der eine verschneite Tempelstadt beheimatet oder der legendären Kantina auf Tatooine.
Es ist mir überlassen, ob ich Stunden damit verbringe, mit meinem Speeder die Landschaft zu erkunden oder mit meinem Raumschiff Jagd auf Weltraumpiraten mache. Anders als in den meisten Openworld-Spielen gibt es keine Dringlichkeit – ausser dass ich auf der Abschussliste eines einflussreichen Syndikats stehe. Es macht Sinn, dass sich eine Halunkin wie Kay ständig von irgendeiner neuen Aufgabe ablenken lässt. Spontan der nächsten lukrativen Möglichkeit zu folgen, entspricht ihrem Wesen.
Die eigentlichen Missionen sind überraschend aufs Schleichen fokussiert. Das habe ich zwar in den Trailern bereits gesehen, aber da wusste ich noch nicht, wie essenziell es sein wird. Besonders in den grösseren Hauptmissionen komme ich mit meinem Blaster nicht weit. Entweder, weil mich die Gegner überrennen. Kay ist keine Jedi. Sie hat auch keine Panzerung und steckt entsprechend wenig ein. Oder, weil der Alarm losgeht und die Mission von vorne beginnt.
Dieses starre Missionsdesign ist mein grösstes Ärgernis. Warum kann es nach dem Auslösen des Alarms nicht einfach weitergehen? Lass die imperialen Zerstörer-Drohnen kommen, sollen sie mich doch erledigen. Dann beginne ich von vorne. Ich akzeptiere auch die Konsequenz, dass mein Entdecken Folgen hat und den Storyverlauf beeinflusst. «Star Wars Outlaws» gibt sich hier konservativ und erlaubt wenig Flexibilität. Der Blaster ist meine einzige Waffe. Andere, wie einen Raketenwerfer kann ich zwar aufsammeln, aber nur benutzen, bis die Munition alle ist. Dafür lässt sich mein Blaster auf verschiedene Arten upgraden.
Wo ich mich hingegen frei fühle, ist, wie ich Missionen angehe. Kay kann klettern, durch Lüftungsschächte kriechen, sich über Abgründe schwingen und Terminals hacken. Ein essenzieller Teil dabei ist Nix. Das kleine Alien kann Gegner für mich ablenken, sie angreifen, Türen für mich öffnen und sogar explosive Objekte in die Luft jagen. Ich kann ihn direkt steuern und so spontan auf Situationen reagieren. Zusammen sind wir ein fast unschlagbares Team.
Nachdem ich mich mit dem grossen Stealth-Fokus in den Missionen arrangiert habe, macht es mir auch immer mehr Spass, herumzuschleichen und Basen unbemerkt zu infiltrieren. Wenn ich doch mal erwischt werde, bleibt mir die Möglichkeit, Gegner zu bequatschen und kurzzeitig abzulenken, um Nix loszuschicken oder selber anzugreifen. Das ist etwas, das ich noch in keinem Spiel gesehen habe. Es passt perfekt zu der von Han Solo inspirierten Figur.
Toll sind auch die eigentlichen Missionslokalitäten. Einmal infiltriere ich eine imperiale Raumbasis, um ein neues Crewmitglied zu befreien. Die Mission führt mich quer durch die gigantische Anlage. Dabei fühle ich mich wie Luke und Han Solo, als sie Prinzessin Leia befreien. Die Grösse der Anlage und die Macht des Imperiums sind spürbar. Etwas ruhiger, dafür unheimlicher, ist der Abstecher in ein abgestürztes Raumschiff. Ich klettere durch gigantische Reaktorhallen, um mir ein wichtiges Upgrade-Modul für mein eigenes Raumschiff zu beschaffen. Natürlich endet es damit, dass ich in einen Hinterhalt tappe, danach eine Kettenreaktion auslöse und durch das explodierende Wrack entkommen muss. Die actionreichen Weltraum-Ausflüge bieten wiederum kurzweilige Laser-Gefechte und einen angenehmen Tapetenwechsel zu den Boden-Missionen.
Darüber, dass auch «Star Wars Outlaws» nicht ohne hohes Gras zum Verstecken auskommt und Gegner mit Pfeifen angelockt werden können, kann ich hinwegsehen. Da ich nicht frei speichern kann, kommt es aber immer mal wieder vor, dass ich mich über das Checkpoint-System aufrege, weil ich ganze Passagen wiederholen und alle gefundenen Gegenstände erneut sammeln muss. Noch störender sind aber feindliche Basen oder Aussenposten, die sofort wieder bevölkert sind, sobald ich sie verlasse. Das nervt, wenn ich merke, dass ich noch nicht alle Schätze gefunden habe und deshalb zurückkehren will. Es wäre mir ohnehin lieber, das Spiel würde mir nicht mitteilen, wie viele Kisten an einem Ort noch zu finden sind. Das macht das Erkunden zu zwanghaft.
Viele Quests erhalte ich von den verschiedenen Fraktionen. Je mehr ich für eine Fraktion arbeite, desto höher steigt mein Ruf in dieser. Oft leidet im Gegenzug das Ansehen bei den anderen Parteien – nicht selten, weil sie sich gegenseitig sabotieren. Ohne den nötigen Ruf kann ich die jeweiligen Herrschaftsgebiete nur unbemerkt passieren. Werde ich beim Herumschleichen oder gar Stehlen erwischt, setzen sie mich vor die Türe und mein Ruf sinkt.
Immer auf Kriegsfuss stehe ich mit dem Imperium. Und natürlich trete ich auch denen auf die Füsse. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Mache ich zu viel Radau, setzen sie ihre ganze Maschinerie in Bewegung, um mich zu jagen. Dabei kommt ein ähnliches Wanted-System zum Einsatz wie bei «GTA». Je mehr Stormtrooper ich über den Haufen schiesse, desto mehr und stärkere Truppen scheinen sie zu schicken. Also nehme ich die Beine in die Hand und verstecke mich irgendwo, bis das Imperium die Verfolgung aufgibt.
Technisch durchzogen
Noch nicht zufriedenstellend ist die Performance des Spiels. Selbst mit meiner RTX 4090 dümpelt das Spiel regelmässig mit 50 FPS herum. Sicherlich werden hier noch einige Updates nachgeliefert. So ist mittlerweile auch Nvidias Frame Generation nutzbar – einen Leistungssprung habe ich damit nicht bemerkt.
Visuell ist das Spiel durchzogen. Meistens beeindruckt es durch tolle Beleuchtung, hohe Sichtweite und detailverliebte Schauplätze. Dann wieder sehen Orte blass und körnig aus. Gerade in den Zwischensequenzen, die nicht vorgerendert sind, schwankt die Qualität. Mal sieht Kay detailliert aus und ich kann gut ihre Emotionen ablesen. Dann gibt es aber auch Szenen, die sehen aus, als hätte ich die Detailstufe auf niedrig eingestellt.
Das Spiel setzt zudem auf das 21:9-Bildformat. Das bedeutet, dass alle mit einem 16:9-Bildschirm oder -Fernseher die filmtypischen schwarzen Balken sehen werden. Ich kann zwar Vollbild forcieren, damit sieht das Bild aber zu reingezoomt aus. Ich habe mich schnell an die Balken gewöhnt. Es fühlt sich an, als würde ich einen Kinofilm schauen – was auch die Absicht dahinter sein dürfte.
Fazit: Pures Star Wars ohne Drama und Jedis
«Outlaws» ist selbst für «Star Wars»-Müde wie mich ein tolles Openworld-Abenteuer. Natürlich gibt es Stormtrooper, Weltraumkämpfe und knuffige Tierchen, die als Merchandise-Vorlage dienen. Aber (bis jetzt) gibt es keine Jedis, niemand spricht von der Macht und es gibt keine Universum-bedrohende Zerstörung. Kay ist das unerfahrene Pendant zu Han Solo. Sympathisch, unbeschwert und immer für einen flotten Spruch zu haben. Statt mit Darth Vader legt sie sich mit Syndikaten an, zockt andere beim Glücksspiel ab und ist immer auf der Suche nach dem nächsten lukrativen und definitiv illegalen Job.
Die Welt ist gigantisch und lädt zum Entdecken ein. Der Fokus auf Schleichen hat mich anfangs irritiert, aber Kays Haustier Nix gestaltet das Ganze überraschend flott und flexibel. Zu wenige Checkpoints frustrieren mich teilweise, genauso wie Basen, die wieder bevölkert sind, sobald ich zurückkehre. Auch etwas mehr Flexibilität beim Missionsdesign hätte ich mir gewünscht. Game Over, wenn ich einen Alarm auslöse, ist einfach nicht mehr zeitgemäss.
Abgesehen davon, hat Massive hier eine massive Openworld abgeliefert, die zum grossen Teil ohne die berüchtigten Ubisoft-Klischees auskommt. Ich bin gespannt, was mich in den nächsten Stunden noch alles erwartet.
«Star Wars Outlaws» wurde mit von Ubisoft zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist ab dem 30. August ausserdem verfügbar für PS5 und Xbox Series S/X.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.