Surfen, Skaten, Paddeln: Der Schweizer Mike Jucker ist auf Hawaii bei den neuen Trends dabei
Mike Jucker beobachtet seit zwei Jahrzehnten die wichtigsten Trends im Surfen, Stand-Up-Paddeln und Foilen auf Hawaii. Um seine Leidenschaft fürs Skateboarden und die Wellen zu teilen, gründete er eine Longboard-Marke und das Stand-Up Magazin.
Mike Jucker lebt auf der hawaiianischen Insel Maui und ist Gründer der Skateboard-Marke Jucker Hawaii. Als Herausgeber des Stand-Up-Magazins berichtet er über die neusten Trends im Wassersport weltweit. An der Bootsmesse 2024 in Düsseldorf haben wir uns für ein Interview übers Auswandern, den Traum vom Surfen und die neusten Entwicklungen im Paddeln und Foilen zusammengesetzt.
Was hat dich aus der Schweiz nach Hawaii verschlagen?
Mike Jucker: Ich lebe seit 22 Jahren auf Maui. Der Grund, weshalb ich die Schweiz verlassen habe: Ich wollte meinen Traum vom ewigen Sommer und dem endlosen Surfen verwirklichen. In meinen jungen Jahren, als ich um die 20 Jahre alt war, habe ich mich um die Welt treiben lassen. Bis ich dann auf Oahu meine künftige Frau kennengelernt habe.
Bist du dann gleich dort geblieben?
Nein, so einfach ist das nicht mit der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Wir haben über mehrere Jahre hinweg eine Fernbeziehung geführt und uns dann 2002 auf Hawaii wieder getroffen und ziemlich spontan geheiratet. Was wir besassen, passte damals praktisch in unsere Reisetaschen. Mittlerweile sind wir seit 22 Jahren auf Maui und haben uns hier ein Leben aufgebaut. Und haben drei Kinder, die auch die Wellen, das Surfen und das Meer lieben.
Woher kam bei dir die Liebe zum Wassersport?
Zuerst war es bei mir die Liebe zu Brettsportarten. Ich bin in Zürich in der Skateboard-Szene und in den Bergen in der Snowboard-Szene gross geworden. Brettsportarten haben mich immer fasziniert, aber was mich wirklich begeisterte, waren die blauen tropischen Wellen Hawaiis, Indonesiens, Australiens, Fidschis.
Kannst du die Faszination der Wellen beschreiben?
Das war praktisch für mich «the last frontier», die letzte Grenze der Brettsportarten. Und die wollte ich erobern, weil es für mich einfach das Tollste und das Schönste war. Die ganzen Surfer-Typen, die nur mit den Boardshorts die krassesten Wellen surften, das fand ich als Teenager einfach mega cool. Das wollte ich auch lernen. Und meine Cousins in Südafrika haben mich auch ein bisschen angefixt mit der Beach Culture. In der Schweiz war es mir einfach zu eng und zu kalt. Deshalb musste ich mit dem Brett unterm Arm schauen, wie ich da wegkomme.
Wie ging’s dann weiter?
Natürlich gehört zu einem Traum immer ein Stück Reality Check. Das heisst, es ging erstmal auf Jobsuche. Auf Maui habe ich dann eine Karriere im Hotelbusiness gestartet.
Aber das war ja noch lange nicht alles, denn den Brettern bist du treu geblieben.
Ja, so um 2007 herum entwickelte ich mit einem Freund die Idee, gemeinsam eine Website zu starten, auf der wir individuelle Surf-Produkte verkaufen. Wir wollten richtig coole hawaiianische Label anbieten und nach Deutschland exportieren. 2008 ist zuerst die US-Wirtschaft und dann die Weltwirtschaft zusammengebrochen und unsere Idee stand kurz vor dem Absturz. Doch dann hatten wir die Möglichkeit, in Deutschland Longboards zu produzieren. Wir waren damit die ersten, die solche Boards im mittleren Preissegment anbieten konnten. Das war der Startschuss für unser Unternehmen, Jucker Hawaii. Und ab 2010 ging es dann wirklich los.
Aber du bist nicht nur Experte fürs Skate- und Longboarden, sondern auch fürs Stand-Up-Paddeln. Wie kam es dazu?
2010 war eigentlich das wegweisende Jahr. In Europa war Stand-Up-Paddeln noch weitgehend unbekannt, aber in der Schweiz und in Deutschland starteten gerade die ersten Rennen und Events. Es gab damals keine Website, die über diesen neuen Sport schrieb und über Trends berichtete. Ich sass ja praktisch an der Quelle und die Augen der Stand-Up-Welt waren nach Hawaii gerichtet. Auf die Pioniere des Sports, Laird Hamilton, Dave Kalama und Robby Naish.
Etwas später haben wir uns dann auf Hawaii kennengelernt, 2014 bei meinem ersten Molokai2Oahu-Rennen.
Ja, da ging es so richtig los und der Sport boomte. Aber ich hatte mich schon vorher entschieden, nicht nur eine Website, sondern auch ein Printmagazin herauszugeben. Ich habe eine Leidenschaft für schöne Magazine, für gute Fotografie und für Lifestyle-Stories, die ich auch gedruckt sehen wollte. 2011 habe ich das erste Magazin praktisch als Experiment an die Paddel Expo geschickt, um zu sehen, wie es von der Branche aufgenommen wird. Kurz gesagt: sehr gut. Und jetzt sitzen wir hier 13 Jahre später und sprechen darüber.
Was macht das Magazin so besonders?
Da ich auf Maui lebe, war ich von Anfang an dabei. Legenden wie Kai Lenny und Connor Baxter waren da noch Teenager. Ich selbst war als Racer auch bei vielen Rennen aktiv. Es ist mir wichtig, dass ich das, worüber ich schreibe, selber mache. Wenn man aus der Surf-Kultur kommt, dann ist das auch eine Frage des Respekts, dass ich nicht nur am Rand stehe und beobachte, was auf dem Wasser passiert, sondern selbst dabei bin.
Inzwischen hat sich der Sport aber weiterentwickelt.
Absolut. Das Stand-Up-Paddeln hat sich ja aus dem Surfen entwickelt. Deshalb hatten wir hier auf Hawaii dann die Entwicklung zum Downwind-Paddeln, bei dem Paddlerinnen und Paddler die Windwellen auf langen Distanzen absurfen. In Europa wurde das Flachwasser-Paddeln sehr beliebt und so haben sich verschiedene Szenen gebildet. In Europa gab und gibt es eine aktive Rennszene. Dennoch hat sich der Breiten- und Freizeitsport in Europa stärker entwickelt.
Auf Hawaii ging es aber anders weiter.
Natürlich. Sportlern wie Kai Lenny, der ja in den grossen Wellen Unglaubliches auf allen möglichen Boards macht, war es bald zu langweilig, mit einem langen 14-Fuss-Brett die traditionelle Strecke auf Maui, den Maliko-Run zu paddeln. Also kam die Idee auf, eine Tragfläche, also ein Foil, unter das Board zu schrauben, wie es gerade im Kitesurfen und Windsurfen zum Trend wurde. Das klappte besser als gedacht.
Beim Downwind-Foilen blieb es aber nicht?
Im Grunde sind hier alle Surfer und wenn es um Speed und Adrenalin geht, sind sie dabei. Also wurde das Foilen schnell für die Welle adaptiert. Und das Ganze war so etwas Neues, dass die Stand-Up-Bretter in den Garagen verschwanden. Stand-Up-Paddeln war damit auf Hawaii praktisch ausgestorben. Und dann kam noch der Wing, der Flügel, dazu. Mit ihm konnte die Kraft des Windes genutzt werden. Dadurch hat der Sport noch einmal einen enormen Schub erhalten.
Wo geht die Entwicklung hin?
Im Moment schreitet die Entwicklung rasant voran. Ich habe das alles mit dem Stand-Up-Magazin begleitet, sodass wir auch ein Stück weit ein Foil- und Wing-Magazin wurden. Inzwischen ist die Technologie so gut, dass auch Foils unter dem SUP sehr effizient werden, weil sie es ermöglichen, auf der Tragfläche mit dem Antrieb des Paddels übers Meer zu schweben. Und in Europa sieht man immer mehr Menschen, die Pumpfoilen, also das Brett mit der Kraft der Beine auf die Tragfläche bringen. Das geht auch ohne 30 Knoten Windstärke.
Im zweiten Teil deines Videos sind die verschiedenen Arten des Foilens ja gut zu sehen.
Wird das Foilen das Stand-Up-Paddeln verdrängen?
Das sehe ich nicht. Die Paddlerinnen und Paddler, die Action suchen und sich fürs Downwind-Paddeln und SUP-Surfen begeistern, werden vielleicht umsteigen. Aber jene, die das SUP als reines Freizeitgerät nutzen und vielleicht auch nicht so sportlich sind, werden eher nicht mit dem Foilen anfangen, da es nicht so einfach zu lernen ist. Und die SUP-Racer, die sich auf den Rennsport spezialisiert haben, bleiben dabei, das sehen wir jetzt schon bei den grossen Rennen. Wie in anderen Sportarten wird es verschiedene Disziplinen geben, die nebeneinander existieren. Und da wird sich sicher auch in Zukunft noch einiges entwickeln.
Danke, Mike, für das Gespräch und die spannenden Einblicke in die Welt des Wassersports.
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.