Hintergrund

Tokina SZ Pro: Drei Spiegelobjektive im Test

David Lee
5.5.2023

Spiegelobjektive leiten das Licht mit Spiegeln zum Sensor. Wofür brauche ich das? Kurze Antwort: Für fast nichts. Aber ich kann damit witzige Effekte erzielen.

Tokina hat drei neue Spiegelobjektive für APS-C-Kameras herausgebracht. Es sind Superteles mit Brennweiten von 300, 600 und 900 Millimetern. Sie passen für die Systeme Fujifilm X, Sony E und Canon EF-M. Letzteres scheint mir etwas seltsam, da EF-M wahrscheinlich nicht mehr weiterentwickelt wird und Canon stattdessen RF-S als neues APS-C-Format hat. Wir haben die Canon-Versionen derzeit auch gar nicht im Shop. Ich habe die Sony-Varianten ausprobiert.

Tokina SZ Pro 300mm f/7.1 MF CF Sony E (Sony E, APS-C / DX)
Objektiv

Tokina SZ Pro 300mm f/7.1 MF CF Sony E

Sony E, APS-C / DX

Tokina SZ Pro 600mm f/7.1 MF (Sony E, APS-C / DX)
Objektiv

Tokina SZ Pro 600mm f/7.1 MF

Sony E, APS-C / DX

Tokina SZ Pro 900mm f/11 MF Sony E (Sony E, APS-C / DX)
Objektiv

Tokina SZ Pro 900mm f/11 MF Sony E

Sony E, APS-C / DX

Bis zu diesem Test wusste ich gar nicht, was ein Spiegelobjektiv ist. Da bin ich wohl nicht der einzige, deshalb zu Beginn eine kurze Erklärung.

Was sind Spiegelobjektive?

Wie der Name sagt, befinden sich in diesen Objektiven nicht nur Glaslinsen, sondern auch zwei Spiegel – einer ganz hinten und einer ganz vorne. Im Schema unten ist links die Vorderseite des Objektivs, wo das Licht oben und unten durch die blauen Glaselemente kommt. Es gelangt rechts – also hinten im Objektiv – an die Spiegel, wo es nach vorne zur Mitte gelenkt wird und von dort wieder nach hinten zum Sensor. Das Licht legt so einen Weg zurück, der viel länger ist als das Objektiv.

Der Aufbau der Spiegelobjektive.
Der Aufbau der Spiegelobjektive.
Quelle: Tokina

Dadurch ist das Objektiv viel kürzer als die fotografische Brennweite. Selbst starke Teleobjektive bleiben kompakt. Hier siehst du links ein 70-300mm-Objektiv, eingestellt auf 300 Millimeter. Rechts ein Spiegelobjektiv mit der gleichen Brennweite. Fairerweise muss ich erwähnen, dass das «normale» Objektiv fürs Vollformat konzipiert ist. Als reines APS-C-Objektiv wäre es etwas weniger klobig. Aber immer noch viel grösser als das Spiegelobjektiv.

Das Spiegelobjektiv ist bei gleicher Brennweite viel kleiner.
Das Spiegelobjektiv ist bei gleicher Brennweite viel kleiner.
Quelle: David Lee

Die Spiegelobjektive mit 600 und 900 Millimetern Brennweite sind zwar deutlich grösser – aber immer noch viel kompakter als entsprechende Supertele-Objektive ohne Spiegel. Hier zum Vergleich das Canon RF 800mm F11 im ausgefahrenen Zustand. Auch das Canon-Objektiv ist fürs Vollformat konzipiert. Es gibt aber meines Wissens gar kein APS-C-Objektiv mit so langer Brennweite.

Von links nach rechts: Tokina-Spiegelobjektive mit 300, 600 und 900 mm sowie Canon RF 800mm F11.
Von links nach rechts: Tokina-Spiegelobjektive mit 300, 600 und 900 mm sowie Canon RF 800mm F11.
Quelle: David Lee

Gemessen an ihrer Brennweite sind die Objektive auch leicht. Das geringe Gewicht und die geringe Grösse dürften der Grund sein, weshalb die Spiegeltechnik nur bei Teleobjektiven verwendet wird. Da wirken sich diese Vorteile am stärksten aus.

Ein Reiseobjektiv? Absolument pas

Mein erster Gedanke war: Die geringe Grösse ist super für unterwegs, in den Ferien zum Beispiel. Ist so ein schnuckeliges 300mm-Tele also das perfekte Reiseobjektiv?

Die Antwort ist die gleiche, wie der Herr in diesem Video auf die Frage gibt, ob er Galaxus kennt: Absolument pas.

Denn so praktisch die Abmessungen eines Spiegelobjektivs sind, so unpraktisch sind gewisse andere Eigenschaften.

Nachteil 1: Kein Autofokus

Wie fast alle Spiegelobjektive haben auch die drei von Tokina keinen Autofokus. Du musst manuell scharfstellen. Der Fokusring geht streng, du kannst ihn nicht schnell bewegen. Von der kürzesten zur längsten Distanz brauchst du beinahe eine volle Umdrehung. Tokina spricht von 270 Grad, tatsächlich sind es beinahe 360 Grad. Das erlaubt zwar eine sehr genaue Einstellung, aber schnelles Fokussieren ist so unmöglich.

Das Fotografieren von Wildtieren, wohl das häufigste Motiv für starke Teleobjektive, fällt dadurch weg. Ein Spiegelobjektiv auf Safari nützt dir wenig. Aber auch beim Wandern und Spazieren ist ein manueller Fokus nicht ideal. Kurz ein Bild machen und dann zu den anderen aufschliessen, das liegt nicht drin. Auch Porträts dürften schwierig werden – einmal abgesehen davon, dass du ein Porträt mit einem Supertele nur aus grosser Entfernung machen kannst.

Nachteil 2: Kein Bildstabilisator

Die Spiegelobjektive haben keinen Bildstabilisator. Je stärker ein Teleobjektiv ist, desto heftiger wirken sich bereits kleinste Handbewegungen aus. Bei 300 Millimetern musst du bereits sehr kurz belichten, um Verwackler zu vermeiden. Ohne Abstützen ist es schwierig, das Motiv überhaupt im Bild zu halten. Da sind auch die drei Tokina SZ Pro keine Ausnahme. Alles zittert.

Eine Kamera mit eingebautem Bildstabilisator reduziert das Problem. Ich habe die Objektive an der Sony Alpha 6400 und 6500 getestet. Die Alpha 6500 hat einen Bildstabilisator, die 6400 nicht. Den Unterschied merke ich beim Fotografieren. Allerdings würde ein Stabilisator im Objektiv deutlich mehr nützen, denn je grösser die Brennweite, desto wichtiger wird die Stabilisierung im Objektiv im Vergleich zur Stabilisierung in der Kamera.

Bei den Sony-Kameras muss ich die Brennweite im Kameramenü angeben, damit die Stabilisierung korrekt funktioniert. Die Kamera erkennt die Brennweite dieser Objektive nicht selbst. 900 mm kann ich zudem gar nicht einstellen, ich muss auf 800 oder 1000 mm ausweichen.

Bei 900 Millimetern schaffe ich es ohnehin nicht, aus der freien Hand zu fotografieren. Ich scheitere schon daran, das Motiv im Bild zu halten. Bei 600 Millimetern ist es mit Abstützen und Kamera-Stabilisierung möglich, wenn du nicht länger als 1/125 Sekunde belichtest. Aber auch hier ist ein Stativ eigentlich Pflicht.

Nachteil 3: Feste Blende

Spiegelobjektive haben eine unveränderliche Blende. Die Lichtstärke des 300-Millimeter-Spiegelobjektivs von Tokina beträgt f/7,1. Das ist nicht viel, aber ich bin froh, dass es nicht mehr ist. Denn ohne verstellbare Blende kannst du die Tiefenschärfe nicht anpassen. Und diese ist bei 300 Millimetern und f/7,1 bereits sehr gering.

Noch geringer ist die Tiefenschärfe bei 600 Millimetern: Dieses Objektiv hat mit f/8 eine nur unwesentlich kleinere Blende bei doppelt so viel Brennweite. Bei vielen Motiven ist es gar nicht möglich, alles scharf abzubilden.

Schärfebereich bei 300 mm und f/7,1. Das linke Ende des Bleistifts ist bereits völlig unscharf.
Schärfebereich bei 300 mm und f/7,1. Das linke Ende des Bleistifts ist bereits völlig unscharf.
Quelle: David Lee

Grosse Entfernungen, grosse Probleme

Mit dem 900-Millimeter-Objektiv kannst du sehr weit entfernte Objekte gross abbilden. Allerdings ist die Qualität dabei selten gut. Bei einer Distanz von mehreren hundert Metern oder noch mehr verblassen die Farben. Das hat nichts mit dem Objektiv zu tun, sondern mit der Luft, in der sich der Dunst bemerkbar macht. Zudem flimmert die Luft aufgrund von Temperaturunterschieden. Hier ein Blick in die Glarner Alpen aus schätzungsweise 60 Kilometern Distanz. Trotz guter Fernsicht ist es mir in 15 Versuchen mit Stativ und Selbstauslöser nicht gelungen, ein wirklich scharfes Foto zu machen.

Aus über 50 Kilometern mit 900-mm-Objektiv wird der Berg nicht richtig scharf.
Aus über 50 Kilometern mit 900-mm-Objektiv wird der Berg nicht richtig scharf.
Quelle: David Lee
Zur Verdeutlichung ein Ausschnitt aus obigem Bild. Das Foto ist bereits nachgeschärft.
Zur Verdeutlichung ein Ausschnitt aus obigem Bild. Das Foto ist bereits nachgeschärft.
Quelle: David Lee

Besser sieht es aus, wenn du die Kamera in einer sternenklaren Nacht nach oben richtest. Der Mond füllt mit dem 900-Millimeter-Objektiv einen guten Teil des Bildes und wird auch scharf. So sind viele Details des Himmelskörpers zu erkennen.

Der Mond lässt sich mit dem 900mm-Objektiv gut ablichten.
Der Mond lässt sich mit dem 900mm-Objektiv gut ablichten.
Quelle: David Lee

Das Bokeh

Eine Besonderheit von Spiegelobjektiven habe ich noch nicht erwähnt: Das Bokeh. Lichtpunkte, die nicht im Fokus sind, erscheinen als Ringe. Bei normalen Objektiven sind es Kreisflächen oder allenfalls Vielecke, wenn die Lamellen nicht abgerundet sind.

Beispiel: Tautropfen im Gegenlicht verursachen helle Lichtpunkte. Bei einem reinen Glasobjektiv sieht das so aus:

Lichtpunkte ausserhalb des Fokus mit einem normalen Objektiv.
Lichtpunkte ausserhalb des Fokus mit einem normalen Objektiv.
Quelle: David Lee

Bei einem Spiegelobjektiv so:

Unscharfe Lichtpunkte mit einem Spiegelobjektiv führen zu Ringen.
Unscharfe Lichtpunkte mit einem Spiegelobjektiv führen zu Ringen.
Quelle: David Lee

Das hat damit zu tun, dass auch die Objektivöffnung ringförmig aussieht. Am schwarzen Kreis in der Mitte ist auf der Rückseite der zweite Spiegel befestigt, der das Licht vom ersten Spiegel zum Sensor lenkt.

Die Bokeh-Ringe kommen von der Öffnung des Spiegelobjektivs.
Die Bokeh-Ringe kommen von der Öffnung des Spiegelobjektivs.
Quelle: David Lee

Diese auffälligen Ringe stören unter Umständen, wenn sie ungewollt auftreten. Sie ermöglichen aber auch kreative Ideen.

Regentropfen an der Fensterscheibe.
Regentropfen an der Fensterscheibe.
Quelle: David Lee

Besonders gut sehen die Ringe in Videos aus, wenn du den Fokus langsam veränderst. Allerdings verwackeln die Aufnahmen bei einem Supertele sogar mit Stativ etwas, wenn du am Ring drehst. Dies schon bei 300 mm, bei 600 und 900 mm verschärft sich das Problem.

Die Bildqualität

Aufgrund der vielen Besonderheiten der Spiegelobjektive spielt die Bildqualität in diesem Test eine untergeordnete Rolle. Aber einmal angenommen, du schaffst es, trotz geringer Tiefenschärfe, Flimmern der Luft und Anfälligkeit auf Verwackeln ein scharfes Foto zu machen: Wie ist dann die Abbildungsleistung?

Ein Vorteil von Spiegelobjektiven ist, dass sie praktisch keine chromatische Aberration aufweisen. Glasobjektive wie hier das Nikon 70-300mm erzeugen dagegen diese Farbsäume an den Konturen, gut zu erkennen am Arm ganz links im Bild. Der Vorteil fällt allerdings nicht ins Gewicht, da sich diese Farbsäume gut per Software entfernen lassen.

Ausschnitt aus einer Testaufnahme mit Nikon D7500 und Nikon 70-300mm.
Ausschnitt aus einer Testaufnahme mit Nikon D7500 und Nikon 70-300mm.
Quelle: David Lee
Beim Tokina SZ Pro 300mm gibt es keine Farbsäume.
Beim Tokina SZ Pro 300mm gibt es keine Farbsäume.
Quelle: David Lee

Die Schärfe, getestet am 300-mm-Objektiv, ist grösstenteils gut, nur in den Ecken fällt sie etwas ab. Während du bei einem gewöhnlichen Objektiv durch Abblenden die Schärfe erhöhen kannst, ist das hier nicht möglich.

Im Direktvergleich mit dem oben erwähnten Nikkor 70-300mm zeige ich dir nur Bereiche im Inneren des Bildes. Am Rand wäre der Vergleich unfair, weil es ein Vollformatobjektiv ist. Diese weisen an einer APS-C-Kamera prinzipiell keine Randunschärfe auf, denn der wirkliche Rand des Bildkreises wird vom Sensor gar nicht erfasst.

Fazit: Nur für spezielle Zwecke

Die Kompaktheit der Spiegelobjektive ist ein Vorteil, aber diesem Vorteil stehen gravierende Nachteile gegenüber. Ohne Autofokus und verstellbare Blende sind sie sehr unflexibel und damit als Reisebegleiter ungeeignet. Sport und Action fallen als Anwendungsgebiete sowieso weg, und auch für Porträts empfehle ich die Objektive nicht.

Das Spiel mit dem einzigartigen Bokeh finde ich reizvoll – das ist mal etwas anderes. Extra ein Objektiv dafür kaufen würde ich aber nicht. Denn der Effekt nützt sich schnell ab, wenn er plötzlich auf jedem Bild auftaucht.

Von den drei getesteten Objektiven mag ich das mit 300 Millimeter am liebsten. Es ist sehr klein und es lässt sich damit noch knapp freihändig fotografieren. Das 900-Millimeter-Objektiv ist zwar stark genug, um den Mond abzulichten; ansonsten jedoch ist es auf grosse Distanzen schwierig, ein scharfes Bild zu machen. Auch mit dem 600-Millimeter-Version ist die Handhabung alles andere als einfach.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 

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