UE Megaboom 4
UE Megaboom 4: Zu unrecht im Schatten der Everboom?
Im Juni stellte Ultimate Ears seine neue Speaker-Kollektion vor. Darunter die vierte Generation des Modells Megaboom. Die Änderungen gegenüber dem Vorgänger sind nicht gewaltig, dennoch ist das Gerät sehr gelungen.
Fast fünf Jahre ist es her, dass die Logitech-Tochter Ultimate Ears – kurz UE – den Megaboom 3 auf den Markt gebracht hat. Ein Speaker, der noch unter dem Label «Portable» läuft, aber trotzdem mehr Wucht liefert als ein Standard-Brüllwürfel. Nach 2019 liefert UE nun die vierte Iteration des Megaboom.
Der Megaboom nimmt eine Sandwichposition ein. Denn er ist in UEs Standard-Lineup zwar der grösste Speaker (neben der Boom, der Wonderboom und der mittlerweile eingestellten UE Roll), UE hat aber in der jüngeren Vergangenheit immer wieder grössere Einzelspeaker präsentiert. Etwa den Hyperboom, den Epicboom und dieses Jahr den Everboom. Deswegen fällt der Megaboom manchmal etwas zwischen Stuhl und Bank – wo er aber nicht hingehört.
«Das doppelte Lottchen»
Der Megaboom dürfte dir in der altbekannten, zylindrischen Form vertraut erscheinen. Optisch unterscheidet er sich kaum von seinem Vorgänger. Die Dimensionen sind identisch: 87 Millimeter in Länge und Breite, 225 Millimeter in der Höhe. In puncto Gewicht bringt er schlappe 10 Gramm mehr auf die Waage als der Megaboom 3. Die Verarbeitung ist tadellos, die Standfläche und das Bedienfeld auf der Oberfläche sind mit Silikon überzogen, der Body in ein Meshgewebe gehüllt und nach IP67 wasserdicht – im Süsswasser und bis zu 30 Minuten. Ich habe den Megaboom 4 deshalb kurzerhand in den ungarischen Plattensee getaucht. Wie du siehst, hat das funktioniert und der Speaker schwimmt praktischerweise.
Einen sichtbaren Unterschied gibt es: Die grossen Buttons für die Lautstärkekontrolle sind nicht mehr Ton in Ton mit den Speakern gehalten, sondern farblich abgesetzt. Oben die Knöpfe für Power, Pairing und natürlich der «Magic Button». Damit kannst du die Musik steuern – Skip/Search, Play/Pause.Auch deine Streaming-App kannst du damit starten. Die Buttons haben alle einen sehr angenehmen Druckpunkt, sind nicht zu sensibel, aber die Finger musst du dir auch nicht brechen.
Dazu musst du allerdings erst die UE-App für Android oder iOS herunterladen und sie mit dem Streamingdienst deiner Wahl verbinden. Hier habe ich eine erfreuliche Beobachtung gemacht: Spotify steht in der Liste nämlich zur Wahl. Als ich vor knapp einem Monat den Everboom getestet habe, war das noch nicht der Fall. Möglich, dass UE just in dieser Zeit ein Update nachgereicht hat.
Fünf Jahre Entwicklungszeit für einen USB-C-Port?
Auch im Innern scheint die Revolution ausgeblieben zu sein. Die beiden 2-Zoll-Fullrange-Driver bei 4 Ohm sind geblieben, die Passivmembrane sind mit 2,5 × 3,4 Zoll ebenfalls ähnlich. Die maximale Lautstärke ist mit 91 vs. 90 dB praktisch identisch. Selbst die Akkulaufzeit gibt UE nach wie vor mit bis zu 20 Stunden an – was in meinem Test allerdings tatsächlich um fast 90 Minuten übertroffen wurde, bevor der Speaker mir zum ersten Mal kundtat «critical battery, please charge». Mit einem gleichzeitigen Druck auf das grosse Plus- und das Minus-Icon auf der Front erfährst du jederzeit, wie es um den Ladestand bestellt ist. Dazu muss man sagen, dass die Herstellerangaben zwar eingehalten, respektive gar übertroffen werden. Allerdings gibt es Konkurrenzmodelle, die länger durchhalten.
Wirklich nennenswert ist nur die Änderung hinten: Versteckt hinter einer Silikonklappe findest du einen USB-C-Port. Hier hat UE aufgerüstet, in der Dreier-Variante des Megabooms ist noch der Mikro-USB-Standard vertreten. Dazu liefert UE natürlich ein USB-C-auf-USB-C-Kabel. Mit Quickstart-Guide, ohne Netzteil – spartanisch, aber vertretbar.
Sound: Ah, here we go!
Nach einigen Jahren der Pause sind die Unterschiede zwischen den Speakern doch überschaubar, wie du vielleicht festgestellt hast. Doch wie steht's um den Sound? UE bewirbt den Megaboom 4 mit «kraftvollem, klarem, mitreissendem 360-Grad-Sound mit donnernden Bässen». Und da kommen sie nun, die Unterschiede – beim Sound. UE hebt hier hervor, dass die Passivmembrane bei der vierten Iteration des Speakers weicher sind. Das soll nicht nur für einen stärkeren Bass sorgen, sondern auch verhindern, dass der Bass überschlägt oder verzerrt wird. Aber: Sind die Unterschiede denn gross genug für ein Update?
Warme Balance, breite Klangbühne
Zunächst höre ich mir «New Kid in Town» von den Eagles an. Denn auch wenn ich bereits gespannt auf die Bassleistung bin, muss ein Speaker für mich auch andere Qualitäten haben. Ich möchte prinzipiell jede Art von Musik hören können. Nicht nur basslastiges Elektro-Gedonner. Und ich will – anders als etwa bei Kopfhörern – nicht nur eine präzise Wiedergabe eines Songs. Ich will Wärme und Enthusiasmus. Schliesslich ist das hier ein Party-Speaker fürs Picknick, kein Studiomonitor, mit dem ich Musik produziere.
Dem Megaboom gelingt es, trotz starker Bässe allen Instrumenten ihren Platz einzuräumen, ohne dass eins bevorzugt wird. Es sei denn, das Lied wurde mit Absicht so aufgenommen. Auch die eher zurückhaltenden Stimmen von Glen Frey und seinen Gspänli kommen gut zur Geltung und finden Gehör. Und zwar auch dann, wenn man ordentlich auf die Plustaste des Speakers haut. Nicht selten sind bei Bluetooth-Speakern die Präzision und die Klangtreue dahin, wenn es zu laut wird. Hier fällt der Unterschied zum Vorgänger dann auch am deutlichsten auf: Dieser kämpft nämlich vergeblich um diesen Detailreichtum, vor allem bei sanften Stimmen und generell mit Klängen in höherer Frequenzlage. Das macht der Megaboom 4 aber ganz gut.
Bass, der nicht überschlägt (weil er sich zurücknimmt)
Nun also das Versprechen von UE. Tiefe, donnernde Bässe. Ohne zu überschlagen, ohne zu verzerren. Das prüfe ich mit «Radical» von Dyro & Dannic. Das Gute vorneweg: Der Bass ist wirklich stark. Er macht was her, bleibt dabei aber sehr präzise, übersteuert nicht und unterlegt den Track genau da, wo er soll.
Allerdings: Dass er nicht überschlägt und nicht verzerrt wiedergegeben wird, liegt meinem Empfinden nach einfach daran, dass er sich bei höheren Lautstärken zurücknimmt. Er verliert hörbar an Power, wenn du den Speaker stark aufdrehst. So wird zwar verhindert, dass er völlig unpräzise eskaliert, man beraubt die Musik aber auch eines wichtigen Elements. Nicht, dass er völlig «aussteigen» würde – aber man merkt's. Diese Schwäche hatte der Vorgänger nicht – dafür schepperte der Bass bei hoher Lautstärke und dröhnte damit andere Elemente einfach weg.
Die App – pragmatisch
Natürlich liefert UE auch eine kostenlose App zum Megaboom 4. Die gleiche wie bei den meisten anderen UE-Speakern. Mit ihr ist der Speaker remote – also ohne physischen Button am Gerät einschaltbar. Wie sich das auf den Akku auswirkt, ist unklar – aber vermutlich nicht so vorteilhaft, weil die Box ja immer erreichbar sein muss. Es gibt einen Equalizer mit verschiedenen Presets wie Bass, Podcast, Gesang und so weiter. Du kannst allerdings auch selbst an den Reglern spielen.
Wie beim Everboom gibt es zudem die Megaphon-Funktion. Tippst du auf das kleine Megaphon-Icon, kannst du in dein Handy sprechen und deine Stimme erklingt durch den Speaker. Ganz cool und nützlich, wenn du beim Grillieren im Wald Leute zusammentrommeln musst oder so. Die Verzögerung beträgt nur Sekundenbruchteile.
Last but not least kannst du via App verschiedene UE-Speaker (egal welche) einfach per Drag&Drop verbinden. Die Speaker werden automatisch gefunden und als kleine Icons angezeigt. Kaum sind sie in der Mitte nebeneinander gezogen, schon hörst du das Kopplungsgeräusch und dein Sound kommt aus mehreren Richtungen – bis zu 150 sind es, verrät UE.
Fazit
Der heimliche Sieger
Vorneweg: Nein. Wenn du einen Megaboom 3 besitzt, dieser noch zuverlässig seinen Dienst tut und du nicht genervt davon bist, dass du für ein einziges Device noch ein altertümliches Kabel herumtragen musst – dann brauchst du keinen Megaboom 4.
Allerdings: Für mich ist der Megaboom 4 der heimliche Sieger des erneuerten Line-ups von UE. Für den Preis bekommst du mächtigen Wumms und – zu meiner Überraschung – auch ziemlich differenzierten Sound. Zum Vorgänger oder zum kleineren Boom 4 höre ich da klare Unterschiede in der Raffinesse. Was vor allem spannend ist, da sich die Hardware zur Megaboom 3 nur wenig unterscheidet.
Dazu kommt eine gute Tragbarkeit, nicht zu schwer, nicht zu gross. Mit der IP-Zertifizierung und der Verarbeitung ist er Outdoor-tauglich. Auch auf unnötigen Schnickschnack verzichtet UE. Sehr cool wäre allerdings ein entfernbarer Akku gewesen, wie es ihn auch beim Xtreme 4 von JBL gibt. Ansonsten geht mein Daumen hoch – für den Preis bekommst du ein tolles Paket.
Pro
- Detailreichtum
- Lautstärke
- Verarbeitung
Contra
- Bei hoher Lautstärke lässt der Bass nach
- Akkus einiger Konkurrenzgeräten halten länger
Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.