Produkttest

Vergleich: Das Nikon 16-85mm 1:3,5-5.6 G ED verliert gegen sich selbst – Update 16.03.2020

David Lee
13.3.2020

Ein Objektiv mit sich selbst zu vergleichen, erscheint auf den ersten Blick sinnlos. Doch stelle ich fest, dass nicht beide Exemplare genau gleich sind.

In diesem Beitrag geht es nicht darum, wie gut das getestete Objektiv ist. Das Nikon 16-85mm 1:3,5-5.6 G ED ist gar nicht mehr erhältlich. Es geht vielmehr um die allgemeine Frage, ob zwei Exemplare des gleichen Modells wirklich genau gleich sind.

Das 16-85mm-Objektiv ist das erste und einzige, das ich doppelt besitze. Darum kann ich in aller Ruhe einen solchen Test durchführen. Auf diese Idee gekommen bin ich, weil ich den Eindruck hatte, dass das zweite Exemplar nicht die Bildqualität liefert, die ich mir eigentlich von diesem Objektiv gewohnt bin.

Die Vorgeschichte

Ich habe mir das Objektiv vor über zehn Jahren im Kit mit einer Nikon D90 gekauft. Leider bekam das Filtergewinde durch einen Sturz eine leichte Delle, so dass ich keine Filter mehr anschrauben kann. Also hab ich mir für meine umgebaute Infrarotkamera, die zwingend einen Filter braucht, das gleiche Objektiv noch einmal gebraucht gekauft. 200 Franken schienen mir ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis, denn von diesem Objektiv hatte ich immer einen sehr guten Eindruck. Es kostete ursprünglich etwa drei Mal so viel.

Nikon AF-S VR DX 16-85mm f/3.5-5.6G ED - (EU) (Nikon DX, APS-C / DX)
Objektiv

Nikon AF-S VR DX 16-85mm f/3.5-5.6G ED - (EU)

Nikon DX, APS-C / DX

Das neu erworbene Exemplar habe ich in meine letzten Ferien mitgenommen. Wieder zurück, stelle ich zuhause am PC fest: Die Fotos sind nicht so scharf, wie ich mir das vom Objektiv gewohnt bin. Ich bin enttäuscht. Und ich will wissen, woran es liegt. Habe ich beim Fotografieren Fehler gemacht oder liegt es wirklich am Objektiv? Und falls ich einen Fehler gemacht habe, welchen?

Der Test

Ich montiere die Kamera auf ein Stativ und nehme exakt dasselbe mit beiden Objektiven auf. Alles ist auf manuell gestellt: 100 ISO, Blende 8, 1/6 Sekunde Belichtung. Selbstauslöser mit Spiegelvorauslösung, damit es sicher keine Verwackler gibt. Ich fotografiere das Motiv mit 85, 35 und 16 Millimetern Brennweite, zur Sicherheit jeweils mit zwei Aufnahmen. Rohformat.

Bei 85 Millimetern scheint mir das alte Objektiv tatsächlich schärfer, bei den anderen zwei Brennweiten hingegen erkenne ich keine Unterschiede.

Links mein erstes 16-85, rechts das neu erworbene. Screenshot der 100-Prozent-Ansicht in Lightroom.
Links mein erstes 16-85, rechts das neu erworbene. Screenshot der 100-Prozent-Ansicht in Lightroom.

Ich wiederhole den Test zur Sicherheit noch einmal. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Bei 85 Millimetern gibt's klare Unterschiede.

Seltsame Fokusanzeige

Das Objektiv hat eine Fokus-Distanzanzeige. Die Entfernung zum Motiv beträgt in der Versuchsanordnung etwa 1,5 Meter. Bei 85 Millimetern Brennweite stellt das Objektiv den Fokus entsprechend auf 1,5 Meter ein. Je mehr ich in den Weitwinkel fahre, desto kürzer wird allerdings die angezeigte Distanz. Bei 16 Millimetern zeigt es nur 80 cm an, dabei beträgt die Entfernung zum fokussierten Motiv nach wie vor 1,5 Meter.

Das ist seltsam. Noch seltsamer ist, dass das Foto mit den angezeigten 80 cm mehr oder weniger scharf wird, während es unscharf wird, wenn ich die Distanz von Hand (korrekt) einstelle.

Das Phänomen tritt bei beiden Exemplaren auf, aber beim neueren ist es stärker ausgeprägt.

Das heisst, es gibt auch hier Unterschiede zwischen den beiden Exemplaren. Ob und wie sich das auf die Schärfe auswirkt, kann ich nicht sagen. Klar ist aber: Bislang habe ich immer geglaubt, dass ich nicht neu fokussieren muss, wenn ich nur herauszoome und ansonsten nichts ändere. Dem ist nicht so, und das könnte mir durchaus einige unscharfe Bilder beschert haben.

AF-Feinabstimmung

Nikon bietet die Möglichkeit, den Autofokus in der Kamera zu justieren. Dies lässt sich manuell oder automatisch vornehmen. Die automatische Messung hat für das neue Exemplar des 16-85mm den Wert +1 ermittelt. Wenn ich so fokussiere, ändert das nichts am Befund: das andere Exemplar ist schärfer.

Auch nach der AF-Feinabstimmung bleibt das alte Exemplar des 16-85mm (links) schärfer.
Auch nach der AF-Feinabstimmung bleibt das alte Exemplar des 16-85mm (links) schärfer.

Sicherheitshalber habe ich nochmals mit der Korrektur +3 fotografiert. Man kann bis +20 gehen. Es nützt alles nichts: Das Foto wird nicht schärfer.

Vergleichsbilder in voller Auflösung herunterladen.

Echte und eingebildete Unterschiede

Nach dem doch sehr theoretischen Test gehe ich nochmal meine Fotosammlung durch: Sind die alten Fotos mit dem ersten 16-85mm wirklich so viel besser? Gar nicht so einfach zu sagen, denn:

  • Die alten Fotos mit der D90 haben eine viel tiefere Auflösung und sind deswegen nicht direkt vergleichbar.
  • Manche Fotos sind wohl in Bewegung entstanden und deshalb leicht unscharf, obwohl die Belichtungszeit sehr kurz ist.
  • Auch bei 16 Millimetern und Blende 8 kommt es drauf an, wo ich den Fokuspunkt setze. Da habe ich oft zu wenig sorgfältig fotografiert.
  • Ich hätte wohl die Gegenlichtblende häufiger verwenden sollen.

Tatsache ist jedoch, dass ich aus meinen Ferien kein einziges wirklich scharfes Bild mit 85 Millimetern Brennweite habe.

85mm, 1/1000 Sek., 100 ISO, F5.6
85mm, 1/1000 Sek., 100 ISO, F5.6
Nur in der Vergrösserung zu erkennen, aber das Bild ist leicht unscharf.
Nur in der Vergrösserung zu erkennen, aber das Bild ist leicht unscharf.

Einzelfall oder häufiges Phänomen?

Ich weiss jetzt zwar, dass die beiden Objektive sich unterschiedlich verhalten und dass das eine besser ist. Aber ich weiss nicht, ob dies ein «bedauerlicher Einzelfall» ist oder ob so etwas öfter vorkommt.

Als Tester ist es für mich mühsam, wenn ich nicht davon ausgehen kann, dass meine Tests allgemeingültig sind. Und natürlich nützen die Tests dann auch potenziellen Käufern nicht viel.

Wenn ein Objektiv nicht in der Lage ist, scharfe Bilder zu liefern, ist es natürlich ein Garantiefall. Dann merkst du das, schickst es zurück und es wird dir ersetzt.

Aber hier liegen die Dinge etwas anders. Das zweite Objektiv ist nicht defekt. Es funktioniert. Es liefert bloss im Telebereich nicht die gleiche Schärfe. Das merkst du aber nicht sofort. Ich habe es durch Zufall entdeckt.

Hattest du schon ähnliche Erfahrungen?

Update, 16.03.2020

Ein Leser schreibt folgenden Kommentar:

Es bleibt leider bis zum Schluss unklar, ob es sich um ein AF-Problem handeln koennte. Bitte nochmal einen Vergleich mit solider, manueller Fokussierung machen.
peterstegemann

Ich finde es sehr schwierig, manuell noch genauer zu fokussieren als automatisch. Der Sucher und der kleine LCD offenbaren mir die kleinen Unterschiede zu wenig gut.

Was ich aber versucht habe: Ich habe die AF-Feinjustierung mit allen möglichen Werten durchprobiert. Und tatsächlich: Bei der Einstellung –5 werden die Bilder knackscharf. Schärfer noch als mit dem anderen Objektiv.

Links: älteres Exemplar, rechts: neues Exemplar mit AF-Feinabstimmung -5
Links: älteres Exemplar, rechts: neues Exemplar mit AF-Feinabstimmung -5

Es handelt sich somit tatsächlich um ein Autofokus-Problem. Die Optik ist vollkommen in Ordnung. Und es handelt sich um ein Problem, das du als User selbst beheben kannst. Insofern: alles halb so wild.

Ich bin allerdings überzeugt, dass die Mehrheit der betroffenen Fotografen nie dahinter kommt, was genau das Problem ist und wie sie es beheben können. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass dieses Objektiv mehr kann, und wenn nicht ein Leser nochmals nachgehakt hätte, dann hätte auch ich weiterhin nur halbscharfe Fotos produziert.

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