Sennheiser Pxc 550
ANC, 30 h, Kabellos
Der PXC 550 Wireless von Sennheiser kann – als jüngster Spross der Sennheiser-Reisekopfhörer – nicht nur den Lärm sehr effizient ausblenden, er kann auch den Klang dank diverser Effekt-Modi und genialer App von brav bis feuerspeiend manipulieren.
Wie es sich für einen musikalischen Reisebegleiter gehört, verfügt der PXC 550 Wireless, der für einen stolzen, aber noch lange nicht horrenden Preis von 370 Franken über den Ladentisch geht, über folgende Vorzüge: hoher Tragekomfort, leichte, geschlossene Bauweise samt NoiseGard-Lärmkiller, zusammenklappbare Bauform, 30 Stunden Spieldauer mit einer Akkuladung, hohe Sprachverständlichkeit bei Telefongesprächen, TalkThrough-Funktion, berührungsempfindliches Trackpad mit überraschend vielen Funktionen, energie-effizienter 4.2-Bluetooth-Standard, gepaart mit aptX und NFC. Last but not least gehört zu diesem Hörer die Captune-App mit einer Fülle an Möglichkeiten.
Um die perfekte Form der Muscheln zu finden, hat Sennheiser hunderte von Ohren ausgemessen. Dank hochwertiger Gelenke lässt sich der Hörer elegant zusammenfalten und so platzsparend im Case aufbewahren. Durch eine Drehung der rechten Muschel wird der Hörer ein- und ausgeschaltet. Eine Stimme meldet dabei die ablaufenden Vorgänge.
Nur zwei sichtbare Tasten dienen zur Wahl der Effekt-Modi und des NoiseGards. Das Trackpad an der rechten Hörermuschel hat es in sich und bietet eine grosse Anzahl an Funktionen. Durch auf- und abstreichen wird die Lautstärke reguliert, durch vor- oder rückwärtiges Streichen der vorhergehende oder der nächste Track angewählt. Mittels mehrfachem Drücken und Halten werden weitere Funktionen, die vor allem das Telefonieren betreffen, bedient. Hier heisst es also – wie auch beim Momentum Wireless – die Bedienungsanleitung studieren, denn nur mit Pröbeln kommt man hier kaum weiter.
Auch für beste Sprachverständlichkeit haben die Sennheiser-Leute in dieses Headset einiges investiert. Bei der VoiceMax-Technologie kommen nicht weniger als drei Mikrofone zum Einsatz: Ein Mikrofon nimmt die Stimme auf, die anderen beiden registrieren Signale zur Unterdrückung von Störgeräuschen.
Die Captune-App wäre alleine schon einen ausführlichen Test wert und bietet nicht nur einen Player, der Zugriff auf die gesamte Musiksammlung des Smartphones hat, sie unterstützt auch den Musikstreaming-Dienst von Tidal und ermöglicht das Anhören von Musiksammlungen über DLNA für Android oder Airplay.
Ganz gross im Element ist die App in Sachen Sound-Tuning. So gibt es einen frei wählbaren Equalizer, mit welchem praktisch alle Klangbilder eingestellt und auch fixiert werden können. Nicht nur der Frequenzgang, also Bässe, Mitten und Höhen, können nach eigenen Klangvorstellungen gewählt werden, sondern im Klangprogramm «Director» auch die räumlichen Verhältnisse. Zudem beherrscht Captune Musikformate wie MP3, AAC, FLAC, OGG und WAV. Die iOS-Version spielt die Formate MP3, AIFF, AAC, WAV und Apple Lossless (ALAC). Des Weiteren kann die Stärke des NoiseGards gewählt werden.
Lärmkiller, auch NoiseGard oder Noise Cancelling genannt, arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Zum in die Hörermuschel eingedrungenen Lärm leitet man als Lärmkiller denselben Lärm, aber mit umgekehrter Polarität und hofft so, dass sich die beiden Signale gegenseitig auslöschen. Der von Sennheiser mit «adaptive Geräuschunterdrückung NoiseGard Hybrid» benannte Lärmkiller soll sich der Art des Umgebungslärmes anpassen und ihn so noch effizienter vernichten können. Dazu werden nicht weniger als vier Mikrofone eingesetzt.
Dass solche Lärmkiller nicht ohne Kollateralschäden arbeiten, ist nicht nur anzunehmen, sondern Tatsache. So gibt es sensible Leute, die beim Einschalten des Noise Cancellings einen gewissen Druck in den Ohren verspüren oder sich irgendwie unwohl fühlen. Für diese Leute hat man das NoiseGard mit wählbarer Einsatzstärke geschaffen. So kann am Hörer je nach Schalterstellung gewählt werden, ob NoiseGard immer voll arbeitet oder dosiert eingesetzt werden soll. Der User bestimmt so, wie stark NoiseGard eingreifen soll und kann eine eventuell hörbare Störwirkung auf ein Minimum beschränken.
Das NoiseGard lieferte in der Praxis exzellente Resultate und ermöglicht auch in relativ lärmiger Umgebung (fast) ungestörtes Musikhören. Tieffrequenter Lärm, wie zum Beispiel das Brummen des Rasenmähers des Nachbarn, wird praktisch vollständig ausgeblendet und lediglich höhere Störanteile wie Polizeisirenen, Zischlaute von lauten Stimmen oder Reifenzischeln auf nassen Strassen können den Hörgenuss noch leicht trüben. Die totale Stille in lärmiger Umgebung kann kein Kopfhörer mit Noise Cancelling ermöglichen. Die Dämpfende Wirkung ist jedoch sehr beachtlich.
Die Messungen zeigen klar: Dieser Hörer wird ausgewogen klingen, denn der Verlauf des Frequenzganges ist sehr linear. Weder Bässe noch Höhen werden betont. Nicht weniger interessant sind jedoch die Sound-Programme Club, Movie, Speech und Director. Das Programm Club hebt die Bässe bei 50 Hz um rund 6 dB an, das Programm Movie sogar um 10 dB. Bei Speech werden die Bässe abgesenkt und die Mitten und Höhen angehoben. Das Programm Director kann in der App Captune programmiert werden und behält danach seine Eigenschaften.
Da sich die Elektronik des Hörers beim Drehen der Muscheln automatisch einschaltet, ist ein Hören nach alter Väter Sitte via Kabel und ohne jegliche Elektronik erst dann möglich, wenn sich der Akku leergespielt hat.
Als erstes werden via Kabel – und damit ohne Captune-App – nicht datenreduzierte Aufnahmen mit anspruchsvoller Klassik angehört. Der Klang ist sauber ausgewogen, homogen und räumlich. Wer von einem Reisekopfhörer einen speziell knackig aufgepeppten Sound erwartet hätte, sieht sich getäuscht. Der PXC 550 ist ein Ausbund an Ausgewogenheit. Keine Tonlage ist betont, alles wird klangneutral und transparent zu Gehör gebracht. So ist es eine Lust, Kammermusik oder ein Orchesterkonzert anzuhören. Streicher kommen mit feinem Schmelz, nie grell und trotzdem gut durchzeichnet. Auch Stimmen wirken warm, sauber und ohne Betonung der Zischlaute.
Die Harry James Big Band erklingt dynamisch und auch kleinere Jazz-Ensembles spielen geradezu audiophil auf. Sehr schön, wie auch die feinen Schlagzeugbesen und andere perkussive Instrumente sauber durchzeichnet zu Gehör gebracht werden. Der Bass wirkt tief, sehr klar aber diskret.
Doch bei konventionellen, meist in der Dynamik und auch im Tiefenbereich beschnittenen Rock-Pop-Aufnahmen, klingt der Hörer recht brav. Gerade der Bass kommt bei einem meiner Lieblingsstücke, dem etwas melancholischen «Walk on the Water» der britischen Melodic-Rock-Gruppe Dare (das mich musikalisch an den tiefgründigen Geschmack eines schweren, rauchig-torfigen Single Malt wie den Laphroaig erinnert), klar unterbelichtet, sprich mager. Auch klingen die Mitten recht grell und dünn. Ich höre somit charakterstarke Musik mit einem mickrigen Sound, der dazu nicht passen will.
Aber für was haben die Sennheiser Klangtüftler dem PXC 550 die Effekt-Modi spendiert? Also erst mal einen einzigen Druck auf die Effekt-Mode-Taste und eine Stimme meldet «Effect Mode Club». Nun kommt der Sound mit bedeutend mehr Power über die Bühne, und der Bass hat an Kraft deutlich zugenommen.
Auch räumlich hat sich das Klangbild leicht gewandelt, denn offenbar haben die Sennheiser Tüftler auch in Sachen Räumlichkeit dezent manipuliert. Doch wie würde der nächste Effect Mode klingen? Also nochmals auf die Taste gedrückt, und die Stimme meldet «Effect Mode Movie». Jetzt geht die Post so richtig ab und es erscheint ein echter Dampfhammersound, der für Bass-Fetischisten genau richtig ist.
Wer aber auch mal ganz leise hören will, erhält so einen satten Sound. Bei höheren Pegeln allerdings beginnt das Bass-Gewummer auf die Dauer dann doch etwas zu nerven. Dann geht es wieder einen Schritt zurück zum Effect Mode Club. Im Effect Mode Speech werden die Bässe beschnitten und die Präsenzlage angehoben. Also nichts für Musik, doch die Sprachverständlichkeit wird deutlich verbessert.
Nun wird der Hörer via Bluetooth verbunden. Der Klang ist kaum schlechter als übers Kabel. Die App Captune kommt nun erstmals zum Einsatz. Hier alle Möglichkeiten aufzuzählen, würde den Rahmen des Berichtes sprengen. So konzentrieren wir uns auf die Möglichkeiten der Klangbeeinflussungen. Neben diversen voreingestellten Klangprogrammen gibt es hier zwei Equalizer: einen mit fixen Einsatzfrequenzen und einen parametrischen Equalizer, mit dem sich praktisch alle Klangbilder erzielen lassen, die man sich nur wünschen kann.
Von dumpf wummernd bis kristallklar lässt sich jeder Sound einstellen. Das ist nicht unbedingt sinnvoll beim Anhören von natürlichen Instrumenten wie Violine, Cello, Gitarre oder Klavier. Wenn es aber um rockig-poppige und Techno-Sounds geht, die viel mit elektronischen Effekten und Klangmanipulation arbeiten, eröffnet sich hier eine wahre klangliche Spielwiese, in der man sich so richtig austoben kann. Der eher brav klingende PXC 550 kann so in eine feuerspeiende Soundmaschine verwandelt werden.
Um die bereits erwähnte dünn-grell klingende Rock-Aufnahme geniessbar zu machen, werden Bässe am parametrischen Equalizer angehoben und die Präsenzlage um 5 kHz abgesenkt. So erhält diese Aufnahme einen schönen Druck im Bass und die nervende Grellheit macht einer angenehmen Brillanz Platz.
Diese hier gewählte Kurve entspricht (zufälligerweise?) annähernd einer der Fletcher-Munson-Kurven, die bekannt sind als «Kurven gleicher Lautheit». Sie beschreiben die Eigenschaft unseres Gehörs, dass bei leisen Schallpegeln sowohl Bass als auch Höhen leiser wahrgenommen werden als bei lauten Pegeln.
Mit diesen Loudness-artigen Kurven lässt sich auch bei niedrigen Lautstärken – und dies auch bei Klassik – einen vollen, runden und im Bass druckvollen Klang geniessen. Der Klang wirkt dabei durch diese Kurve nicht verfärbt, sondern angenehm voll. Mehr über dieses hochinteressante Thema erfährt man im Internet unter «gehörrichtige Lautstärke». So eingesetzt, ist ein Equalizer vor allem für Leute, die gerne eher leise, beruhigende Musik hören wollen, weitaus mehr als nur ein Spielzeug.
Der Sennheiser PXC 550 Wireless ist ein eleganter, hochwertiger und äusserst vielseitiger musikalischer Reisebegleiter. Von Natur aus klanglich sauber und ausgewogen, bei rockigen Sounds eher brav klingend, lässt er sich – dank der eingebauten Effekt-Modi und der App Captune – auch in eine feuerspeiende Soundmaschine verwandeln. Angesichts des hohen technischen Aufwandes und den daraus resultierenden sehr guten Leistungen darf man den Preis des Hörers als absolut gerechtfertigt bezeichnen.
Hochwertiger, topmoderner Reisekopfhörer, der sich klanglich dank diverser Effekt-Modi und der Captune-App von brav bis feuerspeinend variieren lässt sowie einen sehr effizienten und erst noch dosierbaren Lärmkiller – den NoiseGard – besitzt.
Als dipl. Musiker, EL. Ing. HTL und Gündungsmitglied der Internetplattform <a href="http://www.avguide.ch/" target="_blank">www.avguide.ch</a>, interessiert mich Elektronik vor allem dann, wenn sie Musik in höchster Qualität macht. So ist das Testen – sprich anhören, ausmessen und beschreiben von Lautsprechern, Verstärkern, Kopfhörern, HighResolution-Audio-Playern etc. – meine Leidenschaft. Daneben gilt für mich als aktiver Bass-Player: Ohne Bass keine Spass!