«WandaVision», Episode 6: «Ein brandneues Halloween-Spuktakel»
Die sechste Episode «WandaVision» macht zuerst auf «Malcolm Mittendrin», dann auf «Twilight Zone». Genial, aber: zu kurz. Wie immer. Wie wär’s mal mit einer 60-Minuten-Episode, Marvel?
Eines vorweg: Das ist eine Folgenbesprechung. Mit Spoilern! Schau dir also zuerst die sechste Episode von «WandaVision» an, bevor du weiterliest.
Vergangene Woche. Das Ende von Episode 5. Ein Kracher in Form des ersten offiziellen Crossovers zwischen Marvels Cinematic Universe und Fox’ X-Men-Verse. Namentlich: die Rückkehr des Pietro Maximoff aka Quicksilver aka Wandas Bruder. Gespielt wurde er aber nicht von Aaron Taylor-Johnson, dem Pietro aus «Avengers: Age of Ultron», sondern von Evan Peters, dem Pietro, der in «X-Men: Days of Future Past» seinen ersten Auftritt hatte.
Krass. Einfach nur krass.
Aber die sechste Episode – «Ein brandneues Halloween-Spuktakel» – übertrifft sich nochmals selbst, stellt ein paar meiner bisherigen Theorien auf den Kopf und lässt mich neue spinnen.
Aber der Reihe nach.
Die... 2000er? «Malcolm Mittendrin» at its finest
Das Konzept ist bekannt: jede «WandaVision»-Folge für ein Jahrzehnt und seine beliebtesten TV-Serien. Diesmal sind die 2000er dran. Das Intro, das liebevoll nachgeahmt wird, ist unverkennbar. Zumindest für mich als Kind der 90er.
«Malcolm Mittendrin».
Ich kann nicht mehr. Jauchze. Fühle mich zurück in meine frühe Jugend versetzt. Vision als Hal-Verschnitt. Pietro so was wie der älteste Bruder Francis. Tommy und Billy brechen die vierte Wand genauso wie Malcolm. Die Dialoge, Sprüche und der Slapstick – perfekter hätten sie den Ton von «Malcolm Mittendrin» kaum treffen können. Wäre die ganze Folge so gewesen, ohne S.W.O.R.D.-Zirkus drumherum, ich hätte sie geliebt und mir eine ganze Staffel davon gewünscht.
Warum «WandaVision» die 1990er überspringt – vergangene Woche waren ja die 1980er dran – kann ich mir nicht erklären. Dennoch: Danke für diese TV-Perle, Marvel.
Vision auf Abwegen
Die Story der Folge: Es ist Halloween. Verkleiden und von Tür zu Tür gehen ist angesagt. Passenderweise verkleiden sich alle Superhelden genau so, wie sie in den Comics aussehen – oder wie eine Comic-Verfilmung in den 1990ern wohl ausgesehen hätte. Schliesslich soll Tommys und Billys erstes Halloween ein richtig schönes Familienfest werden.
Nicht mit Vision.
Wanda gaukelt er vor, zusammen mit der Nachbarschaftswache für Recht und Ordnung sorgen zu müssen. Dann macht er sich davon. Die Serie in der Serie ändert ihre Tonalität. Am ehesten fühle ich mich an «Twilight Zone» erinnert, einer Sci-Fi-Serie, bei der jede Folge eine abgeschlossene Geschichte erzählte, in der ihre Protagonisten verstörende, unübliche oder gar paranormale Sachen erlebten.
«Twilight Zone» ist allerdings eine 1960er-Serie. Keine 1990er-Serie. Vielleicht bilde ich mir ja auch nur was ein. Die Ähnlichkeiten sind trotzdem da: Je weiter sich Vision von Wanda entfernt, desto seltsamer benehmen sich die Bewohner Westviews um ihn herum. Manche scheinen in einer Dauerschleife festzustecken. Tränen kullern von den Wangen runter.
Sie leiden.
Andere Menschen bewegen sich gar nicht mehr. Stehen einfach still in der Gegend herum. Wie ein einem Spiel. Oder in einer Simulation. Sie tun nur dann etwas, wenn sich Wanda, die «Programmiererin», in der Nähe ist. Alles andere würde zu viel Rechenpower brauchen.
Dann, an der Ellis Avenue, der Stadtgrenze, trifft er Agnes. Ihr wisst schon. Die, die ich der Hexerei bezichtige. Die, die ich in Wahrheit für die uralte, mächtige Agatha Harkness aus den Comics halte. Oder haltet ihr es für Zufall, dass sie ein Hexenkostüm trägt?
Okay, zugegeben. Sie scheint dort am Stadtrand genauso «ausser Betrieb» wie die restlichen Menschen. Und als Vision sie «aufweckt», dreht sie vollkommen durch. Vor allem aber verrät sie Vision, dass er ausserhalb der Maximoff-Anomalie bereits tot sei. Ui.
Ein Trick? Oder ist sie gar nicht Agatha Harkness? Vielleicht ist sie zwar Agatha Harkness, aber nicht an der Erschaffung der Maximoff-Anomalie beteiligt, sondern eher zufällig in der Stadt, als das alles losging. Ich find’s trotzdem komisch, dass wir ihren Mann, Ralph, noch immer nicht gesehen haben. Den halte ich ja für den Teufel Mephisto, der in den Comics ebenfalls die Fähigkeit besitzt, die Realität nach seinen Wünschen zu verändern.
Ah, Spekulationen über Spekulationen.
Falls Mephisto tatsächlich der Hauptbösewicht der Show wäre: Als wen tarnt er sich? Bis jetzt ist mein Tipp Director Hayward, der ausserhalb der Anomalie unbedingt Krieg mit Wanda anzetteln will.
Wer wäre dumm genug, so was provozieren zu wollen, ausser der Teufel selbst?
Tommy, Billy, ihre Superkräfte – und Pietro
Zeit, uns näher mit Tommy und Billy zu befassen. Einen Teil ihrer Comic-Geschichte habe ich euch ja bereits erzählt: ihre Herkunft. Zur Erinnerung:
Sowohl in den Comics als auch in «WandaVision» hat Wanda ihre Zwillinge Tommy und Billy Kraft ihrer Gedanken erschaffen. Diese Fähigkeit hat sie von Teilzeit-Avengers-Feindin Agatha Harkness erlernt. Chaosmagie, nennt Harkness das. Nur: Bei der Erschaffung der Zwillinge hat Wanda versehentlich Fragmente von Mephistos Seele verwendet.
Der ist es auch, der später die fragmentierten Teile seiner Seele einfordert, absorbiert und damit die Existenz Tommys und Billys auslöscht. Ein tragischer Vorfall, der Wanda in den Wahnsinn treibt. Mephisto, der gerissene Dämon, nutzt die Situation aus: Er ermutigt Wanda, eine neue Realität zu erschaffen, in der die Zwillinge noch leben. Eine neue Realität, die verheerende Auswirkungen auf alles Leben auf der Erde hat.
Das Event kennen Comic-Fans unter dem Namen «House of M» und könnte im Wesentlichen das sein, was wir aktuell in «WandaVision» erleben.
In den Comics ist die Auslöschung Tommys und Billys nicht das Ende ihrer Geschichte. Tatsächlich werden sie Jahre später als Thomas Shepherd und William Kaplan wiedergeboren. Zwar haben sie unterschiedliche Eltern und sind getrennt voneinander aufgewachsen. Aber sie gleichen sich dennoch… nun, fast, aber nicht ganz aufs Haar. Tommys Haare sind weiss. Billys braun.
In ihrer frühen Kindheit entwickeln beide Kräfte. Tommy ist rasend schnell, ein Speedster, genau wie einst Pietro aka Quicksilver. Billy hingegen beherrscht Plusminus dieselbe Magie wie Wanda aka Scarlet Witch. Später werden sie von den Young Avengers rekrutiert, eine Truppe junger Superhelden, die in die Fussstapfen der Avengers treten. Erst dort begegnen sie sich zum ersten Mal.
Ihre Spitznamen: Speed und Wiccan.
In den Comics, nachdem sie erste Vermutungen anstellen, trotz unterschiedlicher Herkunft so was wie blutsverwandt zu sein, begeben sie sich auf eine Odyssee-artige Suche nach Scarlet Witch. Nachdem sie sie endlich gefunden haben, gibts die Bestätigung:
Tommy aka Speed und Billy aka Wiccan sind die Reinkarnation Wandas und Visions ausgelöschter Kinder.
In «WandaVision» kriegen wir etliche Easter Eggs, die auf eine ähnliche Story deuten. Die «WandaVision»-Zwillinge kleiden sich zu Halloween ähnlich wie ihre Comic-Vorlage Speed und Wiccan. Tommy entwickelt zudem dieselbe Speedster-Fähigkeit wie sein Onkel. Billy spürt Visions Kampf, die Westview-Anomalie zu verlassen. Hat gar Visionen davon.
Und Pietro? Der quetscht Wanda darüber aus, wie sie ihn wieder zum Leben hat erwecken können und warum er plötzlich anders aussieht. Ich bin mir noch nicht sicher, ob er einfach neugierig ist oder ob er andere Pläne verfolgt. Vielleicht ist er ja gar nicht der echte Pietro. Vielleicht ist ja er Mephisto, der hinter den Ausmass Wandas Kräfte kommen will.
Ein Ausmass, der die letzten Sekunden der Folge allzu deutlich machen.
Wer ist Monica Rambeaus mysteriöser Kontakt?
Ausserhalb der Anomalie wollen sich Captain Monica Rambeau und FBI-Agent Jimmy Woo mit dem bereits in Folge fünf erwähnten Flugzeugingenieur treffen. Monicas «Flugticket» zurück in die Anomalie.
Wer das sein könnte? Fans spekulieren. Meiner Meinung nach spekulieren sie richtig. Für sie kann der mysteriöse Flugzeugingenieur, der genial genug ist, Rambeau ein Gefährt zu bauen, das sie unbeschadet zurück in die Anomalie bringen kann, niemand Geringeres als Reed Richards sein.
Du weisst schon. Mr. Fantastic.
In den Comics ist Reed Richards nicht nur Flugzeugingenieur, sondern auch Wissenschaftler in den Bereichen Mechanik, Elektronik, Chemie, Physik und Biologie. Ein Genie, also. Während eines Trips im Weltall wurden er, sein bester Freund Ben Grimm, seine Frau Sue Storm und ihr jüngerer Bruder Johnny Storm einer hohen Menge kosmischer Hintergrundstrahlung ausgesetzt. Dabei veränderten sich ihre Zellen auf molekularer Ebene.
Superhelden-Geschwurbel für: die Geburt der Fantastic Four.
Kosmische Hintergrundstrahlung. Kommt dir das bekannt vor? Genau diese Strahlung empfängt Dr. Lewis in der vierten Folge, als sie die Westview-Anomalie zum ersten Mal untersucht. Und: In der aktuellen Folge erklärt Dr. Lewis Monica Rambeau, dass sich ihre Zellen auf molekularer Ebene zu verändern beginnen, weil sie zwei Mal die Barriere der Anomalie durchschritten hat.
Zufall?
Apropos: Ich denke nicht nur, dass zumindest Reed Richards aka Mr. Fantastic seinen grossen Auftritt haben wird, sondern auch, dass die Barriere Monicas Rambeaus Superkräfte freisetzen wird. In den Comics ist sie ja als «Photon» bekannt, ausgestattet mit ähnlichen Kräften wie Captain Marvel nach einem Unfall mit einer extradimensionalen Waffe.
Zum Schluss noch dies: Wanda erweitert den Radius ihrer alternativen Realität um ein Vielfaches. Das S.W.O.R.D.-Hauptquartier ist jetzt ein Zirkus. Die meisten Agenten Clowns. Dr. Lewis ist auch irgendwo da drin. Director Hayward, Monica Rambeau und Jimmy Woo sind entkommen – vorerst.
Wie hat euch die Folge gefallen? Gibt’s noch Easter Eggs, die mir entgangen sind? Schreib es in die Kommentare. Nächsten Freitag machen wir mit der Folgenbesprechung der siebten Folge weiter. Das wird heiter.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»